Berlin. Die Zahl der Delikte unter Zuwanderern und jungen Menschen explodiert. Dafür gibt es viele Gründe. Besonders einer alarmiert das BKA.
Viele Jahre gab es nur einen Weg: nach unten. Die Fallzahlen in der Kriminalstatistik sanken. Weniger Gewalt, weniger schwere Raubdelikte, weniger Diebstahl. Doch dieser Trend ist durchbrochen. Die Polizei registriert wieder mehr Straftaten in Deutschland, im zweiten Jahr in Folge. Bundesweit bearbeitete die Polizei 2023 insgesamt 5,94 Millionen Delikte, ein Anstieg um 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Vor allem die erfasste Gewaltkriminalität nimmt zu – gerade unter Jugendlichen und unter jungen Menschen mit Migrationsgeschichte.
Die Zahlen sorgen noch vor ihrer offiziellen Veröffentlichung für heftige Debatten. „Weder Gewaltkriminalität noch Ausländerkriminalität dürfen tabuisiert werden“, sagte der CDU-Innenexperte Alexander Throm dieser Redaktion. Er fordert zudem „keine weiteren Kürzungen“ bei BKA und Bundespolizei sowie eine „Kehrtwende“ in der Migrationspolitik: „Weg von der Öffnung durch die Ampel und hin zu einer nachhaltigen Begrenzung von illegaler Migration.“
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Was steckt hinter der scharfen Kritik? Die Zahlen sind brisant, für die Polizei, vor allem aber für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). In ihrer Amtszeit sind die Fallzahlen in die Höhe geschnellt. Zugleich ist der Anstieg bei Delikten von nicht deutschen Tatverdächtigen politisch heikel, da er schnell für rechtsextreme Rhetorik missbraucht werden kann. Migrationspolitik entscheidet sich immer wieder auch entlang der Debatten über straffällig gewordene Geflüchtete.
Polizeistatistik: Wagenknecht fordert Begrenzung der Zuwanderung
Vor der Präsentation der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2023 durch Faeser am Dienstag lösten insbesondere zwei Zahlen Diskussionen aus: Von den knapp 2,25 Millionen Tatverdächtigen waren 923.269 Ausländer, das sind rund 41 Prozent. Die Beamtinnen und Beamten melden einen starken Anstieg der nicht deutschen Tatverdächtigen um 17,8 Prozent.
Die frühere Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht zeigte sich alarmiert über diese Trends: „Die unkontrollierte Migration führt zu weniger Sicherheit“, sagte die Parteineugründerin (Bündnis Sahra Wagenknecht, BSW) dieser Redaktion, „gescheitert“ sei die bisherige Politik. „Ohne eine deutliche Reduzierung der Zuwanderung wird es nicht mehr Sicherheit in unserem Land geben.“ Experten warnen jedoch davor, genau diese Zahlen aus dem Zusammenhang zu reißen.
Straftaten von Ausländern: Auch unerlaubte Einreise zählt dazu
Was den starken Anstieg der nicht deutschen Tatverdächtigen angeht, muss vor allem eines beachtet werden: Es zählen dazu auch Delikte, die überhaupt nur Ausländer und Geflüchtete begehen können – zum Beispiel die „unerlaubte Einreise“ nach Deutschland. Rechnet man diese Straftaten heraus, so ist der Anstieg geringer, aber dennoch hoch: 13,5 Prozent im Vergleich zu 2022. Woran liegt das? Eine Antwort liegt in der Kriminalstatistik selbst.
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„Die Tatverdächtigenzahlen haben zumindest auf den ersten Blick vor allem bei nichtdeutschen Tatverdächtigen zugenommen“, sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jochen Kopelke dieser Redaktion. „Dem Bundeskriminalamt zufolge ist der Anstieg bei nichtdeutschen Tatverdächtigen jedoch geringer ausgefallen als bei deutschen Tatverdächtigen.“ In der Statistik werde das Plus auf Basis der absoluten Zahl der Tatverdächtigen beziffert, ohne diese ins Verhältnis zur wachsenden Zahl der Ausländer im Land zu setzen, gibt Kopelke zu bedenken.
