Berlin. Uli Grötsch ist der neue Polizeibeauftragte der Bundesregierung. Ein Gespräch über Hacker, den Schutz des Bundestages – und die AfD.

Das neue Büro von Uli Grötsch liegt direkt vor dem Brandenburger Tor, mitten im Berliner Regierungsviertel. Vor wenigen Wochen hat Grötsch es bezogen, er ist noch dabei sich einzurichten. Als die Reporter zum Interview kommen, erkennt der Sicherheitsmann am Eingang den Namen von Grötsch nicht. „Bei wem arbeitet der Herr?“, fragt er. Ein Gespräch über die neue Aufgabe als Polizeibeauftragter, Hackerangriffe am Freitag nach 17 Uhr – und die Frage, warum die AfD-Nähe einiger Polizisten ein Problem ist.

Herr Grötsch, der Sicherheitsmann am Eingang wusste nicht, wer Sie sind. Passiert Ihnen das öfter?

Uli Grötsch: Das wundert mich ehrlich gesagt. Die Leute am Eingang lassen jeden Tag Besuch für mich ein und ich habe mich dort auch schon persönlich vorgestellt.

Wenn Sie einem 10-Jährigen erklären müssten, was Sie eigentlich machen: Was sagen Sie dem?

Ich würde dem 10-Jährigen sagen: Ich achte darauf, dass es der Polizei gut geht. Und dass der Blick der Bevölkerung auf die Polizei gut bleibt. Wenn man Probleme mit der Polizei hat, kann man sich an mich wenden, genauso wie wenn ein Beamter oder eine Beamtin Probleme hat.

Also eine Art Doppelagent.

Ich würde es einen Anwalt mit zwei offenen Türen im Büro nennen.

Uli Grötsch (SPD), Polizeibeauftragter des Bundes, findet es „hochgefährlich“, wenn Polizisten Mitglied in der AfD sind.
Uli Grötsch (SPD), Polizeibeauftragter des Bundes, findet es „hochgefährlich“, wenn Polizisten Mitglied in der AfD sind. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Ist Ihr Amt nicht trotzdem eine Art Misstrauensvotum an die Polizistinnen und Polizisten?

Im Gegenteil, es ist ein Vertrauensvotum. Überall wo es Polizeibeauftragte gibt, erfahren diese eine hohe Akzeptanz, in den einzelnen Bundesländern und auch in anderen EU-Ländern.

Sie sagten, Sie finden es „hochproblematisch“, wenn Polizisten Mitglied in der AfD sind. Warum?

Weil sich diese Partei rasend schnell radikalisiert hat, vom Verfassungsschutz beobachtet wird und teilweise als rechtsextrem eingestuft wird.

Aber wenn ein Polizist die AfD wählt, wäre das kein Problem?

Es ist ganz klar: Die Grenze verläuft beim Extremismus.

Wie meinen Sie das?

Eine linke Einstellung zu haben, ist in Deutschland genauso legitim wie eine rechte Einstellung zu haben. Doch politisch extreme Haltungen haben im Sicherheitsapparat, im öffentlichen Dienst und erst recht in den Sicherheitsbehörden, nichts zu suchen. Das ist, finde ich, sonst brandgefährlich – sowohl von links noch von rechts. In aller Deutlichkeit: Die Bedrohung für dieses Land kommt aber ganz klar von rechts.

Trotzdem fühlen sich Polizisten gut aufgehoben in der AfD.

Das würde ich so nicht sagen. Sicher gibt es auch einzelne, die in eine solche Richtung tendieren. Aber die Beamten, die ich in der Polizei kennengelernt habe, stehen mit beiden Beinen auf dem Boden der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung. Und die sind bei 230.000 Menschen aus meiner Wahrnehmung in der sehr überwiegenden Mehrheit.

Gegenwärtig gibt es viele Schlagzeilen rund um das Thema Spionage. Ist die deutsche Polizei da ausreichend gewappnet?

Wir arbeiten daran.

Bedeutet?

Das hat viel mit dem richtigen Personal und den ausreichenden Sachmitteln zu tun. Damit, dass wir gut verstehen, welche Bedrohungen es gibt und wie wir uns dagegen wehren. Und natürlich brauchen wir dafür auch die besten Köpfe. Der Kampf um die junge Generation, dass wir als Polizei – die Polizeien im Bund und in den Ländern – ein attraktiver Arbeitgeber bleiben, ist nicht einfach.

Wollen die jungen Menschen keine Schichtdienste mehr machen und weniger arbeiten?

Die Polizeien müssen ein gutes Angebot an junge Menschen machen. Und das wissen sie auch.

Bei den Sicherheitsdiensten hieß es, zugespitzt ausgedrückt, über Jahre: Wenn eine Cyberattacke um 17 Uhr an einem Freitag kommt, wird sie bis Montagmorgen nicht bekämpft.

Ich denke, da ist die Polizei wachsam. Ich bin kein Polizist, sondern der Polizeibeauftragte. Aber ja, natürlich ist das eine Gefahr und damit auch eine Herausforderung für die Sicherheitsbehörden.

Grötsch fordert auch mit Blick auf den Sturm aufs Kapitol einen klaren Rechtsrahmen für die Bundestagspolizei, sollte es hierzulande zu einer ähnlichen Situtation kommen.
Grötsch fordert auch mit Blick auf den Sturm aufs Kapitol einen klaren Rechtsrahmen für die Bundestagspolizei, sollte es hierzulande zu einer ähnlichen Situtation kommen. © DPA Images | Miguel Juarez Lugo

Was sind die größten Baustellen bei der Polizei, die Sie sehen?

Ich mache mir jetzt ein Gesamtbild, bin dafür mit vielen im Austausch. Aber nur ein Beispiel: Die Polizei des Deutschen Bundestages

…die den Reichstag beschützt.

Genau. Sollte es mal beim Reichstag so etwas geben wie den Sturm aufs Kapitol in Washington. Dann ist ja die Frage: Welche Rolle spielt die Bundestagspolizei? Stehen die im Gebäude und schauen aus dem Fenster? Oder dürfen die sich wehren? Und wenn ja: Wie? Ein klarer Rechtsrahmen für die Bundestagspolizei ist etwas, das es jetzt braucht.

Was sind Ihre Befugnisse, wie können Sie Druck ausüben, wenn sie konkrete Missstände entdecken?

Als Polizeibeauftragter führe ich eigene Untersuchungen zu Einzelfällen oder strukturellen Defiziten durch. Ich kann Akten anfordern, habe eine parallele Ermittlungsbefugnis zur Staatsanwaltschaft in Strafsachen. Allerdings möchte und darf ich den Staatsanwaltschaften nicht in die Quere kommen, darf also den Ermittlungserfolg nicht behindern. Daher werden wir uns in solchen Fällen gut absprechen. Und am Ende steht immer ein Abschlussbericht, der auf meiner Seite veröffentlicht wird. Und den ich dann dem Deutschen Bundestag übergebe.