Berlin. Ein Update der Rente verspricht die Regierung. Der Wirtschaftsweise Martin Werding erklärt, warum das Rentenpaket II nicht reicht.
Wie bewertet der Wirtschaftsweise Martin Werding das am Dienstag von der Bundesregierung vorgestellte Rentenpaket II? Im Kurz-Interview mit dieser Redaktion benennt der Top-Ökonom Stärken und Schwächen und sagt, ob der Rentenbeitrag bezahlbar bleibt.
Die Bundesregierung will die Rente stabilisieren. Ist das heute vorgelegte Paket in dieser Hinsicht der große Wurf?
Nein, das ist kein großer Wurf. Das Sicherungsniveau der Rente zu stabilisieren, kann Ergebnis einer vorausschauenden Rentenpolitik sein. Dazu bräuchte es aber zahlreiche flankierende Maßnahmen, wie der Sachverständigenrat im letzten Herbst vorgerechnet hat. Sonst steigen allein die Beitragssätze und belasten die Einkommen und Beschäftigungschancen Jüngerer.
Das Rentenniveau soll bis zum Jahr 2039 bei 48 Prozent stabil gehalten werden. Wie teuer wird dieses Versprechen der Bundesregierung für uns?
Im Verlauf der nächsten Legislaturperiode springt der Beitragssatz für die Rente bereits ohne die jetzige Reform von derzeit 18,6 Prozent auf annähernd 20 Prozent. Das kann nun schon etwas früher passieren, und der weitere Anstieg verstärkt sich. 2035 gehen die Rentenbeiträge dann auf 22 Prozent zu, die Summe aller Beitragssätze erreicht 45 Prozent. Beide Werte steigen danach immer weiter an.
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Die Ampel will mit dem Generationenkapital erstmals Renditechancen am Kapitalmarkt für die gesetzliche Rente nutzen und so den Beitragsanstieg begrenzen. Reicht der Schritt aus oder kommt er zu spät?
Wenn die bisher übliche Finanzierung der Rente aus laufenden Beitragseinnahmen durch die demografische Entwicklung unter Druck gerät, ist ergänzende Kapitaldeckung eine gute Idee. Da dafür eigentlich eine lange Ansparphase nötig ist, kommt die Regierung damit für eine Dämpfung der Beitragssätze ab 2035 jetzt allerdings arg spät. Das größere Problem ist jedoch, dass das ‚Generationenkapital‘ der Rentenversicherung nur geliehen wird. Realistische Aktienrenditen minus Zinsen für diese Kredite ergeben für die Rentenfinanzierung nur einen Tropfen auf den heißen Stein.
In Schweden und Norwegen können auch Beiträge innerhalb eines kapitalgedeckten Fonds angelegt werden. Auch die FDP wollte das, konnte sich in der Koalition aber nicht durchsetzen. Halten Sie das für einen Fehler?
Eigene Beiträge für eine ergänzende, kapitalgedeckte Altersvorsorge anzulegen, auf Dauer während des gesamten Erwerbslebens, ist der beste Ansatz, um die demografisch bedingten Engpässe bei der Rentenfinanzierung auf Dauer zu überwinden. Die Bundesregierung hat dafür jetzt noch eine zweite Chance. Nach dem aktuellen Rentenpaket will sie einen Ersatz für die Riester-Rente finden. Dort oder bei der betrieblichen Altersversorgung sind Lösungen möglich, die einfacher, kostengünstiger und verbindlicher sein müssen als bisher.
Das Renteneintrittsalter wird bis 2031 auf 67 Jahre steigen. Wie könnten materielle Anreize aussehen, die Menschen dazu motivieren, noch länger im Berufsleben zu verbleiben?
Die Regelaltersgrenze liegt jetzt bei 66 Jahren, das durchschnittliche Rentenalter bei etwas über 64 Jahren. Um diese Lücke zu verkleinern, sollten die Sonderregeln für einen abschlagsfreien, vorzeitigen Rentenzugang abgeschafft oder auf langjährige Geringverdiener beschränkt werden. Erst dann haben Unternehmen eine Chance, ältere Fachkräfte mit materiellen Anreizen zu halten. Allerdings führt kein Weg daran vorbei, die Regelaltersgrenze nach 2031 in kleinen Schritten weiter heraufzusetzen, etwa um ein halbes Jahr pro Jahrzehnt. Auch das sollte man besser frühzeitig beschließen, aber Diskussion darüber wird jetzt nur vertagt.
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