Berlin. Die FDP flirtet mit der CDU. Aus Hoffnung oder Verzweiflung? Eine neue Untersuchung zum Wahlverhalten gibt jetzt eine klare Antwort.
Auf die Frage, ob er auf darauf wetten würde, dass die Ampel bis Herbst 2025 hält, reagiert Olaf Scholz in diesen Tagen mit demonstrativer Gelassenheit: „Ich glaube, wer zum Buchmacher geht, würde mit dieser Variante besser fahren.“ Wer dagegen auf eine Wiederholung der Koalition setzt, dürfte derzeit als Hochrisikospieler gelten. Doch auf welches Bündnis sollte man stattdessen wetten? Eine neue Studie gibt ein paar wichtige Hinweise.
Generell gilt: Bis zur nächsten regulären Bundestagswahl dauert es noch mehr als 18 Monate. In diesen anderthalb Jahren gibt es mindestens drei Termine, die für politische Eruptionen sorgen können. Die AfD kann bei der Europawahl stärkste Partei werden, nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg können komplizierte Mehrheitsverhältnisse zu einer faktischen Unregierbarkeit führen – und schließlich kann ein möglicher nächster US-PräsidentDonald Trump politische Gewissheiten schreddern.
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Sollten die Deutschen also tatsächlich im Herbst 2025 wählen, kann die politische Welt völlig anders aussehen als heute. Bereits jetzt ist es vollkommen offen, ob es überhaupt noch einmal für eine Zweierkoalition in der Bundesregierung reicht: Wäre am nächsten Sonntag Bundestagswahl, käme die Union auf rund 30 Prozent, die AfD auf 19, die SPD auf 15, die Grünen auf 14, die FDP auf vier Prozent und die Linke auf drei. Das Bündnis Sahra Wagenknecht erreicht in den jüngsten Umfragen Werte zwischen vier und acht Prozent.
Bundestagswahl 2025: Reicht es für ein Zweierbündnis?
Da die Union eine Koalition mit der AfD ausschließt, reicht es nach aktuellem Stand für kein einziges stabiles Zweierbündnis. Weder für eine Groko noch für Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb. Für eine Deutschlandkoalition, ein Dreierbündnis aus Union, SPD und FDP, müssten die Liberalen überhaupt erst mal über die Fünf-Prozent-Hürde kommen.
Vor allem FDP-Chef Christian Lindner tröstet sich angesichts der verheerenden Umfragen gern mit einer alten Erfahrung: Die FDP schmiert zwischen den Wahlen ab, steigert sich dann aber wieder auf zweistellige Werte. Mit anderen Worten: Vielleicht überlegen es sich die Leute ja doch noch mal anders. Eine neue, repräsentative Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ist nun der Frage nachgegangen, wie flexibel der Wählerwille der Deutschen aktuell wirklich ist.
Das wichtigste Ergebnis: Jeder zweite Wähler ist sich sehr sicher, was er wählen will – und was nicht. 50 Prozent der Wähler sagen, dass sie sich keine andere Partei vorstellen können als die in der Sonntagsfrage genannte. „Die Wechselbereitschaft ist aktuell sehr gering ausgeprägt“, heißt es in der Studie. Das war nicht immer so: Im Jahr 2020, ein Jahr vor der vergangenen Bundestagswahl, war die Wechselbereitschaft deutlich größer. Damals waren nur 26 Prozent sicher, bei ihrer Entscheidung zu bleiben. Nach der Bundestagswahl 2021 waren es laut Studie 40 Prozent.
Studie zur Bundestagswahl: „Wechselbereitschaft ist sehr gering ausgeprägt“
Doch was ist mit der anderen Hälfte der Wähler? Wen würde sie gern wählen, wenn sie nicht bei ihrer aktuellen Präferenz bleibt? Bei dieser Frage liegt die SPD vorn: Zwölf Prozent würden die aktuelle Kanzlerpartei wählen, acht Prozent die Union, vier Prozent die Grünen. Bitter für Lindner: Nur drei Prozent können sich demnach im Moment überhaupt vorstellen, zur FDP zu wechseln. Interessant ist hier der Blick auf die Anhänger der Grünen: Hier ist die Wechselbereitschaft am höchsten – die FDP profitiert davon aber praktisch überhaupt nicht.
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Was heißt das nun aber für mögliche Regierungsbündnisse? Erstens: Die SPD könnte von der Wechselbereitschaft profitieren – sodass etwa die rechnerische Chance für eine große Koalition steigt. In der Partei selbst dürfte das Studienergebnis gleichzeitig die Hoffnung nähren, dass sogar eine zweite Amtszeit von Olaf Scholz in einem Ampel-Bündnis nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Um noch einmal mit FDP und Grünen zu regieren, müssten aber beide Partner ebenfalls deutlich dazugewinnen.
FDP-Flirtversuche in Richtung Union sind „Verzweiflungsruf“
Zweitens: Für ein schwarz-gelbes Bündnis reicht es aktuell weder in den Umfragen noch mit Blick auf die Wechselbereitschaft. Die FDP ist schlicht zu unbeliebt dafür. Zumal selbst Parteichef Lindner mittlerweile in Beliebtheitsumfragen auf seinen persönlichen Tiefstwert abgerutscht ist: In der Beurteilung von Sympathie und Leistung der zehn wichtigsten Politiker landete der Finanzminister im jüngsten ZDF-Politbarometer auf dem vorletzten Platz. Angeführt wird das Ranking von SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius, das Schlusslicht bildet AfD-Chefin Alice Weidel. Die jüngsten Flirtversuche von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in Richtung Union seien vor diesem Hintergrund ein reiner „Verzweiflungsruf“, heißt es in der CDU.
Die FDP müsse aus eigener Kraft dafür sorgen, dass sie stark genug für ein Regierungsbündnis mit der Union werde, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. Djir-Sarai hatte ungewöhnlich deutlich für ein schwarz-gelbes Bündnis getrommelt: Er sei „fest davon überzeugt“, dass eine bürgerliche Koalition aus CDU, CSU und FDP in der Lage wäre, die Probleme des Landes zu lösen. Der SPD-Kanzler nahm den Fremdgehversuch der FDP gelassen: „Jeder ist für sich selbst verantwortlich und muss auch seine eigenen Perspektiven klug bedenken.“ Kühler geht’s kaum. Der Ampel-Beziehungsstatus? Komplett zerrüttet.
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