Düsseldorf. Die Die Wahrscheinlichkeit, dass auffällige Bürger gefilmt werden, nimmt in NRW zu. Nicht nur Polizisten nutzen die Bodycam.
Nicht nur Polizistinnen und Polizisten, sondern auch Immer mehr Ordnungshüter der Kommunen in NRW tragen und nutzen Körperkameras (Bodycams) im Dienst.
Reuls Bilanz zur Bodycam: „Haben die Sicherheit der Einsatzkräfte erhöht“
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zieht ein Jahr nach der Einführung der Bodycam-Tragepflicht eine positive Bilanz. „Ich bin froh, dass wir durch die Bodycams die Sicherheit von denen, die Tag und Nacht für uns im Einsatz sind, erhöht haben und werde mich auch weiterhin mit allem, was ich habe, gegen Gewalt gegenüber Einsatzkräften stark machen“, sagte Reul dieser Redaktion. Die NRW-Landesregierung verfügt allerdings über keine Daten, aus denen hervorgeht, wie oft diese Kameras in den vergangenen zwölf Monaten von Polizeibeamtinnen und -beamten eingeschaltet wurden.
Viele Städte im Ruhrgebiet setzen inzwischen ebenfalls auf die aus ihrer Sicht „deeskalierende“ Wirkung der Körperkameras. „Seit dem Einsatz der Bodycams kam es zu keinen verbalen oder körperlichen Übergriffen auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes, die eine Strafverfolgung nötig machten“, sagte ein Sprecher der Stadt Bochum dieser Redaktion. Die Polizeigewerkschaft GdP sieht die Kamera-Ausstattung der städtischen Ordnungsbehörden allerdings kritisch.
Bodycam: Seit einem Jahr gilt die Tragepflicht bei der NRW-Polizei
Mitte dieser Woche hielten Bundespolizisten im Hauptbahnhof Recklinghausen einen 18-Jährigen an, der ein Tierabwehrspray dabeihatte. Der junge Mann wurde laut der Polizei zunehmend aggressiv und musste schließlich von den Sicherheitskräften überwältigt und gefesselt werden. „Eine Bodycam zeichnete seine Handlungen auf“, heißt es in einer Mitteilung erläuternd. Hinweise wie dieser stehen immer häufiger in Polizeimeldungen, auch dann, wenn es um Einsätze der Landes- und nicht der Bundespolizei geht.
Bodycam: Wann darf sie eingeschaltet werden?
Das Einschalten der Kamera ist an bestimmte rechtliche Voraussetzungen geknüpft. Diese wurden 2016 mit der Einführung des § 15c Polizeigesetz NRW geschaffen. „Datenerhebung durch den Einsatz körpernah getragener Aufnahmegeräte“ heißt dieser Paragraf.
Darin steht unter anderem:
„In Wohnungen ist die Anfertigung von technischen Aufzeichnungen bei der Durchführung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nur zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine dringende Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
Der Einsatz der Aufnahmegeräte ist durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen und den betroffenen Personen mitzuteilen. Bei Gefahr im Verzug kann die Mitteilung unterbleiben.
Die Aufzeichnungen sind zwei Wochen nach ihrer Anfertigung zu löschen.
Die Aufzeichnung personenbezogener Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, ist unzulässig. Der Aufzeichnungsvorgang ist unverzüglich zu unterbrechen, sofern sich während der Aufzeichnung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden.“
Denn seit einem Jahr gilt in NRW eine Tragepflicht bei der Polizei für Bodycams. Getestet wurden diese Körperkameras, die Aufnahmen in höchster Qualität liefern, natürlich auch den Ton aufzeichnen und mit Elektroschockgeräten (Tasern) gekoppelt werden können, im Polizeialltag schon lange. Der Schritt hin zur Tagepflicht war eine Konsequenz aus den tödlichen Polizeischüssen auf den 16-Jährigen Mouhamed Dramé in Dortmund im Sommer 2022.
Gewerkschaft GdP: Nicht immer wirkt die Bodycam deeskalierend
Aus polizeilicher Sicht hat sich die Tragepflicht bewährt. „Viele Kolleginnen und Kollegen berichten, dass der Kamera-Zweck erfüllt ist: Wenn ein gegenüber stehender Mensch sieht, dass er gefilmt wird, wird er in der Regel zurückhaltender“, sagte Michael Mertens, NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), dieser Redaktion. Es gebe aber auch einige wenige umgekehrte Fälle, in denen eine „deutlich erhöhte Aggression des Gefilmten“ zu beobachten sei.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist ebenfalls sehr zufrieden mit der Einführung der Kamera-Tragepflicht. Die Bodycams trügen dazu bei, dass Polizistinnen und Polizisten nach der Schicht gesund nach Hause zurückkehren könnten, sagte er auf Nachfrage. Über Daten, wie oft die Kameras tatsächlich eingeschaltet wurden, verfügt die Landesregierung allerdings nicht. Die Kreispolizeibehörden würden dies statistisch nicht erfassen, so Reul.
