Berlin. Gratis-Führerschein und Studienplatz? Der Verteidigungsminister skizziert erstmals sein Wehrdienstmodell – und schon gibt es Kritik.

Eigentlich wollte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schon vor Wochen seine Vorschläge für ein neues Wehrdienstmodell vorlegen. Jetzt wird es wohl erst kurz nach der Europawahl am 9. Juni so weit sein. Aber was Pistorius im Kern vorschwebt, hat er jetzt bereits in einer Sitzung der SPD-Spitze in Grundzügen skizziert – und damit die Genossen ebenso wie Verteidigungsexperten außerhalb der SPD-Zentrale überrascht: Eine Rückkehr zur Wehrpflicht plant Pistorius nicht mehr. Verstärkung für die Stammtruppe und einen Aufwuchs bei der Zahl der Reservisten soll es nur auf Basis von Freiwilligkeit geben.

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Die Union ist entsetzt. „Pistorius ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Florian Hahn (CSU), unserer Redaktion. „Offenbar sind er, der Kanzler und die SPD weniger von der Sorge um Deutschlands Sicherheit und die unserer Verbündeten als von schlechten Wahlumfragen geplagt“, fügte Hahn hinzu.

Am finalen Modell werde noch gefeilt, wird im Verteidigungsministerium versichert. Klar ist: Wie beim Schweden-Modell sollen zunächst alle jungen Bürger zum 18. Geburtstag angeschrieben werden, um das Interesse an der Bundeswehr zu wecken. Sie müssten einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie zu ihrer körperlichen Fitness Auskunft geben sollen und in dem sie auch erklären, ob sie sich grundsätzlich einen Wehrdienst vorstellen können.

Keine Wehrpflicht: Lockmittel statt Zwang

Aber anders als das Schweden-Modell, das notfalls auch auf Zwang setzt, soll niemand gegen seinen Willen zur Truppe einberufen werden. Vielmehr soll es neue Vergünstigungen und Anreize geben für den Soldaten-Nachwuchs: Ein kostenloser Führerschein gehört dazu oder, nach dem freiwilligen Wehrdienst, ein erleichterter Zugang zu Studienfächern und ein Rabatt bei der Rückzahlung eines Studienkredites. Mit dem neuen Kurs trägt Pistorius den Bedenken in der Koalition Rechnung.

Boris Pistorius (SPD),  Bundesminister der Verteidigung besucht Litauen
Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, bei einem Truppenbesuch der Panzerbrigade 12 in Litauen. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Vor allem die FDP und die Grünen hatten einer Wehrpflicht eine Absage erteilt. Zuletzt bremste aber auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Minister. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht „würde nicht mehr funktionieren“, warnte Scholz.

Kritik an Pistorius: „Vor den eigenen Genossen offenbar eingeknickt“

Nun muss Pistorius aber die Skeptiker im Verteidigungsministerium überzeugen. Denn seine Beamten hatten das Freiwilligkeitsprinzip mit verstärkten Anwerbungsbemühungen zwar als eine von drei Optionen geprüft – aber dieses Modell („Optimierung des Status quo“) galt in ersten Ausarbeitungen als jenes, das für die Bedarfsdeckung „am wenigsten Erfolg versprechend“ sei.

Der Unions-Verteidigungsexperte Hahn sprach von einer „weiteren Rolle rückwärts“ des Ministers. Erst habe er für eine allgemeine Dienstpflicht geworben, jetzt sei er „vor den eigenen Genossen offenbar eingeknickt“. Der Kanzler, der Minister und die SPD hätten sich damit endgültig vom Grundsatz „Erst das Land und dann die Partei“ entfernt und die deutsche Sicherheit dem Wahlkampf und eigennützigen Zielen geopfert. Der CSU-Politiker beklagte, es hapere überall an der Umsetzung der dringend notwendigen Verbesserungen, die für die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr notwendig wären – und an den erforderlichen Geldern, die der Finanzminister und der Kanzler verweigerten. Hahn sagte: „Die Zeitenwende ist damit endgültig beerdigt. Deutschland wird unter der Ampel und Minister Pistorius nicht verteidigungsfähig werden.“