Düsseldorf. Der islamische Religionsunterricht bleibt eine Dauerbaustelle. Jetzt gibt es Streit um eine umstrittene Umfrage und eine Studie.
NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat sich hinter eine Umfrage von Islamexperten der Universität Münster gestellt, in der unter anderem fundamentalistische Einstellungen von Schulkindern und Lehrkräften abgefragt wurden, und Kritik daran zurückgewiesen. „Es besteht kein Anlass, die Befragung einzustellen“, schreibt die Ministerin in einem Bericht an den Schulausschuss des Landtags, der sich an diesem Mittwoch mit dem Thema beschäftigen wird.
Darf man Kinder fragen, ob sie religiöse Gebote für wichtiger halten als Gesetze?
Darf das für die Umfrage zuständige Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster Schülerinnen und Schüler im Islamischen Religionsunterricht (IRU) zum Beispiel fragen, ob für sie religiöse Gebote wichtiger sind als staatliche Gesetze oder ob Männer Frauen schlagen dürfen, wenn diese ihnen widersprechen? Verbände wie das Elternnetzwerk NRW – ein Zusammenschluss von Eltern mit Zuwanderungsgeschichte – und der Verband Muslimischer Lehrkräfte reagierten zuletzt empört auf die Umfrage und baten das NRW-Schulministerium, sie zu stoppen.
Die Umfrage erzeuge durch „teilweise tendenziöse und suggestive Fragen und Antwortmöglichkeiten ein gefährliches Framing“, warnen die beiden Verbände. Mit Framing ist hier das Einbetten in eine einseitige Deutung gemeint. Der Vorwurf steht im Raum, dass die Erhebung durch Vorurteile über den Islam geprägt sei. Teile der muslimischen Community verurteilen die Umfrage als „Gesinnungstest“. Zumindest hätte man zuvor die Eltern informieren sollen.
Schulministerium: Von solchem Umfragen hängt der Erfolg des Religionsunterrichts ab
Dem tritt das NRW-Schulministerium nun entschieden entgegen. Es sehe keine Veranlassung, die wissenschaftliche Fachlichkeit der durch das Zentrum in Münster durchgeführten Befragung in Frage zu stellen, schreibt die Ministerin in ihrem Bericht, den sie auf Bitte der SPD-Fraktion verfasst hat. Es sei sinnvoll, zu überprüfen, wie sehr sich Schulkinder und Lehrende im Islamischen Religionsunterricht mit traditionellen religiösen Positionen identifizierten, denn auch von solchen Erkenntnissen hänge der Erfolg dieses Unterrichts ab.
Der von den beiden Verbänden geäußerten Kritik, dass Minderjährige ohne Einwilligung der Eltern nach ihren Einstellungen gefragt worden seien, kontert die Landesregierung so: Die Teilnahme sei freiwillig und anonym gewesen, personenbezogene Daten seien nicht erhoben worden. Es habe sich zudem um „religionsmündige“ Kinder gehandelt, also um Mädchen und Jungen ab 14 Jahren.
Ein dritter Verband -- das Netzwerk Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte -- zog seine Kritik an der Umfrage übrigens nach einem Austausch mit dem Schulministerium zurück.
Studie unter angehenden Islamlehrern weckt Zweifel an der Eignung einiger Studierender
Der bekenntnisorientierte Islamische Religionsunterricht, der seit 2012 in NRW angeboten wird, kam vor wenigen Wochen schon einmal ins Gerede, nachdem eine Studie des Zentrums für Islamische Theologie in Münster zu den Einstellungen von angehenden islamischen Religionslehrkräften öffentlich geworden war. Demnach soll etwa jede dritte dieser Studierenden Juden als Feinde ansehen. Etwa jeder fünfte meinte, Frauen sollten weniger Rechte haben als Männer. Dieser Studie zufolge sollen fundamentalistische und judenfeindliche Einstellungen unter angehenden islamischen Religionslehrern in Deutschland verbreitet sein.
Islamischer Religionsunterricht in NRW
Der bekenntnisorientierte Islamische Religionsunterricht, eingeführt in NRW im Jahr 2012, hat die Ziele, die einst für ihn gesteckt wurden, noch längst nicht erreicht. Nicht einmal 250 von mehr als 5000 öffentlichen Schulen bieten ihn an. In NRW leben laut dem Schulministerium mehr als 470.000 Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens, aber nur knapp sechs Prozent von ihnen haben diesen staatlichen Religionsunterricht.
Er soll, wie auch der katholische und der evangelische Religionsunterricht, Kindern eine eigene Wertehaltung und Offenheit gegenüber anderen Religionen und Konfessionen ermöglichen.
Das Land NRW arbeitet beim islamischen Religionsunterricht mit verschiedenen muslimischen Organisationen zusammen, darunter auch der Moscheeverband Ditib, der sich eng an der türkischen Regierung in Ankara orientiert.
Das Studienfach „Islamische Religionslehre“ zur Ausbildung der Lehrkräfte wird seit dem Wintersemester 2012/2013 von der Universität Münster angeboten, Pionier dieses Studienangebotes ist der Islamprofessor Mouhanad Khorchide. Seit dem Wintersemester 2022/23 wird das Studienfach auch an der Universität Paderborn angeboten. Zurzeit gibt es rund 300 staatlich ausgebildete Islam-Lehrkräfte in NRW.
NRW-Schulministerin hat keine grundsätzlichen Zweifel an den Lehrenden
NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) beschäftig sich in einem weiteren Bericht auf Bitte der FDP-Landtagsfraktion auch mit der Studie aus Münster. Sie weist darauf hin, dass sehr viele der Befragten der Demokratie ausdrücklich zustimmten und dass viele dieses Studium bewusst gewählt hätten, um für den „interreligiösen Dialog“ befähigt zu werden. Es sei rechtlich außerordentlich schwierig, den Zugang zu einem Studium zu beschränken. Die Aufnahme eines Studiums sei ein „hohes Rechtsgut“. Beschränkungen seien in der Regel nur möglich, wenn es mehr Bewerbungen als angebotene Studienplätze gebe. Lehrkräfte müssten sich zudem zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und könnten – nach Einzelfallprüfung – von Dienst freigestellt werden, falls extremistische Haltungen erkennbar werden sollten.
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