Das Problem bei der Bodycam: Die Verantwortung liegt bei den Polizeibeamten
Die Bodycam ist zwar in Polizeikreisen beliebt, dennoch ist sie in NRW nicht unumstritten. Unter anderem deshalb, weil es jetzt zwar eine Trage-, aber keine Einschaltpflicht der Kameras gibt. „Laut Gesetz müssen Polizistinnen und Polizisten in jedem Einzelfall prüfen, ob das Filmen in dieser Situation angemessen ist oder nicht“, erklärt GdP-Landeschef Mertens.
Im Fall des getöteten 16-Jährigen Mouhamed Dramé in Dortmund trugen die involvierten Polizistinnen und Polizisten zwar Körperkameras, schalteten diese aber nicht ein. Hätten sie es getan, wäre die komplizierte juristische Aufarbeitung dieses Falles wohl einfacher. Unterschwellig schwingt in der Bodycam-Diskussion stets diese Frage mit: Wird durch die Kameras zwar das Verhalten von möglichen Tätern dokumentiert, nicht aber das Verhalten von Sicherheitskräften im Einsatz?
SPD-Innenexpertin zur Bodycam: „Minister Reul muss Rechtssicherheit schaffen“
Christina Kampmann, Innenexpertin der SPD-Landtagsfraktion, hält die heutige Rechtslage für verbesserungswürdig: „Zwar gibt es inzwischen eine Tragepflicht, wann die Bodycam einzuschalten ist. Es ist aber dem einzelnen Polizisten überlassen, der diese Entscheidung oft in Sekundenschnelle treffen muss. Es stünde dem Innenminister gut zu Gesicht, hier Rechtssicherheit zu schaffen und die handelnden Polizisten mit dieser Entscheidung nicht alleine zu lassen“, sagte die frühere NRW-Familienministerin dieser Redaktion auf Nachfrage.
Immer mehr Städte in NRW statten den Ordnungsdienst mit Bodycams aus
Parallel zur Einführung der Bodycams bei der Polizei experimentieren auch immer mehr Städte in NRW mit den Körperkameras, zum Beispiel Bochum, Gelsenkirchen, Witten, Herne, Essen und Dortmund. Diese Kommunen statten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ordnungsämter, die Außendienst leisten, damit aus und sind – nach ersten Einschätzungen – auch zufrieden mit diesem Schritt.
So nutzt zum Beispiel der Kommunale Ordnungsdient (KOD) in Bochum seit einem Jahr 15 Bodycams. Sie würden täglich beim Streifendienst getragen und seien bisher nur „eine Handvoll mal“ aktiv eingesetzt worden, sagte ein Sprecher der Stadt Bochum.
Nach Ankündigung und Aktivierung der Kamera beruhige sich eine kritische Situation wieder, so dass es zu keinem verbalen oder körperlichen Angriff gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern komme, so der Sprecher. Seit dem Einsatz der Kameras sei es zu keinem einzigen Übergriff auf die KOD-Beschäftigten, die eine Strafverfolgung nötig gemacht hätte, gekommen.
Das Dortmunder Ordnungsamt setzt die Bodycams seit Jahresbeginn im Rahmen eines Pilotversuchs bei 20 KOD-Leuten ein. Eine politische Bilanz sei erst im Januar 2025 zu erwarten, heißt es, dann werde auch das Ordnungsamt ein Gesamtresümee ziehen können. „Bislang fällt das Fazit positiv aus“, sagt ein Stadt-Sprecher.
Nach einer Testphase tragen seit dem 1. März 2024 auch die KOD-Außendienstkräfte in Gelsenkirchen, die dortige städtische Verkehrsüberwachung sowie das „Rückkehrmanagement“ der Ausländerbehörde Bodycams. Nur ein einziges Mal habe es während der vorangegangenen Testphase einen Anlass gegeben, eine Kamera einzuschalten, betont die Stadt. 55 Bodycams seien dort inzwischen angeschafft worden, Stückpreis: zwischen 800 und 1000 Euro.
Gewerkschaft fragt: „Sind die Ordnungsdienste auf alle Situationen vorbereitet?“
Die Polizeigewerkschaft GdP beobachtet den Trend in den Städten, Beschäftigte mit Körperkameras auszustatten, mit gemischten Gefühlen: „Es ist nachvollziehbar, dass die Kommunalen Ordnungsdienste ebenfalls Bodycams fordern, denn auch sie treffen mitunter auf aggressive Menschen. Trotzdem sieht die GdP die Bodycams beiden Ordnungsdiensten kritisch. Denn in seltenen Fällen verstärkt die Kamera, wie gesagt, noch die Aggression, und für solche Situationen müssen die Einsatzkräfte besonders geschult sein“, warnt Michel Mertens.
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