Berlin. Boris Pistorius stellt ein neues Reformpapier zu den Streitkräften vor. Das taten auch alle Vorgänger – aber die Probleme blieben.
Es ist lobenswert, dass Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) so kurzfristig seine „Grobstruktur“ für die Bundeswehrreform vorstellt. Gemessen an der Dauer für den Beschaffungsvorgang von Soldatenunterwäsche hat der Minister seine Vorschläge in Überschallgeschwindigkeit erstellt. Dafür gebührt ihm Respekt. Aber man sollte die Erwartung an diese Reform nicht überhöhen. Bisher hat sich jede Ministerin und jeder Minister mit Reformen der Bundeswehr profiliert. Die Verantwortlichen sind alle weg. Aber die Probleme sind geblieben.
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Pistorius setzt mit seinem Reformvorhaben bei der Organisation an und erhofft sich so schnelle Veränderungen. Diese Idee ist nicht neu. Auch die gescheiterte Kramp-Karrenbauer wollte die Führungsstrukturen verändern, aber ihr Eckpunktepapier kam zu spät und zeigte keine Wirkung mehr. Zuvor wollte Ursula von der Leyen die komplizierten Strukturen mit Externen überwinden und setzte teure Unternehmensberater zu Tagessätzen von 2000 Euro wie Bypässe im System ein. Den Soldaten unterstellte sie pauschal ein „Haltungsproblem“, was die Ministerin den letzten Rückhalt in der Truppe kostete.
Die Soldatinnen und Soldaten brauchen mehr Verantwortung
Karl-Theodor zu Guttenberg wiederum schaffte kopflos die Wehrpflicht ab und sparte Milliarden ein. Ausreichend Personal und Geld sind genau das, was jetzt fehlt, und müssen mühsam wiederbeschafft werden. Peter Struck, ein sozialdemokratischer Verteidigungsminister, sah die Bundeswehr am Hindukusch, um den Frieden zu verteidigen. Entsprechend baute er die Truppe um. Gut, dass er die chaotische Flucht vor den Taliban nicht mehr miterleben musste.
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Die politisch Verantwortlichen sind gut beraten, mehr Verantwortung in die Hände der Soldatinnen und Soldaten zu legen. Eine politische Führung der Streitkräfte ist wichtig, aber die Soldaten kennen ihren Auftrag und ihr Geschäft am besten. Es geht im Kern um die Verteidigung des Landes und seiner Menschen, und diesem Gedanken muss alle Planung untergeordnet werden. Dabei muss man militärisch auch in guten Zeiten das Schlechteste annehmen.
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Das fällt Politikern immer schwerer als den Militärs. Aber nur so entsteht eine Verteidigung, die funktioniert. Hätte die Politik konsequent nach diesem Prinzip gehandelt, gäbe es in Deutschland genug Panzer und Munition, und man verfügte wie in Israel heute über einen funktionierenden Raketenschirm und wäre nicht schutzlos einem Angriff ausgeliefert.
Die Bundeswehr braucht Schutz vor mächtigen Lobbyisten
Und man darf auch nicht vergessen: Die mächtigen, konventionellen deutschen Landstreitkräfte wurden radikal abgebaut, nachdem man den Kalten Krieg auf ewig überwunden geglaubt hatte. Helmut Kohl stritt nicht wie Olaf Scholz mit einem russischen Präsidenten am langen Tisch im Kreml über Krieg und Frieden, sondern schwitzte mit ihm in der Sauna, und man unternahm gemeinsame Ausflüge mit den Frauen.
Es ist menschlich, dass ein neuer Krieg in der Politik und in der Gesellschaft damals unvorstellbar schien. Aber es ist die Aufgabe der Militärs, genau damit zu rechnen, und dafür benötigen sie kontinuierlich Unterstützung aus der Politik. Egal, ob eine Ampel, Schwarz-Rot, oder andere politische Konstellationen regieren.
Diese Unterstützung muss kommen in Form von Vertrauen, ausreichend finanziellen Mitteln, langfristig verlässlichen Zusagen und Schutz vor den mächtigen Lobbyisten der Waffenindustrie. Reformpapiere gibt es in den Aktenschränken des Bundesverteidigungsministeriums schon mehr als genug.