Wien. Nicht nur hierzulande machen Parteien mit Ausländerkriminalität Wahlkampf. Ein Blick über die Grenze zeigt: Das ist zu kurz gedacht.

Es ist Wahlkampf in Österreich – und die Kanzlerpartei ÖVP streitet mit der rechtsnationalen FPÖ um die Themenhoheit. So hat das Thema Sicherheit zuletzt einen pikanten Zusatz erhalten: Ausländerkriminalität. Besonders im Fokus: Migranten aus muslimischen Ländern. Tatsächlich hat es zuletzt eine ganze Reihe spektakulärer Straftaten in migrantischem Gang-Milieu in Wien gegeben. Straftaten, die Schlagzeilen machten und erste Folgen haben. Etwa ein allgemeines Messerverbot, das derzeit in Begutachtung ist.

Ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt allerdings, dass klassische Stereotype bei dem Thema nicht so recht greifen: Denn die zweitgrößte Gruppe delinquenter Nicht-Österreicher sind Deutsche. In mehreren Regionen (Tirol, Vorarlberg, Salzburg) stellen Deutsche sogar die größte ausländische Tätergruppe. Dabei geht es um Straftaten – also Delikte, die unter das Strafrecht fallen und nicht etwa um Verwaltungsvergehen wie etwa Geschwindigkeitsübertretungen im Straßenverkehr oder Mautprellerei.

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Wert legt man seitens des Innenministeriums auch auf den Umstand, dass es sich bei diesen Zahlen um eine Anzeigenstatistik handle. Sie zählen also identifizierte Tatverdächtige und die ihnen zugeschriebenen Taten auf, sagen aber nichts über rechtskräftige Verurteilungen aus. Die häufigsten angezeigten Delikte, die deutschen Tätern zugeschrieben werden, sind laut Innenministerium jedenfalls: Betrug, Diebstahl und fahrlässige Körperverletzung.

Österreich: Mehrheit der deutschen Tatverdächtigen sind Männer

Laut Statistik sieht der klassische Tatverdächtige Deutsche in Österreich so aus: Er ist männlich, über 40 Jahre alt, er arbeitet über das Internet und ist da in Betrügereien involviert, seine Opfer finden sich vor allem in Tirol (23 Prozent), Wien (16 Prozent) und Oberösterreich (15 Prozent). Mit 75 Prozent ist der Anteil der tatverdächtigen Männer sehr hoch, 41 Prozent der Verdächtigen sind über 40 Jahre alt, gefolgt von der Altersgruppe der 25- bis 40-jährigen (33 Prozent).

In mehreren Regionen (Tirol, Vorarlberg, Salzburg) stellen Deutsche sogar die größte ausländische Tätergruppe bei Straftaten.
In mehreren Regionen (Tirol, Vorarlberg, Salzburg) stellen Deutsche sogar die größte ausländische Tätergruppe bei Straftaten. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Andreas Stroh

Fast ein Viertel der in Österreich angezeigten Delikte mit vermuteter deutscher Täterschaft sind Betrugsdelikte. Die Mehrheit davon wurde im Internet begangen. Es handelt sich vor allem um Bestell- und Warenbetrug. Bei 17 Prozent der angezeigten Straftaten mit deutschen Verdächtigen geht es um fahrlässige Körperverletzung. Eine Erklärung könnten Pistenunfälle oder generell Unfälle unter Alkoholeinfluss oder Einfluss von Drogen sein. An dritter Stelle (10 Prozent) der Taten, die deutschen Verdächtigen zugeschrieben werden, stehen Diebstähle.

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Allgemein hat Österreich in der Kriminalstatistik vom vergangenen Jahr einen klaren Anstieg bei den angezeigten Delikten verzeichnet: Plus acht Prozent gegenüber 2022. In absoluten Zahlen sind das 528.010 Anzeigen. Einen Zuwachs gab es zugleich auch bei den identifizierten Tatverdächtigen: plus zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch kräftiger wuchs allerdings der Anteil der ermittelten Nicht-Österreicher: plus 17 Prozent.

Kriminalität: Größte Tätergruppe bleiben Österreicher

Die größte Tätergruppe bleiben letztlich aber dennoch die Österreicher: 55 Prozent der identifizierten Tatverdächtigen waren 2023 laut Innenministerium österreichische Staatsbürger. Und was nicht-österreichische Verdächtige angeht, verteilen sich die Tatverdächtigen auf diverse Nationalitäten: Rumänische Staatsbürger (17.990) Deutsche (14.727), Serben (11.067), Syrer (9.156), Ungarn (9.073), Türken, Slowaken, Afghanen, Bosnier und Kroaten.

Tatsache ist auch: Das Phänomen „deutsche Delinquente“ in Österreich ist keinesfalls neu. Schon im Jahr 2022 stellten Deutsche in Österreich die zweitgrößte Gruppe an Tatverdächtigen – wieder hinter Rumänen und vor Serben.

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