Berlin. Im Bundestag redet Wirtschaftsminister Robert Habeck von einem „Babyelefanten“. Dahinter steckt ein Problem, das Unternehmen entsetzt.
Bevor Robert Habeck auf den „Babyelefanten“ zu sprechen kommt, referiert der Bundeswirtschaftsminister über die wirtschaftliche Lage. Zwar sieht der Grünen-Politiker positive Entwicklungen („Die Gaspreise werden runtergehen“), aber die schlechten Nachrichten überwiegen. „Der Welthandel ist regelrecht eingebrochen“, sagt Habeck im Bundestag. „Die Unsicherheit ist groß.“ Das für das laufende Jahr erwartete Wirtschaftswachstum sei mit nur noch 0,2 Prozent „kläglich“.
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Damit ist Habeck nach eigenen Worten beim „Elefanten im Raum“, bei den finanziellen Impulsen des Staates für die darbende deutsche Wirtschaft. „Lassen Sie mich über den Babyelefanten reden“, sagt der Minister. „Das ist das Wachstumschancengesetz.“
Was ist das Wachstumschancengesetz?
Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollte mit fast 50 steuerpolitischen Maßnahmen den Unternehmen helfen und bürokratische Hürden abbauen. Ziel: Die Unternehmen um sieben Milliarden Euro entlasten. Eine sollte Firmen helfen, auf klimafreundliches Wirtschaften umzustellen.
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Im Laufe der Beratungen schrumpfte das Gesetz jedoch zusammen. Aus einem „Elefanten“ wurde ein „Babyelefant“. Die finale Fassung sieht auf Drängen der Länder nur noch Entlastungen in Höhe von rund drei Milliarden Euro vor. Sie befürchteten, dass Lindners Pläne große Löcher in die Kassen der Kommunen reißen.
Warum ist das Gesetz blockiert?
Das Gesetz landete am Mittwochabend im Vermittlungsausschuss, in dem Streitsachen zwischen Bundestag und Bundesländern verhandelt werden. Dort wurde der „Babyelefant“ aber an die Kette gelegt: Die Union will dem Gesetz bei einer Abstimmung im Bundesrat am 22. März ihre erforderliche Zustimmung nur erteilen, wenn die Regierung Forderungen der Bauern nachkommt und die schrittweise Streichung der Subventionen für Agrardiesel zurücknimmt.
Wie reagiert die Koalition?
Aus Sicht der Ampel ist diese Haltung unverständlich – schließlich drängen CDU und CSU die Regierung seit Monaten, etwas zur Entlastung der deutschen Unternehmen zu tun. Hinter der Blockade stehe das Kalkül, „durch eine schlechte wirtschaftliche Lage bei der Bundestagswahl nächstes Jahr mehr Stimmen zu gewinnen“, wirft FDP-Fraktionsvizechef Christoph Meyer der Union vor. „Für CDU und CSU unter Friedrich Merz ist der Agrardiesel für Bauern wichtiger als Entlastungen, Bürokratieabbau und Investitionsanreize für Industrie, Mittelstand und kleine Betriebe“, sagte Meyer unserer Redaktion.
Was sagen Wirtschaftsverbände?
Wirtschaftsverbände zeigten sich entsetzt über die Verzögerung. BDI-Präsident Siegfried Russwurm sieht darin ein „katastrophales Signal“ für die deutsche Wirtschaft: „Die erneute Verzögerung, steuerliche Entlastungen für Unternehmen auf den Weg zu bringen, verlängert die wirtschaftliche Hängepartie.“ Eine „Wackelpartie“, kritisierte DIHK-Präsident Peter Adrian. „Das schürt den Frust in vielen Unternehmen, die zu Recht daran zweifeln, ob die Politik den Ernst der Lage erkannt hat.“
Die Union hingegen gibt der Ampel die Schuld, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer macht der Regierung Vorwürfe: „Eine vertane Chance für die Wirtschaft, eine vertane Chance für die Bauern und eine vertane Chance für das Vertrauen in die Demokratie“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. Die Ampel habe entschieden, alle Bedenken, auch die der eigenen Ministerpräsidenten, „vom Tisch zu wischen und ihren Stiefel durchzuziehen“.
Wie könnte es weitergehen?
Auch SPD-Ministerpräsidenten wie Stephan Weil aus Niedersachsen und Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern sehen die Streichung der Agrardieselsubventionen kritisch. SPD-Kanzler Olaf Scholz will jedoch daran festhalten. Weil verweist nun auf die laufenden Verhandlungen der Landwirte mit der Bundesregierung sowie den Regierungsfraktionen. Bis zur Bundesratssitzung am 22. März müsse es „zumindest erste belastbare Zwischenergebnisse“ geben, forderte Weil.
Was fordert die Union?
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) fordert, das Wachstumschancengesetz um ein Entlastungspaket für Bauern zu erweitern. Aber auch das könne nur „ein erster Impuls für die Konjunktur sein, dem weitere Maßnahmen zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit folgen müssen“, sagte Rhein unserer Redaktion. „Die Belastung der Unternehmen in Deutschland ist auf Rekordniveau, in Europa ist nur Portugal teurer.“
Welches Problem hat die Koalition?
Habeck und Lindner sind sich einig, dass sie etwas zur Belebung der deutschen Wirtschaft unternehmen wollen. Nur über das Was und das Wie gibt es keinen Konsens. Hinzu kommt, sie haben ein großes Problem: Eigentlich darf es kaum etwas kosten – oder muss an anderer Stelle eingespart werden.
Durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts musste die Ampel schon für dieses Jahr geplante Ausgaben kräftig kürzen. Vor den Verhandlungen über den Etat für 2025 schaudert es Ampel-Vertretern bereits, dann wird der Sparzwang noch größer sein. Eine erneute Lockerung der Schuldenbremse lehnt Lindner ab. Die SPD gibt aber noch nicht auf: „Wir haben jetzt und in den kommenden Jahren massive Investitionen zu tätigen, damit unsere Wirtschaft nicht nur mit anderen Schritt hält, sondern weiter Vorreiter bleibt“, sagte SPD-Fraktionsvize Verena Hubertz unserer Redaktion. Eine neue SPD-Taskforce soll eine Reform der Schuldenbremse erarbeiten.
Wie will die Ampel der Wirtschaft dennoch helfen?
Habeck blieb in seiner Bundestagsrede vage. Der Wirtschaftsminister will global neue Handelsbeziehungen knüpfen, mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland holen, Frauen sowie Jugendliche ohne Ausbildung stärker in Jobs vermitteln und der verkrusteten Bürokratie eine Kultur des Machens entgegensetzen. Vorhandenes Geld müsse schneller ausgegeben werden, forderte Habeck.
Hubertz sieht den Weg zurück auf den Wachstumspfad „gepflastert mit Strukturreformen“. Sie fordert: „Langfristig müssen wir auch das Geschäftsmodell unserer Volkswirtschaft umbauen.“ Hubertz setzt dabei auf Investitionen auch durch privates Kapital: „Die Modernisierung Deutschlands ist eine Billionen-Euro-Aufgabe.“ Auch FDP-Fraktionsvize Meyer sagt: „Bürokratieabbau und Anreize für private Investitionen sind notwendig, um unsere Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen.“ Teil der Lösung müssten zudem Steuerentlastungen sein. „Ein ‚Weiter so‘ darf es definitiv nicht geben.“
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