Düsseldorf. In trister Lage bringt FDP-Landeschef Höne den Parteitag mit Attacken gegen Ministerpräsident Wüst in Schwung - und wird wiedergewählt.
Duisburg hat für die NRW-FDP fast Mythos-Charakter. Hier versammelten sich die Liberalen nach der Auflösung des Landtags 2012 schon einmal zum Landesparteitag. Die von der rot-grünen Minderheitsregierung damals herbeigeführten Neuwahlen verhießen für die FDP nichts Gutes. Man dümpelte bei 3 Prozent. Die Angst vor einem Parlaments-Aus erfasste in jenen Tagen viele Spitzenliberale.
Mancher zweifelte insgeheim, ob es richtig war, der Regierung von Hannelore Kraft (SPD) in aussichtsloser Umfragelage nicht zu einem Schuldenhaushalt die Hand gereicht zu haben. Ein gewisser Christian Lindner, im Streit aus Berlin zurückgekehrter Generalsekretär, stellte sich seinerzeit als Spitzenkandidat zur Verfügung. Binnen Wochen gelang die Stimmungswende. Sensationell fuhr die FDP am Ende fast zehn Prozent der Stimmen ein. Der Slogan lautete: „Lieber neue Wahlen als neue Schulden.“
An diese Vorgeschichte erinnerte Lindner, inzwischen Bundesfinanzminister, als sich die FDP am Samstagmittag erneut in Duisburg zum Landesparteitag traf. Die Umfragelage ist fast so schlecht wie 2012. Die FDP leidet seit zwei Jahren an der Ampel. In den nächsten Wochen warten komplizierte Beratungen über den Bundeshaushalt 2025. Ein 25 Milliarden-Loch muss gestopft werden. Die SPD will keine sozialen Kürzungen, die Grünen keine Abstriche am Klimaschutz, die FDP verteidigt die Schuldenbremse als „Inflationsbremse“. Also: Erneut lieber neue Wahlen als neue Schulden?
Für Lindner ist eine „Wirtschaftswende“ nicht verhandelbar
Lindner erklärt seine „Wirtschaftswende“ für nicht verhandelbar und mehr Wettbewerbsfähigkeit zur Voraussetzung aller Ausgabenwünsche der Koalitionspartner. Er kündigt komplizierte Gespräche an, da es unterschiedliche „Denkschulen“ im Bundeskabinett gebe. Er droht aber nicht über das bislang öffentlich bekannte Maß hinaus mit Koalitionsflucht.
Seine „Denkschule“ präsentiert Lindner an einem Beispiel, das vor allem Duisburg seit Tagen besorgt. Thyssen-Krupp will seine Stahlproduktion erheblich einschränken. „Deshalb sind viele Tausend Familien gegenwärtig in großer Unsicherheit, was die eigene berufliche Perspektive betrifft“, sagt Lindner. Sein Kabinettskollege Robert Habeck (Grüne) hatte Thyssen-Krupp als Bundeswirtschaftsminister gemeinsam mit der NRW-Landesregierung Milliarden-Subventionen zugesagt, um die CO2-freie Stahlproduktion voranzutreiben. Die aktuelle Entscheidung des Konzernmanagements zeigt laut Lindner: „Der Mangel an globaler Wettbewerbsfähigkeit kann eben nicht mit Subventionen auf Dauer ausgeglichen werden, selbst wenn man sie mit besten Motiven verteilt.“
Höne mit deutlich verbessertem Ergebnis als Landeschef wiedergewählt
Lindners Heimat-Landesverband NRW, der praktisch die Gesamtpartei dominiert, scheint in schwieriger Zeit ein guter Ort zur liberalen Selbstvergewisserung zu sein. Trotz der trüben Aussichten auf ein Jahr mit vier schwierigen Wahlgängen bestärkt man sich hier gegenseitig. Landespolitisch scheint es nach der Abwahl 2022 allmählich wieder etwas besser in die Spur zu gehen.
Zumindest ist die innere Zerrissenheit nicht mehr auf offener Bühne zu bestaunen. Der Landes- und Landtagsfraktionsvorsitzende Henning Höne war Anfang 2023 mit einem demütigenden Ergebnis von gut 50 Prozent ins Amt gewählt worden. Diesmal kam er auf ordentliche knapp 79 Prozent. Der 37-Jährige Münsterländer ist ein Zögling aus der Lindner-Schule, der pointiert reden kann und über einen sicheren politischen Instinkt verfügt.
Obwohl die Liberalen fünf Jahre lang harmonisch mit der CDU das Land regiert haben und Höne damals als Parlamentarischer Geschäftsführer im Maschinenraum der Macht mitwirkte, hat er sich inzwischen zum obersten Kritiker der Christdemokraten in Düsseldorf gewandelt. Damit spricht er vielen liberalen Delegierten aus dem Herzen, die CDU-Mann Armin Laschet vermissen, der der FDP immer ihre Punkte gönnte und sich selbst in schwierigster Umfragelage als verlässlicher Partner erwiesen hatte.
Vom heutigen CDU-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst indes, der früh auf eine schwarz-grüne Mehrheit zielte, fühlt man sich schlecht behandelt. Zudem hat Höne das zentrale Einfallstor für Kritik ausgemacht. Schwarz-Grün sei zwar in Umfragen stabil und Wüst als Regierungschef ausgesprochen beliebt, doch bald schon merke das Land, wie „ambitionslos und ideenlos“ allein nach PR-Kategorien regiert werde.
Wüst ist für Höne der „Herr Turtur“ der Landespolitik - ein Scheinriese, der immer kleiner werde, je näher man ihm komme. Der FDP-Chef nimmt die inzwischen tatsächlich bedenklich schlechten Bilanzen Nordrhein-Westfalens in fast allen bundesweiten Kennziffern aufs Korn: „Auch die schönste Schleife kann über ein leeres Paket nicht hinwegtäuschen.“ Höne redet den Parteitag sogar ein bisschen in Stimmung, als er Wüsts angebliche Kanzlerträume persifliert: „Noch nie hatte Nordrhein-Westfalen einen Ministerpräsidenten, der so kleine Ambitionen für sein Land hatte und so große für sich selbst.“