Essen. Alexei Nawalny ist tot. Sein Tod in der Lagerhaft in Sibirien zeigt: In Putins Reich ist niemand sicher, der Kritik an der Macht übt.

Man weiß, wie es um Russland bestellt ist, wenn die Nachricht vom Tod eines Oppositionspolitikers nicht überrascht. Alexei Nawalny ist in Lagerhaft im Alter von 47 Jahren gestorben. Die Todesursache werde ermittelt, teilten die russischen Behörden am Freitag mit. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass die offizielle Todesursache eine natürliche sein wird. Genauso muss man kein Forensiker sein, um es als höchstwahrscheinlich anzunehmen, dass der russische Diktator Putin sich eines weiteren Kontrahenten entledigt hat.

Putin zeigt der eigenen Bevölkerung und der Welt mit schamloser und brutalstmöglicher Deutlichkeit, was seinen Kritikern droht. In seinem Russland muss jeder Mensch um sein Leben fürchten, der dem Despoten im Kreml und seiner Clique gefährlich erscheint. Seit 2006 starben die Journalistin Anna Politkowskaja, der Oligarch Boris Beresowski, der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident Boris Nemzow oder der Söldnerführer Jewgeni Prigoschin - und das sind nur die prominentesten Beispiele von Menschen, die ermordet wurden oder unter zumindest dubiosen Umständen ums Leben kamen.

Mit Nawalny stirbt ein weiteres Stück Hoffnung auf ein anderes Russland

Alexei Nawalny war in seinen Anfangsjahren ein übler Nationalist mit rassistischem Anstrich. Er war aber auch der Mann, der Putin und den Machtapparat um ihn auf politischer Ebene in den vergangenen Jahren am wirkmächtigsten herausgefordert hat und Inspiration für viele freiheitsliebende Russen war. Seine Aufdeckung von Korruptionsskandalen in den russischen Eliten trieb zehntausende Menschen auf die Straßen, ebenso sein Protest gegen Wahlbetrug und die Verfolgung von Oppositionellen.

Für seinen Widerstand gegen das Regime hat Nawalny einen hohen Preis bezahlt. In den vergangenen vier Jahren hat der Kreml sich grausam gerächt. Nawalny wurde vergiftet, nach seiner freiwilligen und nicht nachvollziehbaren Rückkehr nach Russland verhaftet, inhaftiert, nach Sibirien deportiert. Jetzt ist er tot, und mit ihm stirbt ein weiteres Stück Hoffnung auf politische Veränderungen in einem Reich, das immer sklerotischer und faschistischer wird.

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