Mexiko-Stadt. Die Inflation steigt auf mehr als 250 Prozent, es herrscht große Armut. Wohin führt der Kurs des radikalliberalen Staatschefs Milei?
In der Suppenküche in Villa Fiorito wird das Essen knapp. Die Nudeln und das wenige Fleisch reichen in der „Olla comunitaria“ für immer weniger Bedürftige. Denn jeden Tag stehen in dem Viertel im Südwesten von Buenos Aires mehr hungrige Frauen, Kinder und Männer bei der Gratisessensausgabe am Mittag Schlange. Abgewiesen werde niemand, versichert Köchin Maria Torres, die als Freiwillige jeden Tag die warme Mahlzeit zubereitet. Aber die Nahrungsmittel müssten in der Gemeinschaftsküche für immer mehr Menschen reichen. „Heute versorgen wir mit den gleichen Mengen etwa 70 Familien, vor einigen Monaten waren es noch 20“, betont Torres.
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In Villa Fiorito leben Tagelöhner, Handwerker und Hausangestellte. Aber inzwischen gibt es auch unter ihnen Leute, die von ihrem Einkommen kaum noch etwas zu essen kaufen können. „Das Leben ist so wahnsinnig teuer geworden“, unterstreicht Köchin Torres. Kein Wunder bei einer Jahresinflation von 254 Prozent. Arbeiter und Angestellte verloren in den vergangenen zwei Monaten 23 Prozent ihrer Kaufkraft, auch aufgrund einer Abwertung des Peso um 50 Prozent. Dafür wurde in diesem Monat der Mindestlohn um ein Drittel auf umgerechnet rund 190 Euro angehoben, was angesichts der Preisexplosion durch die Inflation kaum ein Tropfen auf den heißen Stein ist.
Seit dem Amtsantritt des radikalliberalen Präsidenten Javier Milei vor gut zwei Monaten hat sich die ohnehin prekäre Lage der Bevölkerung noch einmal drastisch verschlechtert. Wie angekündigt strich der Staatschef die Staatsausgaben zusammen. Sein Mantra lautet dabei: „No hay plata“ (Es gibt kein Geld). Allein im Januar gingen die öffentlichen Bauvorhaben um mehr als 80 Prozent zurück, die Subventionen für Verkehr, Gas, Strom und Elektrizität wurden um 64 Prozent gekürzt, zudem wurden die Transferleistungen an die Provinzen eingedampft. Besonders schmerzhaft ist, dass Sozialleistungen wie Renten und Hilfen für die bedürftigste Bevölkerung und Nahrungsmittel für die Gemeinschaftsküchen um 30 Prozent reduziert wurden.
Armut wächst: Mindestens 35.000 Suppenküchen in ganz Argentinien
Hilfsprojekte mit Küchen und Kantinen für Hungernde wie in Villa Fiorito gibt es überall in Argentinien. Mindestens 35.000 sind es. Sie werden oft von Nachbarschaftshilfen geführt, die sich in der vorherigen großen Krise zu Beginn der Nullerjahre gebildet haben. Manche werden von internationalen Hilfsorganisationen unterstützt, auch die argentinische Regierung gibt Nahrungsmittel. Aber gerade die wurden zusammengestrichen.
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Und so hat Milei in seiner bisherigen Amtszeit seit dem 10. Dezember bereits zwei Rekorde gebrochen – den der Hyperinflation und den der Armut. Diese hat in dem potenziell so reichen Land mittlerweile sechs von zehn Menschen erfasst. Das bedeutet, dass sie nicht genügend Einkünfte haben, um den Warenkorb zu füllen, in den neben Nahrungsmitteln auch Kleidung, Medikamente und die Kosten für den öffentlichen Nahverkehr eingerechnet werden.
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Milei trat sein Amt mit dem Versprechen an, Argentinien innerhalb von zwei Jahren wieder auf Wachstum und Erfolg zu trimmen. Allerdings sagte er schon voraus, dass das nur mit einer brutalen und harten und zwei Jahre dauernden Rosskur gelingen werde. Es ist ein politisch wie auch wirtschaftlich sehr gewagtes Experiment. Ausgang offen. Noch hält der Großteil der Bevölkerung still und lässt ihn machen. Aber wenn es nur weiter bergab geht, dann wird auch Milei schnell seinen Kredit verspielen.
Argentinien vor dem Kollaps? Gewerkschaften und Gouverneure leisten Widerstand
Denn Gewerkschaften und selbst ihm gewogene Gouverneure rüsten inzwischen zum Widerstand. Ende Februar wurde der Eisenbahnsektor bestreikt, was auch den Pendlern den Weg zur Arbeit aus den Vororten in die Hauptstadt erschwerte. Zudem gingen einige private Kliniken in den Ausstand. Auch die Lehrer wollten landesweit die Arbeit niederlegen und damit praktisch den Schulanfang nach der Rückkehr aus den Sommerferien unmöglich machen.
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Zudem eskaliert der Streit zwischen Milei und den Gouverneuren bis an den Rand einer institutionellen Krise. Der Präsident strich den Provinzregierungen die Transferleistungen aus dem Staatsbudget so zusammen, dass viele fast handlungsunfähig sind. Nun reagierte der Gouverneur der Provinz Chubut in Patagonien, Ignacio Torres, harsch. Er drohte damit, die Öl- und Gaslieferungen an die Bundesregierung einzustellen, sollte diese nicht umgerechnet 16 Millionen Dollar an einbehaltenen Bundesmitteln freigeben.
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„Wenn sie bis Mittwoch nicht zahlen, kommt kein einziges Barrel Öl mehr aus Chubut.“ In einem Brandbrief schrieb zudem ein halbes Dutzend Gouverneure an Milei, dass die Einbehaltung der Gelder gegen das Gesetz verstoße und vor allem der Bevölkerung schade. Der cholerische Rechtspräsident reagierte wie gewohnt. In einem Hassgewitter auf X bezeichnete er die Gouverneure als „Erpresser“, „Dummköpfe“ und „Heulsusen“ und drohte ihnen mit dem Strafrecht.
Javier Mileis Politik: Haushaltsüberschuss auf Kosten der Ärmsten
Und alles deutet darauf hin, dass die Kontroverse zwischen den gut organisierten Arbeitnehmervertretungen und der Regierung zunehmen wird. Die meist aus Zeiten des Peronismus stammenden Gewerkschaften sind die mächtigsten in ganz Lateinamerika. Sie haben große organisatorische Kraft, wie der Generalstreik Ende Januar zeigte, den der Dachverband CGT in einem ersten Kräftemessen mit Milei organisierte. Der Staatschef aber hat sich vorgenommen, die Macht der Gewerkschaften zu brechen.
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Der Co-Vorsitzende der CGT, Héctor Daer, kündigte Widerstand an. „Die Regierung brüstet sich damit, im Januar einen Haushaltsüberschuss erzielt zu haben, aber das ging auf Kosten der Ärmsten“, kritisierte er. „Sie schicken keine Lebensmittel an die Gemeinschaftsküchen und senken die Gehälter der Lehrer.“ Dagegen helfe nur Widerstand.
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