Erfurt. Die CDU kann durchatmen. Anders als befürchtet, gewinnt die AfD zunächst kein Amt in Thüringen. Doch das Blatt könnte sich noch wenden.
„Demut und Respekt.“ Der Thüringer CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt wählt seine Worte am Sonntagabend gegenüber dieser Zeitung wohl. Denn er weiß: Obwohl die Union ihren Status als Kommunalpartei untermauern konnte, bleiben bei den Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen Licht und Schatten für die Christdemokraten.
Als die allermeisten der 2539 Stimmbezirke ausgezählt sind, liegt die CDU bei 30,9 Prozent der Stimmen und damit deutlich vor den sogenannten „Sonstigen“, unter die vor allem Kandidaten von Wählervereinigungen und Parteilose fallen, und der AfD. Die von Rechtsextremist Björn Höcke in Thüringen geführte Partei kommt auf 20,5 Prozent der Stimmen und kann sich im ersten Wahlgang kein weiteres Landratsamt sichern.
Das war von der Thüringer Parteiführung eigentlich als Ziel ausgegeben worden, nachdem im vergangenen Jahr im Landkreis Sonneberg der erste AfD-Landrat Deutschlands gewählt wurde. In dem kleinen südthüringer Landkreis führt der AfD-Politiker Robert Sesselmann seither die Geschäfte.
Kommunalwahlen in Thüringen: Stichwahlen sind Risiko für Union
Dass die AfD es in mehrere Stichwahlen geschafft hat, lässt der CDU-Landesvorsitzende dann auch unerwähnt. „Heute ist ein guter Tag für Thüringen“, sagt er und streicht die Erfolge seiner Partei heraus. Die stellt in Weimar, Suhl und Altenburg weiter die Bürgermeister und hat in zwei Wochen bei der Stichwahl alle Chancen, auch das Oberbürgermeisteramt der Landeshauptstadt zu gewinnen. Denn in Erfurt schaffte es der dortige Unionskandidat überraschend auf Platz eins in die Stichwahl gegen den langjährigen Oberbürgermeister und ehemaligen SPD-Landesvorsitzenden Andreas Bausewein.
Die Kommunalwahl, bei der mehr als 1,74 Millionen Menschen aufgerufen waren, ihre Stimme abzugeben, in Thüringen gilt als wichtiger Stimmungstest für die im September anstehenden Landtagswahlen in Thüringen. Dort will Mario Voigt für die CDU gegen den einzigen Linke-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke gewinnen. In Umfragen zur Landtagswahl führt aktuell allerdings die AfD vor der CDU und der Linkspartei.
Bodo Ramelow regiert Thüringen seit der Landtagswahl 2019 ohne eigene Mehrheit und war kurzzeitig nicht mehr Ministerpräsident, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich auch mit den Stimmen der AfD gewählt wurde. Das löste eine Regierungskrise aus, Kemmerich trat zurück und die CDU ließ Ramelow danach für eine weitere Legislaturperiode. Die endet im September, weshalb vorab insbesondere die auf Kommunalwahlen geschaut wurde.
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„Der Osten ist nicht mit einem Schlag blau geworden“
Trotz aller Euphorie in der CDU und auch bei der Thüringer Linkspartei zeigt sich diese Tendenz in einigen Ergebnissen am Sonntag deutlich. Die Linke-Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig konstatiert zwar dies: „Der Osten ist nicht mit einem Schlag blau geworden.“ Dennoch: Bei mehreren Landratswahlen kann die AfD in zwei Wochen bei den kommunalen Stichwahlen noch einmal um weitere Landratsposten kämpfen. Darunter sind auch langjährige CDU-Hochburgen, wie der Landkreis Eichsfeld in Nordthüringen.
Dort regiert mit Werner Henning (CDU) noch immer der dienstälteste Landrat der Bundesrepublik, der bei allen Wahlen stets Ergebnisse weit über 70 Prozent erzielt hatte. Henning durfte bei der Abstimmung diesmal aus Altersgründen aber nicht mehr antreten. Seine designierte Nachfolger Marion Frant (CDU) kam jetzt nur auf 46 Prozent der Stimmen und muss gegen die AfD in die Stichwahl.
Noch deutlicher wird die Tendenz zu hohen AfD-Ergebnissen in Ostthüringen sichtbar. Dort geht der AfD-Landratskandidat Heiko Philipp im Landkreis Altenburger Land sogar als Führender in die Stichwahl. Er hat im ersten Wahlgang sogar mehr Stimmen bekommen, als der Amtsinhaber Uwe Melzer (CDU). Auch im Landkreis Greiz schaffte es die AfD mit ihrer Kandidatin gegen die CDU in die Stichwahl.
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Rechtsextremist steht auf Wahlzettel
Auch im südthüringischen Landkreis Hildburghausen, in unmittelbarer Nachbarschaft zum bisher einzigen AfD-geführten Landkreis Sonneberg, kommt es zu einer Stichwahl, über die nur wenige Stimmen am Ende den Ausschlag gegeben haben. In zwei Wochen wird dort im Ringen um das Landratsamt erneut ein bundesweit bekannter Rechtsextremist auf dem Wahlzettel stehen. Denn Tommy Frenck, der in der Vergangenheit unter anderem eines der größten Rechtsrockkonzerte in Deutschland in Thüringen initiiert hatte, kam auf 24,9 Prozent der Stimmen und damit 0,2 Prozentpunkt mehr, als die CDU-Kandidatin. Im Vorfeld der Landratswahl im Landkreis Hildburghausen hatte der Thüringer Verfassungsschutz sogar Informationen über Frenck bereitgestellt. Das Gremium ließ den Wahlvorschlag dennoch zu.
Auch wenn alle Blicke hauptsächlich auf CDU, AfD und Linke gerichtet sind, geht es bei den Stichwahlen in zwei Wochen auch für die Freien Demokraten noch um etwas. Die kamen zwar bei den Landräten und Oberbürgermeisterin insgesamt nur auf 1,6 Prozent der Stimmen – die konzentrieren sich vor allem in der zweitgrößten Thüringer Stadt. Denn in Jena stellt die FDP mit Thomas Nitzsche das Stadtoberhaupt, muss allerdings auch in die Stichwahl. FDP-Landeschef Thomas Kemmerich hält es deshalb wie sein CDU-Kollege Voigt und übt sich in Demut. „Die Stichwahl“, sagt er, „wird kein Selbstläufer“.
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