In den vergangenen Jahren sind sehr viele Menschen nach Deutschland geflohen: allein mehr als eine Million aus der Ukraine. Und doch besorgt die Kriminalbeamten im BKA die wachsende Gewalt – vor allem unter Kindern und Jugendlichen. Mehr als 104.000 tatverdächtige Kinder ermittelte die Polizei 2023, ein Anstieg um 43 Prozent im Vergleich zu 2019. Bei den Jugendlichen stieg die erfasste Kriminalität immerhin um 17 Prozent. In diesen Statistiken sind nicht deutsche Tatverdächtige besonders stark vertreten.
Die Kriminologen beim BKA sehen für den Anstieg mehrere Ursachen:
- Erstens, nach der Corona-Pandemie und dem Wegfall der Kontaktbeschränkungen ist die Mobilität in Deutschland hoch. Vor allem dort, wo sich Menschen begegnen, kommt es zu Straftaten – auch zu Gewalt: auf Plätzen, an Bahnhöfen, in Kaufhäusern, in Kneipen und auf dem Schulhof. Studien haben belegt, dass gerade Kinder und Jugendliche psychisch besonders unter den Corona-Lockdowns gelitten haben. Das rechtfertigt keine Straftaten, kann aber Motive erklären.
- Zweitens hat sich die wirtschaftliche Situation für viele Menschen in den vergangenen Jahren verschärft, die Inflation ist infolge des Ukraine-Kriegs gestiegen. Die Forschung hat belegt, dass sich prekäre Lebenslagen auf kriminelles Verhalten auswirken. Gerade in ökonomisch schwachen Regionen fallen mehr Tatverdächtige in den Statistiken auf.
- Drittens bedarf es eines genaueren Blicks auf die nicht deutschen Tatverdächtigen. Viele Geflüchtete leben in Sammelunterkünften, wenn sie Deutschland erreichen. In der Polizeistatistik fällt auf, dass Streifen immer häufiger zu Asylheimen und Erstaufnahmeeinrichtungen ausrücken. Dort ist es eng, die Menschen sind belastet von der langen Flucht, haben in der Regel wenig Geld, sprechen die Sprache des Nachbarn nicht.
Gewalttaten von Geflüchteten treffen oft andere Geflüchtete
Körperverletzungen von Geflüchteten treffen oft andere Geflüchtete. Vor allem aber: Die Asylsuchenden sind in den Einrichtungen unter enger Kontrolle der Heimaufsicht. Und das kann dazu führen, dass die Polizei schneller gerufen wird als in einem Eigenheimviertel oder einem Mietshaus.
Das Problem bei all diesen Debatten um die Polizeistatistik: Sie sagt am Ende nur begrenzt etwas darüber aus, wie spürbar Kriminalität tatsächlich wächst. Denn: Erst einmal erfasst die Polizei vor allem die Fälle, die ihr angezeigt werden. Vieles aber zeigen Betroffene gar nicht an, etwa bei häuslicher Gewalt. Das sogenannte „Dunkelfeld“. Ohnehin gilt: Menschen aus Zuwandererfamilien werden schneller angezeigt als Deutsche, denen man ihre Familiengeschichte nicht ansieht.
Hinzu kommt, dass unter den Geflüchteten mehr junge Männer sind. Diese Gruppe fällt schon immer in den Polizeistatistiken auf, auch bei deutschen Tatverdächtigen. Wer mit Anfang 20 kriminell ist, kann es mit Mitte 30, wenn es eine Familie und einen Beruf gibt, schon nicht mehr sein. Unter den Flüchtlingen aus der Ukraine waren zudem besonders viele Kinder und Jugendliche. Erwachsene, wehrpflichtige Männer dürfen das Land seit Kriegsbeginn nicht verlassen. Das kann einen Einfluss auf die wachsende Jugendkriminalität bei nicht deutschen Tätern haben.
Möglich ist auch: Die Gewalt wird nicht mehr – sie wird nur mehr geächtet. Ein Beispiel: Was früher eine Rangelei auf dem Schulhof war, bewerten Lehrkräfte heute bereits als Gewalt. Und als Fall für die Polizei. Gewaltfreie Erziehung ist zum Kern im Umgang mit Kindern und Jugendlichen geworden. Führt das zu mehr Anzeigen gegen Täter, ist dieser Trend vor allem eines: positiv.
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