Neuss. Erweist sich die Verkehrswende am Ende als „leeres Versprechen“? Die NRW-Städte sagen, wo im Netz sie als erstes sparen müssen.
In vielen NRW-Städten droht offenbar die Ausdünnung von Fahrplänen und die Stilllegung ganzer Buslinien. Man müsse aufpassen, „dass die Verkehrswende nicht zum leeren Versprechen wird“, warnte der neue Vorsitzende des Städtetages NRW, Thomas Eiskirch (SPD). Gestrichen werden könnten sogenannte „lastschwache“ Linien am Wochenende in den frühen Morgenstunden oder am späten Abend.
„Es sind genau die Leute, die eben keinen eigenen PKW haben und auf den ÖPNV angewiesen sind, wo man dann als allerstes ranmuss, um Strecken wegzunehmen“, klagte der Bochumer Oberbürgermeister am Mittwoch bei der Mitgliederversammlung des NRW-Städtetages in Neuss. Er höre aus einigen Kommunen, „dass sie im Zuge der Haushaltsaufstellung 2025 nicht nur darüber nachdenken, sondern sich in Umsetzung befinden“, so Eiskirch weiter.
NRW-Kommunen zahlen so viel ÖPNV-Anteil wie in keinem anderen Bundesland
Die Kommunen fordern von Bund und Land eine neue Lastenverteilung im ÖPNV. Die Diskussion verenge sich viel zu sehr auf Tarif-Fragen wie das Deutschlandticket. Man benötige Hilfen nicht nur für Infrastruktur und Fahrzeuge, sondern auch für den Betrieb von Strecken. „Wenn wir da jetzt nicht umsteuern, werden wir die Defizite nicht in den Griff kriegen können“, sagte Eiskirch. Der Bund müsse die sogenannten Regionalisierungsmittel und das Land die ÖPNV-Pauschale erhöhen. Die Städte stemmten in NRW über 41 Prozent der ÖPNV-Kosten, nirgendwo sei der kommunale Anteil so groß.
Eigentlich sollen im Zuge der klimafreundlichen Verkehrswende die Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppelt werden. Laut Eiskirch droht stattdessen „eine Rolle rückwärts“. Da die Ampel-Koalition im Bund gerade in schwierigen Etatverhandlungen steckt und Schwarz-Grün in NRW in den bald beginnenden Haushaltsberatungen 2025 wohl erstmals in nennenswerter Größenordnung sparen muss, ist mit zusätzlichen Mitteln aus Berlin und Düsseldorf eher nicht zu rechnen.
Stadtwerke können Defizite im Nahverkehr absehbar nicht mehr finanziell ausgleichen
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU), der turnusgemäß nach zwei Jahren an der Städtetags-Spitze den Posten an Eiskirch übergab und fortan als dessen Stellvertreter mitwirkt, machte deutlich, dass die Stadtwerke künftig kaum noch für die Querfinanzierung des defizitären Nahverkehrs in Frage kommen. Die vom Bund ausgerufene „Wärmewende“ erfordere gewaltige Investitionen in die lokale Energieinfrastruktur, die viele örtliche Versorger leicht überfordern könnte. „Bisher waren die Stadtwerke diejenigen, die zugeliefert haben im städtischen Haushalt. Wenn sich das zukünftig umkehrt und wir Eigenkapital stärken müssen, damit die Stadtwerke ihre Geschäfte machen können, dann reißt das zusätzliche Lücken in kommunale Haushalte“, erklärte Kufen.