Nottingham. Premier Rishi Sunak versucht, das Ruder rumzureißen. In Umfragen liegen seine Tories weit zurück. Doch im TV-Duell verzettelt er sich.
Vor den Wahlen in Großbritannien liegt die oppositionelle Labour-Partei schon seit Monaten in allen Umfragen meilenweit vor den regierenden Tories. Gewählt wird kommende Woche. Eine Verkleinerung des Vorsprunges, wie man ihn oft kurz vor Wahlen in Umfragen erlebt, sieht man aktuell nicht. Ganz im Gegenteil: Eine nicht enden wollende Kette von Patzern und Skandalen bei den Tories treibt offenbar immer mehr Wählerinnen und Wähler in Richtung Labour.
Umso wichtiger ist das letzte TV-Duell zwischen Premier Rishi Sunak und Labour-Chef Keir Starmer am Mittwochabend. Ausgestrahlt wird es in der BBC. Wird es Rishi Sunak gelingen, das Runder noch einmal herumzureißen?
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Schon die erste Frage hat es in sich: Was würden die beiden Politiker angesichts des sich immer mehr ausweitenden Wettskandals unternehmen, um die Integrität in der Politik wiederherzustellen, möchte eine Frau aus dem Publikum wissen. Es ist vor allem ein Angriff auf Sunak: Vor kurzem wurde bekannt, dass mehrere konservative Politiker kurz vor Sunaks Ankündigung von Neuwahlen vor wenigen Wochen bei Wettanbietern Wetten darauf abgeschlossen haben, dass diese im Juli abgehalten würden. Da Insiderwissen im Spiel zu sein scheint, ermittelt die Wettkommission wegen des Verdachts des Betruges. Ein Labour-Kandidat wurde suspendiert, weil er gewettet hat, dass er bei den Wahlen verlieren würde.
Debatte wird schnell hitzig
Sunak antwortet, er teile den Ärger der Fragerin. „Ich war frustriert und wütend, als ich von diesen Anschuldigungen gehört habe“. Er habe eine Untersuchung angeordnet und zwei Kandidaten suspendiert. Starmer antwortet, die Politik werde zu sehr bestimmt von Leuten, die nur an sich dächten und nicht an den Dienst an der Allgemeinheit. Er habe den Labour-Kandidaten, dem Fehlverhalten vorgeworfen worden sei, innerhalb von Minuten suspendiert. Sunak habe sich tagelang Zeit gelassen. Es ist ein erster Punktsieg für Starmer.
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Nach diesem noch vergleichsweise zurückhaltenden Start wird die Debatte schnell hitzig. Sunak fällt Starmer - wie bei dem ersten TV-Duell zwischen den beiden vor wenigen Wochen - immer wieder ins Wort und wiederholt immer wieder dieselben Thesen: Dass die Steuern unter Labour steigen würden, dass Labour mehr Migranten ins Land lassen würde und dass Labour keinen wirklichen Plan für die Zeit nach einem Wahlsieg habe. Starmer versucht, auf die bisweilen Trump-artigen Ausfälle ruhig zu reagieren und mit kühlen Fakten dagegenzuhalten. Dabei verzettelt sich der als notorisch langweilig geltende Starmer oft in Details und hat Schwierigkeiten damit, die Aufmerksamkeit des Publikums bei sich zu halten.
Abschiebung nach Ruanda
Ein Mal bekommt Starmer dennoch spontan Applaus vom Publikum: Als ihm Sunak nach einer Frage zu den Lebenshaltungskosten abermals ins Wort fällt, wirft ihm der Labour-Chef entgegen: „Wenn Sie öfter auf die Menschen im ganzen Land hören würden, wären Sie vielleicht nicht so realitätsfremd.“ Tobender Applaus vom Publikum.
Sunak versucht seit Wochen, sich mit zunehmend rechtspopulistischen Thesen von den zentristischen Positionen Labours abzugrenzen. So auch heute: Sunak hält daran fest, dass er das Problem mit den Bootsflüchtlingen, von denen seit dem Brexit jedes Jahr Zehntausende irregulär über den Ärmelkanal aus Frankreich nach Großbritannien kommen, mit seinen geplantem Abschiebeflügen nach Ruanda in den Griff bekommen werde. Sollte Starmer Premier werden, würde Labour alle Asylbewerber, deren Status unklar sei, „auf unsere Straßen lassen“. „Überlassen Sie der Labour-Partei nicht die Kontrolle über unsere Grenzen“, wettert Sunak. „Wenn Labour gewinnt, werden die Schleuser ein größeres Boot brauchen“. Tatsächlich hat die - legale sowie illegale - Netto-Einwanderung 2022 einen historischen Höchstwert von 745.000 erreicht. Da war Sunak bereits im Amt.
„Er hat’s gerade wieder getan.“
Zum Ende des TV-Duells greift Sunak abermals die These auf, dass unter Labour die Steuern für jeden Haushalt um 2000 Pfund steigen würden. Dieselbe Behauptung hat er bereits beim TV-Duell mit Starmer etliche Male wiederholt. Kritiker bezeichnen die Zahl, die sich auf einen Zeitraum von vier Jahren beziehen soll, als bestenfalls zweifelhaft. Die Statistikbehörde des Landes hat die konservative Partei verwarnt, weil unklar ist, wie sie auf diesen Betrag gekommen sein will. Starmer erwidert gelassen: „Das ist eine Lüge. Ihm wurde gesagt, dass er diese Lüge nicht wiederholen soll, und er hat’s gerade wieder getan.“
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Am Ende überzeugen weder Starmer noch Sunak. Doch Sunak gelang der Durchbruch nicht, den er gebraucht hätte, um die drohende Wahlniederlage abzuschwächen. Starmer dagegen hat sich keinen katastrophalen Schnitzer geleistet, der ihn in letzter Minute den wahrscheinlichen Wahlsieg hätte kosten können.
Und so geht auch aus Umfragen direkt nach dem TV-Duell hervor, dass aus Sicht der Zuschauerinnen und Zuschauer Starmer und Sunak gleichauf lagen: Laut einer YouGov-Umfrage glauben 50 Prozent der Befragten, Starmer habe bei der Debatte besser abgeschnitten. Die anderen 50 Prozent stimmen für Sunak. Alles in allem dürfte man in der Labour-Zentrale zufrieden sein.