Düsseldorf. Erneut setzt Starkregen Regionen unter Wasser. Viele Hausbesitzer sind schlecht versichert. Die Politik reagiert - auch Hendrik Wüst.
Vor einer Woche traf es Rheinland-Pfalz, das Saarland und Baden-Württemberg, nun Bayern und Baden-Württemberg. Aber auch in NRW sind die Erinnerungen an das verheerende Hochwasser im Sommer 2021 noch frisch. Die jüngsten Unwetter haben Bewegung in den Streit zwischen Bund und Ländern über die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden gebracht.
Was fordert die Politik?
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)hat wiederholt nach einer Versicherungspflicht gerufen. „Sie würde nicht nur vielen Menschen Sicherheit geben und sie im Ernstfall vor dem wirtschaftlichen Ruin bewahren“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sondern auch die Steuerzahler entlasten.
Nach dem Hochwasser im Saarland hat sich die dortige Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) ebenfalls für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ausgesprochen und den Bund dazu aufgefordert, zu handeln.
Der Bundesrat hatte 2023 die bundesweite Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung gefordert. Die Bundesregierung zögert, weil sie befürchtet, Versicherungsnehmer könnten durch die Pflichtversicherung stark belastet werden.
In den Rufen nach einer Versicherungspflicht klingt auch die Sorge von Bund und Ländern mit, immer tiefer in ihre Kassen greifen zu müssen, wenn ganze Regionen unter Wasser stehen, zumal riesige Investitionen in die Anpassung an den Klimawandel anstehen, zum Beispiel in sichere Deiche und so genannte „Schwammstädte“. Der „Wiederaufbauhilfe-Pakt“ von Bund und Ländern für NRW nach dem Hochwasser im Sommer 2021 war 12,3 Milliarden Euro schwer. Eine Versicherungspflicht könnte die öffentlichen Kassen entlasten.
Die Länder reden am 20. Juni mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über das Thema Pflichtversicherung.
Was ist eine Elementarschadenversicherung?
Sie ist eine Ergänzung zur Wohngebäudeversicherung. Die „normale“ Gebäudeversicherung kommt für Schäden am Haus auf, die bei Sturm, Blitz oder Hagel entstehen. Zum Beispiel, wenn ein Orkan das Dach abdeckt.
Die Elementarschadenversicherung sichert daneben Schäden durch Hochwasser, Starkregen, Schneedruck, Lawinen, Erdrutsch und Erdbeben ab.
Ist das sinnvoll?
Viele Experten sind sich darin einig, dass Extremwettern immer häufiger werden. Philipp Opfermann, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale NRW, sagt: „Eine Elementarschadenversicherung ist wichtig, und ich rate jedem Eigentümer dazu, sich damit zu beschäftigen. Für Menschen, die für 50.000 Euro ein Auto kaufen, ist es selbstverständlich, das Fahrzeug Vollkasko zu versichern. Bei einem Haus für 300.000 Euro bevorzugen viele nur eine „Teilkasko“, also eine Gebäudeversicherung ohne Elementarschutz.“ Laut der Verbraucherzentrale sind viele Immobilien heute unterversichert. Nur etwa jedes zweite Gebäude in Deutschland sei mit einer Elementarschadenversicherung als Erweiterung einer Wohngebäudeversicherung abgesichert.
Eigentümer sollten ein ureigenes Interesse am Schutz ihrer Immobilie und damit ihrer Familie haben, betont Opfermann. „Dazu gehört erstens der bauliche Schutz und zweitens ein guter Versicherungsschutz.“
Ist eine Elementarschadenversicherung teuer?
„Die allermeisten Häuser sind zu guten Konditionen versicherbar“, meint Philipp Opfermann.
Katrin Jarosch, Sprecherin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), erklärt: „Die Prämien sind zwar risikobasiert, aber derzeit liegen 98,5 Prozent der Adressen in Deutschland innerhalb der Hochwasser-Gefährdungsklassen eins (nicht betroffen) und zwei (Hochwasser seltener als einmal in 100 Jahren).“ Fast überall seien also die Kosten einer Elementarschadenversicherung für die Versicherungsnehmer überschaubar.
Die Versicherer teilen das Bundesgebiet in Zonen auf: „Zürs 1 bis 4“. Zürs steht für Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen. In „ungefährlichen“ Gebieten kostet der Elementarschutz laut der Stiftung Warentest oft weniger als 100 Euro im Jahr. In Risikozonen kann der Preis deutlich steigen, er hängt außerdem vom Alter, Lage und Größe eines Hauses ab.
So können Sie Ihr Risiko überprüfen
Die Versicherungswirtschaft bietet online einen „Hochwasser-Check“ an. Man kann dort seine Adresse eingeben und bekommt eine Einschätzung, wie wahrscheinlich dort Hochwasser ist. Ein anderes Werkzeug ist der „Klimaatlas NRW“, der ebenfalls einen Blick auf regionale Risiken erlaubt.
Braucht es eine Versicherungspflicht?
Die Versicherungswirtschaft ist jedenfalls sehr skeptisch. GDV-Sprecherin Kathrin Jarosch meint: „Eine Pflichtversicherung als alleiniges Mittel würde das Problem nicht lösen, denn sie würde kein einziges Hochwasser verhindern.“ Ohne Prävention und Klimafolgenanpassung, also ohne Investitionen in den Hochwasserschutz werde es nicht gehen. „Wenn das vernachlässigt wird, nützt eine Versicherung nicht. Eigentümer wollen ja nicht immer wieder nach Schadensereignissen ihre Häuser neu aufbauen“, so Jarosch.
Sollte das Hochwasser-Risiko steigen, weil der Staat den Schutz nicht verbessere, müssten sich die Versicherten auf teurere Verträge einstellen. Jarosch: „Dann könnten sich die Prämien in der Wohngebäudeversicherung in zehn Jahren verdoppeln.“
Philipp Opfermann von der Verbraucherzentrale NRW sagt, es gebe gute Gründe für und gegen eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. „Dafür spricht die geringe Versicherungsdichte. Dagegen sprechen verfassungsrechtliche Bedenken. Es würde sich um einen massiven Eingriff in die Vertragsautonomie handeln.“ Eine Pflichtversicherung könne nur Ultima Ratio sein. „Wir müssen uns fragen, ob das Ziel nicht anders erreicht werden kann“, so der Experte.
Eine Möglichkeit sei das so genannten „Opt-out-Modell“, das heute zum Teil schon angeboten werde. „Dabei ist die Elementarschadenversicherung von vornherein Teil der Wohngebäudeversicherung, die Elementarschadenversicherung kann aber auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers aus dem Vertrag gestrichen werden.“ Dies gehe aktuell nur bei Neuabschlüssen. Wichtiger wäre es nach Einschätzung der Verbraucherzentrale NRW, die Bestandsimmobilien in dieses Modell mit einzubeziehen. Dazu wäre aber eine Gesetzesänderung nötig.