Berlin. Franziska Giffey war ohne Leibwächter unterwegs, als ein Mann sie attackierte. Bei Politikern wie Karl Lauterbach wäre das undenkbar.
Ob öffentlicher Auftritt, Auslandsreise oder privater Restaurantbesuch: Manchen Politikerinnen und Politikern folgen Personenschützer auf Schritt und Tritt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Beispiel geht mit seinen Leibwächtern sogar joggen. Die am Dienstagabend attackierte Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) war allerdings ohne Personenschützer unterwegs.
Angriff auf Giffey: Was über den Verdächtigen bekannt ist
Bei dem Kanzler wäre das undenkbar. Sicherheitsbeamte sind stets in seiner Nähe. Mit Knopf im Ohr und einem kleinen Mikrofon am Ärmel beobachten bewaffnete Personenschützer stets aufmerksam das Umfeld des Regierungschefs. Spricht Scholz in einem Raum, stehen die Bodyguards oft nahe der Bühne und beobachten das Publikum. Die Örtlichkeiten sind vorab auf ihre Sicherheit geprüft worden.
Für gefährdete Bundespolitiker ist eine spezielle BKA-Einheit zuständig
Ist der Kanzler zu Fuß unterwegs, weichen die Personenschützer nicht von seiner Seite, begleiten ihn zum Dienstwagen und öffnen dem Kanzler die Türen der gepanzerten Limousine. Für Aufsehen sorgte daher vor einem Jahr der Vorfall, als ein Mann auf dem Rollfeld des Flughafens in Frankfurt plötzlich vor Scholz stand und den Kanzler sogar umarmte.
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Einen so starken Schutz wie der Bundeskanzler bekommt in Deutschland nur ein kleiner Kreis von Politikern. Die Abteilung Sicherungsgruppe (SG) des Bundeskriminalamts (BKA) ist dafür zuständig, Scholz und andere Bundespolitiker zu sichern. Das BKA ist mit dem Schutz der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland beauftragt. Dazu zählen etwa der Bundespräsident, der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und das Bundesverfassungsgericht.
Karl Lauterbach hat immer Personenschützer in der Nähe
Welche Spitzenpolitiker und Spitzenpolitikerinnen wie streng geschützt werden, hängt wie zum Teil von ihrem Amt ab, wie beispielsweise bei Bundeskanzler und Bundespräsident. Bei anderen ist die konkrete Bedrohungslage ausschlaggebend. Für diese persönliche Gefährdungsbewertung ist ebenfalls das Bundeskriminalamt zuständig. Das Spektrum der Schutzaufgaben sei breit gefächert und reiche „vom anlassbezogenen über den ständigen Personenschutz“ bis hin zur Beratung bei der technischen Sicherung etwa von Wohn- und Dienstgebäuden und dem Einsatz besonders gesicherter Fahrzeuge, heißt es auf der Internetseite des BKA.
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Zu den bestgeschützten Politikern Deutschlands gehört Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der in der Corona-Pandemie zur Zielscheibe von Verschwörungstheoretikern wurde. Eine Gruppe schmiedete sogar Entführungspläne. Wie Scholz ist Lauterbach nicht mehr allein unterwegs. Sogar auf einem SPD-Parteitag sind Leibwächter immer in seiner Nähe.
Das BKA schützt auch AfD-Politiker
Für ihn gelte 24 Stunden am Tag die höchste Sicherheitsstufe überhaupt, erzählte Lauterbach vor einem Jahr in einem Interview mit der „Zeit“. „Wenn ich privat unterwegs bin, zum Beispiel essen gehe, dann kommt vorher mein Personenschützer.“ Spontane Unternehmungen seien unmöglich, ein Vorlauf von ein bis zwei Stunden sei immer erforderlich.
Nicht nur Kanzler und Minister können Personenschutz erhalten, sondern auch Bundestagsabgeordnete. Mitte August 2022 hatte das BKA nach damaligen Angaben des Bundesinnenministeriums 22 Bundestagsabgeordnete in eine Gefährdungsstufe eingeordnet. Davon waren 13 allerdings auch Bundesminister. Jeweils fünf gehörten SPD und Grünen an, vier der FDP. Auch vier AfD-Bundestagsabgeordnete und je zwei von CDU/CSU und Linke standen zu dem Zeitpunkt auf der Schutzliste des BKA.
Personenschutz gewähre das BKA „gegenwärtig für nahezu 40 Personen regelmäßig, aber in unterschiedlicher Intensität“, teilte die Sicherheitsbehörde unserer Redaktion auf Anfrage mit. „Darüber hinaus werden anlassbezogen, insbesondere für Mitglieder des Deutschen Bundestages, zum Beispiel bei Reisen in Krisengebiete oder Veranstaltungen mit erhöhten Sicherheitsrisiken temporäre Maßnahmen ergriffen.“
In den Ländern sind Ministerpräsidenten und Innenminister mit Leibwächtern unterwegs
Für den Schutz von Landespolitikern wie den 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sind die jeweiligen Landeskriminalämter (LKA) und ihre Beamten zuständig. In der Regel begleiten Personenschützer auch die jeweiligen Landesinnenminister.
Personenschutz bekommen aus der Regierung der Hauptstadt immer der Regierende Bürgermeister und die Innensenatorin. Aktuell sind das Kai Wegner (CDU) und Iris Spranger (SPD). Als Regierende Bürgermeisterin hatte Giffey also noch Leibwächter, in ihrem neuen Job als Wirtschaftssenatorin ist das nicht mehr so.
Im Wahlkampf wird der Schutz verstärkt
Wegner und Spranger sind mindestens von drei Personenschützern umgeben. Nur bei Auslandsreisen wird die Zahl herabgesetzt – je nach Einschätzung der Sicherheitsexperten.
Bei Wahlkampfauftritten wird häufig zusätzlicher Personenschutz angeordnet. Dann sind es bis zu fünf LKA-Beamte. Sie werden durch eine sogenannte Voraufklärung verstärkt. Dabei handelt es sich um Zivilpolizisten, die die Lage vor Ort vorab klären. Das Schutzkonzept sieht bei öffentlichen Auftritten dieser Politiker zudem meist uniformierte Beamte vor.
Wer darf Lauterbach noch Pizza bringen? „Darüber kann ich nicht reden“
Deren Zahl richtet sich nach der Lageeinschätzung. Gibt es eine angekündigte Demonstration, wird aufgestockt. Für alle anderen Politiker in Berlin gilt grundsätzlich: Es gibt keinen Personenschutz, es sei denn, es gibt eine Bedrohungslage, zum Beispiel durch Gewaltandrohung in Briefen. Solche temporären Personenschützer hat zum Beispiel auch Berlins Polizeipräsidentin, wenn sie am 1. Mai Beamte in Kreuzberg besucht.
Über die Details des Schutzes reden Behörden wie Politiker aus Sicherheitsgründen ungern. Zur konkreten Ausgestaltung des Personenschutzes für Politiker könne aus einsatztaktischen Gründen keine Auskunft gegeben werden, erklärt das BKA. Gesundheitsminister Lauterbach wollte in dem Interview über seine Gefährdung weder sagen, wie viele Personenschützer ihn begleiten noch wie der konkrete Schutz im Alltag aussieht. „Das möchte ich nicht preisgeben“, sagte der SPD-Politiker damals der „Zeit“. „Was mit meiner Post ist, ob mir jemand eine Pizza bringen darf, darüber kann ich nicht reden. Aber es gibt wenige Bereiche, wo ich noch verletzlich bin.“