Berlin. Auf Pro-Palästina-Demos ist es öfter zu sehen: das rote Dreieck. Aktivisten verkaufen es als Widerstandssymbol. Historiker sind empört.
Die weltweite Protestbewegung gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen hat ein gemeinsames Symbol: das nach unten gerichtete rote Dreieck. Auch bei den Institutsbesetzungen durch propalästinensische Aktivisten an Berliner Universitäten wurde es an Türen und Wände geschmiert. Experten sehen darin ein Symbol der palästinensischen Terrororganisation Hamas, die es seit dem Überfall auf Israel vom 7. Oktober dazu nutzt, Drohungen auszusprechen oder mögliche Anschlagsorte zu markieren.
Es wird überlegt, das Zeichen in Deutschland zu verbieten. Propalästinensische Aktivisten haben der Interpretation widersprochen und erklärt, das Dreieck beziehe sich lediglich auf die palästinensische Flagge. Die zeigt tatsächlich ein rotes Dreieck, das aber nach rechts gerichtet ist. Mit dem Verweis auf den Widerstand in Deutschland aber hat es eine ganz eigene Bewandtnis – denn das rote Dreieck reicht zurück bis in die Nazi-Diktatur.
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Damals mussten die politischen Gefangenen in den Konzentrationslagern ein rotes Dreieck tragen, dessen Spitze nach unten zeigte. Die SS hatte Mitte der 1930er Jahre verschiedenfarbige Winkel für die unterschiedlichen Haftgruppen eingeführt. Sie sollten es den Bewachern erleichtern, die Häftlinge zu erkennen, und dazu beitragen, Gegensätze und Rivalitäten unter den Gefangenen zu schüren. Da die politischen Gefangenen zumeist Kommunisten und Sozialdemokraten waren, erhielten sie den „Roten Winkel“.
Gedenkstätte reagierte auf Vereinnahmung des Symbols empört
„Roter Winkel“ wurde der Aufnäher deshalb genannt, weil er sich an der Farbsymbolik ihrer Parteien orientierte. Zu dieser Zeit war der Winkel also alles andere als ein Zeichen des Widerstands, sondern vielmehr eine Zwangskennzeichnung, die den Nazis dazu diente, ihre Gegner zu markieren. Das entspricht der Funktion, die der Winkel heute auch für die Hamas hat.
Als sich nach der Befreiung Deutschlands, die einherging mit der Befreiung der überlebenden KZ-Insassen, und dem Ende des Krieges 1945 in vielen deutschen Städten und Regionen überlebende Verfolgte und Gegner der Nationalsozialisten zusammenschlossen, entstand daraus die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Als gemeinsames Symbol wählten sie demonstrativ den roten Winkel und deuteten mit dieser Aneignung ein Herrschaftszeichen der Nazis in ein Siegessymbol um.
In einer Erklärung vereinnahmte nun aber die propalästinensische Organisation „Student Coalition Berlin“ das rote Dreieck als „historisches Zeichen des politischen Widerstands gegen das deutsche NS-System und seine Konzentrationslager“ für sich. „Antifaschismus ist Antizionismus“ lautete eine der dazu passenden Parolen, die an der Humboldtuniversität gerufen wurde. Die Gedenkstätte der Wannseekonferenz in Berlin reagierte darauf mit Empörung.
Historiker: Das rote Dreieck dient der Markierung des Gegners
Es sei „infam, eine solche Kontinuität des roten Winkels aus der antifaschistischen Erinnerungskultur mit dem Dreieck der Hamas-Zielmarkierung zu behaupten“, sagte Eike Stegen, Historiker am Haus der Wannseekonferenz, dieser Redaktion. Wenn überhaupt, läge eine Kontinuität in der Markierungsfunktion von Gegnern. Er widersprach auch der Interpretation, das Zeichen sei ein Zitat aus der Palästina-Flagge. In den vielen Jahren der militärischen Konflikte zwischen Palästinensern und Israelis sei es bis zum 7. Oktober noch nie als Symbol aufgetaucht.
Beide Erzählungen dienten nur dazu, Nebelkerzen zu werfen, die den eigentlichen Zweck der roten Hamas-Dreiecke verhüllen sollten. Wie unhistorisch die Aneignung des roten Dreiecks durch die militanten Israel-Gegner ist, beweist auch ein Foto aus den Beständen des Deutschen Historischen Museums: Es zeigt eine Veranstaltung im September 1948 zum „Tag der Opfer des Faschismus“ im Ost-Berliner Lustgarten. Unter dem Roten Winkel der VVN wehen dort die Fahnen vieler Länder – direkt unter der Spitze des Dreiecks aber, fast symbolträchtig, die Flagge Israels.
Überlebende Antifaschisten und die überlebenden Juden des von ihnen kurz zuvor mitbegründeten Staates stehen einträchtig zusammen. Dass dieses Symbol nun ausgerechnet von militanten Israel-Gegnern eingesetzt wird, ist eine bemerkenswerte Volte der Geschichte. Das Winkel-Symbol prägt zahlreiche NS-Gedenkstätten, vor allem auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, wo die VVN eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung der Erinnerungskultur inne hatte.
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