Berlin. Der Gesundheitsminister will die Kliniken reformieren. Eine Umfrage unter 448 Krankenhäusern liefert jetzt ein überraschendes Ergebnis.

Schluss mit überflüssigen Operationen. Komplizierte Eingriffe nur von Ärzten, die wirklich etwas davon verstehen. Krebsbehandlungen ausschließlich in Fachzentren: Mehr Qualität – das ist ein wichtiges Ziel der Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Doch kann das überhaupt gelingen?

Eine repräsentative Umfrage unter mehr als 400 Allgemeinkrankenhäusern befeuert die Zweifel: Nur jede zehnte Klinik geht davon aus, dass sich die Behandlungsqualität durch die Reform verbessern wird. Genauso wenige erwarten, dass die Reform den Pflegenotstand mildert.

Am 10. Juli hatten sich Bund und Länder auf die Eckpunkte von Lauterbachs Krankenhausreform verständigt. Der Kern ist eine neue Finanzierung, die mehr auf Qualität statt auf Fallzahlen setzt. Im Zuge der Reform soll die gesamte Kliniklandschaft neu sortiert werden – so dass am Ende jedes Krankenhaus nur diejenigen Eingriffe anbietet, bei denen es die Qualitätskriterien erfüllt.

Doch wie kommt das vor Ort in den Kliniken an? An der Umfrage im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) nahmen 448 Allgemeinkrankenhäuser teil – das Zeugnis für Lauterbachs Reform liegt dieser Redaktion exklusiv vor.

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Für Patientinnen und Patienten besonders interessant sind die schlechten Noten mit Blick auf Qualität und Personalknappheit: 60 Prozent der befragten Kliniken glauben nicht oder „eher nicht“, dass sich die Behandlungsqualität verbessert, 29 Prozent erwarten das immerhin teilweise, neun Prozent sind optimistisch, nur ein Prozent der Kliniken ist „voll und ganz“ überzeugt.

Kliniken erwarten keine Verbesserung der Personallage

Ein ähnliches Bild ergibt sich mit Blick auf den erhofften Effekt, dass sich durch eine Reform die Chancen erhöhen, dringend benötigtes Personal zu gewinnen: „Ernüchternd sind die Ergebnisse, wenn man die Praktiker fragt, ob sie eine Verbesserung der Personallage erwarten. Nur elf Prozent erwarten dies“, sagt Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Krankenhausgesellschaft. „Die Politik verkennt gerne, dass Personal kein Wanderzirkus ist, den man von A nach B schicken kann“, so Gaß.

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, will die Qualitätsstandards in den Kliniken erhöhen.
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, will die Qualitätsstandards in den Kliniken erhöhen. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Die Konzentration auf weniger Standorte werde nicht dazu führen, „dass das Personal automatisch mit wechselt. Im Gegenteil, wir werden Personal verlieren“, glaubt der Experte. Pflege- und Teilzeitkräfte hätten häufig eine regionale Verbundenheit, sie zögen nicht eben mal 30 Kilometer weiter zur nächsten Universitätsklinik.

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Ein großer Teil dieser Leute werde sich eine andere Beschäftigung suchen oder in den Vorruhestand gehen. Lauterbach dagegen argumentiert genau umgekehrt: Mit der Reform würden nicht mehr rentable Häuser schließen, deren Personal könne dann die Teams in anderen Kliniken verstärken.

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Gute Noten dagegen gibt es für Lauterbachs Plan, die Krankenhäuser unabhängig von der Fallzahl zu finanzieren, sondern stattdessen für das Vorhalten hochwertiger Leistung. 69 Prozent der Befragten bewerten diesen Schritt als sehr gut oder gut.

15 Prozent der Kliniken gehen von kompletter Schließung aus

Doch was erwarten die Kliniken an konkreten Veränderungen durch die Reform? Fast jede zweite der befragten Kliniken (44 Prozent) geht davon aus, dass Fachabteilungen geschlossen werden – etwa, weil sie den neuen Qualitätskriterien mit Blick auf medizinische Expertise, Erfahrung oder auch personelle Kapazität nicht mehr entsprechen. 27 Prozent gehen von Schließungen einzelner Krankenhausstandorte aus – und 15 Prozent von der Schließung des gesamten Krankenhauses.

Endoskopische Operation in einem Krankenhaus in Thüringen.
Endoskopische Operation in einem Krankenhaus in Thüringen. © dpa | Bodo Schackow

Mit steigendender Krankenhausgröße nimmt laut Umfrage die Erwartung tendenziell ab, Fachabteilungen, Standorte oder Krankenhäuser insgesamt schließen zu müssen. Viele Kliniken, auch das zeigt sich in der Umfrage, werden den Start der Reform gar nicht mehr erleben: „Mehr als zwei Drittel der Krankenhäuser sehen ihre Existenz stark gefährdet“, sagt Gaß. Praktisch kein Krankenhaus könne die inflationsbedingten Kostensteigerungen mehr aus den laufenden Einnahmen finanzieren. Ohne einen sofortigen Inflationsausgleich stehe man vor „einem unkontrollierten Krankenhausterben“.

Gaß: „Uns drohen drastische Versorgungsverschlechterungen“

Es sei eben ein Unterschied, ob 20 Prozent der Standorte in einem geordneten Verfahren über einen Zeitraum von zehn Jahren geschlossen oder umgewandelt würden oder aber die gleiche Zahl von Klinken unkontrolliert einfach wegfalle und bedrohliche Lücken in die Versorgung reiße. „Uns drohen drastische Versorgungsverschlechterungen in vielen Regionen, wenn die Politik die Krankenhäuser mit den inflationsbedingt gestiegenen Kosten weiter alleinlässt.“

Auch Lauterbach geht davon aus, dass in den kommenden Jahren, also noch bevor die Reform überhaupt zu wirken beginnt, Krankenhäuser aus finanzieller Not dicht machen werden. Eine erneute Finanzspritze durch den Bund aber werde es voraussichtlich nicht geben, sagte Lauterbach nach der Einigung mit den Ländern Mitte Juli.

Gaß warnt nun dringend: „Wenn sich die Lage rund um die drohenden Klinikschließungen weiter zuspitzt, wird das Thema Krankenhausversorgung in der Rangliste der politischen Themen bei den Bürgerinnen und Bürgern ganz nach oben wandern.“ In den nächsten zwölf Monaten stünden in elf Bundesländern Landtags- und Kommunalwahlen an. Das Nein des Bundes zu weiteren Finanzhilfen sei ein „riskantes Spiel“. Über den Sommer wollen Bund und Länder einen konkreten Gesetzentwurf ausarbeiten.

NameKarl Lauterbach
Geburtsdatum21. Februar 1963
AmtGesundheitsminister
ParteiSPD
Parteimitglied seit2005
FamilienstandGeschieden, fünf Kinder
Größe1,83 Meter