Paris. Achtmal mehr Ordnungshüter als Athleten: Für Olympia verwandelt sich Paris in einen Hochsicherheitsbereich – zum Ärgernis der Bewohner.
Besonders guter Laune war Leutnant Elisa H. am Ostermontag ohnehin nicht, da sie Bereitschaftsdienst schieben musste. Aber richtig mies wurde die Stimmung der jungen Gendarmerie-Offizierin erst, als ihr Vorgesetzter sie anrief. Leider, so teilte er mit, müsse er den bereits genehmigten Urlaubsantrag von H. wieder einkassieren. Statt sich wie geplant im August mit ihrem Lebensgefährten an den Stränden von Korsika zu bräunen, wird die Soldatin durch das Olympische Dorf im Pariser Vorort Saint-Denis patroullieren. Der Befehl, so ihr Chef, komme von „ganz oben“.
Am 24. März, zwei Tage nach dem Anschlag auf die Crocus City Hall bei Moskau mit mehr als 140 Toten, hat Frankreich die höchste von drei Terrorwarnstufen ausgerufen. Und es ist davon auszugehen, dass der Alarmzustand bis und während der am 26. Juli in der französischen Hauptstadt beginnenden Olympischen Sommerspiele aufrechterhalten wird – wobei bereits vor dem blutigen Attentat in der russischen Metropole, zu dem sich die Terrororganisation Islamischer Staat bekannt hat, eine Verschärfung der ohnehin enormen Sicherheitsvorkehrungen für das „Fest Olympia“ angedacht worden war.
Mehr zum Thema:Sorge vor Olympischen Sommerspielen – Paris droht der Kollaps
Der Grund ist die laut dem französischen Innenminister Gérald Darmanin zuletzt deutlich gestiegene Attentatsgefahr links des Rheins. Allein seit Beginn des Jahres sind auf französischem Boden zwei neue Anschlagsversuche vereitelt worden, der jüngste war wohl für den Ostersonntag geplant gewesen. In beiden Fällen standen die Gefährder in Verbindung zum IS-Ableger Provinz Khorasan (ISPK). Auch Arman R.-S., der Anfang Dezember einen deutschen Touristen auf der Pariser Brücke Bir Hakeim ermordete, hatte dem ISPK Gefolgschaft geschworen.
Olympia: Eröffnungsfeier auf der Seine deutlich geschrumpft
Tausende Athleten, riesige Menschenmengen und das weltweite Fernsehpublikum machen die zu einer idealen Zielscheibe für Terroristen, wie sich 1972 in München und 1996 in Atlanta gezeigt hat. Es kommt hinzu, dass Paris als Hauptstadt einer Nation, die von den Islamisten als „kleiner Satan“ bezeichnet wird (als großer Satan gelten die USA) und deswegen innerhalb des vergangenen Jahrzehnts bereits einen sehr hohen Blutzoll zahlen musste.
Die Nervosität der Sicherheitsbehörden ist in den vergangenen Wochen noch deutlich gestiegen, wie nicht allein die soeben erlassenen Urlaubssperren für zahlreiche Polizisten unterstreichen. Auch die große Eröffnungsfeier auf der Seine wurde modifiziert. Statt einer Million Zuschauer werden an den rigoros abgeriegelten Ufern nur noch rund 300.000 Personen mit Passierschein zugelassen, die sich zwecks Überprüfung ihres Vorstrafenregisters vorher angemeldet haben.
Im Ausnahmezustand – Spielorte werden zu Sicherheitszonen
Neben dem Vorort Saint-Denis sind weitere Sicherheitszonen mitten in Paris vorgesehen – und all jene Orte, die gemeinhin besonders viele Besucher anziehen. Das gilt für den Eiffelturm, weil dort die Beachvolleyballer um Medaillen ringen werden, das für Fußballspiele vorgesehene Stadium Parc des Princes, den für die Breakdancer reservierten Place de la Concorde oder das an den Champs-Elysées gelegene Grand Palais, wo die Fecht- und Boxkämpfe ausgetragen werden.
Dorthin wird man zudem allein zu Fuß und mit einem gültigen Ticket oder einem Anwohnerausweis gelangen können, denn die Metrostationen bleiben geschlossen und auch Linien-Busse dürfen nicht verkehren. Auch Absperrgitter werden in der Seine-Metropole und in Saint-Denis während des intern bereits „Hochsicherheits-Spiele“ genannten Sportevents überall zum Straßenbild gehören. Schwerbewaffnete Ordnungshüter in Kampfanzügen ebenso.
Während Olympia sollen mit 45.000 Polizisten und Gendarmen, 18.000 Soldaten sowie 20.000 privaten Sicherheitskräften bereits jetzt auf jeden der 12.000 Athleten fast acht Ordnungshüter kommen, doch selbst das scheint den Verantwortlichen nach dem Anschlag bei Moskau nicht mehr ausreichend. Kurz vor Ostern hat Frankreich mehrere befreundete Länder um die Entsendung von mindestens 2000 weiteren Einsatzkräften gebeten. Ein Verstärkungsgesuch, dem Deutschland und Polen als erste zugestimmt haben.
Hintergrund:Nach Paris-Attentat – Frankreich fürchtet neuen Dschihad