Wien. Die Konservativen erzielen ein historisch schlechtes Ergebnis, während die Rechten jubeln. Der Bundespräsident findet klare Worte.
Die rechtsradikale FPÖ wird bei einer bundesweiten Wahl in Österreich erstmals stärkste Kraft. Aber auch die liberalen, pro-europäischen NEOS schaffen Gewinne. Dabei markiert die EU-Wahl die Halbzeit im Wahlkampf. Im Herbst finden Nationalratswahlen statt.
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Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen (ehemals Grüne) war am Sonntag bei der Stimmabgabe nicht um klare Worte verlegen. Er stelle sich auf „neue Verhältnisse ein“. Und neue Verhältnisse sind es in Österreich.
Österreich bei Europawahl: So hat die Alpenrepublik abgestimmt
20 Mandate werden im EU-Parlament an österreichische Abgeordnete vergeben. Die Wahl am Sonntag hat zwei Sieger hervorgebracht, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Da ist die rechtsradikale, anti-europäische und pro-russische FPÖ, die satte 8,5 Prozentpunkte zulegen konnte und laut vorläufigem Ergebnis mit 25,7 Prozent (sechs Abgeordnete) stimmenstärkste Partei in der Alpenrepublik wurde. Es ist das erste Mal, dass die FPÖ bei einer bundesweiten Wahl auf den ersten Platz kommt. Und da sind die liberalen, pro-europäischen NEOS, die ebenfalls leicht zulegen konnten. Sie erzielten 9,9 Prozent (zwei Abgeordnete).
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Alle anderen wurden abgestraft: Die Kanzlerpartei ÖVP verlor 9,8 Prozentpunkte und kam nur auf 24,7 Prozent (fünf Abgeordnete, ein Minus von zwei Mandaten). Für sie ist es das schlechteste Ergebnis, das sie jemals bei einer EU-Wahl eingefahren hat. Ihr „schlechtestes Ergebnis“ holten auch die Sozialdemokraten – ein leichtes Minus (0,6 Prozentpunkte) im Vergleich zu ihrem bisherigen schlechtesten Ergebnis 2019. Sie kamen auf 23,2 Prozent (fünf Abgeordnete). Die Grünen verloren 3,2 Prozentpunkte und kamen auf 10,7 Prozent (zwei Abgeordnete).
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Österreich: EU-Skepsis ist riesig
Der Politologe Peter Filzmaier sprach von einem umfassenden Sieg für die FPÖ: „Die FPÖ kann nicht nur einen Zugewinn feiern, sie ist auch Gewinner des Tages.“ Allerdings ist es ein Resultat mit vielen „Aber“. Denn der Sieg der FPÖ sowie der Absturz von ÖVP und auch der Grünen waren viel deutlicher vorausgesagt worden.
Es ist die breite EU-Skepsis im Land, die die Tonart dieses Wahlkampfes vorgegeben hat: 22 Prozent sehen die EU-Mitgliedschaft laut Eurobarometer negativ, gerade einmal 42 Prozent der Österreicher bewerten sie positiv, lediglich 38 Prozent wünschen sich eine stärkere Rolle des EU-Parlaments – das sind im EU-Schnitt miserable Werte.
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In diesem Klima klare Aussagen zu treffen, das vermied man größtenteils. Es dominierten lokale und lokalpatriotische Motive. Selbst der Begriff „EU“ schien ein Pfui-Wort zu sein, das es zu umschiffen galt. Lediglich die FPÖ benutzte es. Und zwar in diesem Sinne: „EU-Wahnsinn stoppen“ stand auf ihren Plakaten. Alle anderen zogen es vor, von „Europa“ zu sprechen.
Österreich: Auch ÖVP stänkerte gegen EU-Gesetzgebung
Mit ihrem offen EU-feindlichen Kurs und der Ansage, Kompetenzen wieder auf nationalstaatliche Ebene holen zu wollen, vertrat die FPÖ im rechten Lager die deutlichste Position. Die ÖVP – an sich bis zu ihrem Flirt mit dem rechtsnationalen Lager ausgesprochene EU-Partei – tat sich da sichtlich schwer. Da musste dann zum Beispiel das EU-Renaturierungsgesetz herhalten. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) nannte es ein „dramatisches Beispiel für den Überregulierungswahn in Brüssel“.
Abseits davon: Da zerlegte sich die Kampagne der Grünen in Skandalen um ihre Spitzenkandidatin Lena Schilling, eine Ex-Klima-Aktivistin. Zu den Themen Russland, Verteidigung oder tieferer EU-Integration hielt man sich bedeckt. Ebenso bei der SPÖ. Nur die NEOS verfolgten eine klare Linie für tiefere Integration, für „Vereinigte Staaten von Europa“. Das Europa-Ergebnis setzt den Ton für den weiteren Verlauf des Wahlkampfes.