Berlin. Die BASF-Erbin hat 25 Millionen Euro geerbt – und will sie abgeben. Im Gespräch erklärt sie, warum sie für die Reichensteuer kämpft.
Von dem Vermögen können die meisten nur träumen: 25 Millionen Euro hat BASF-Nachfahrin Marlene Engelhorn (32) von ihrer Großmutter geerbt. Das Geld stammt aus dem Verkauf der Boehringer-Mannheim-Anteile an Hoffmann-La Roche im Jahr 1997 – das brachte den Anteilseignern damals elf Milliarden Dollar ein. Engelhorn will nun ihre Millionen in die Hände des „guten Rat für Rückverteilung“ geben – ein zufällig ausgewählter Bürgerrat, der das Geld mit demokratischen Prinzipien verteilen soll. Im Interview erklärt sie, wie das gehen soll und warum sie auch ohne Vermögen immer privilegiert bleiben wird.
Ab wann ist man reich, Marlene Engelhorn?
Marlene Engelhorn: Das muss die Wissenschaft entscheiden. Bisher haben wir eine Armutsgrenze definiert, keine Reichtumsgrenze. In aller Regel ist eine Million Netto-Vermögen, also ohne Schulden, ein guter Grenzwert. Abgesehen von diesen Zahlen: Das reichste Prozent besitzt in Österreich 50 Prozent der Vermögen, in Deutschland sind es, laut DIW, 37 Prozent. Das ist konservativ gerechnet, wahrscheinlich besitzen sie viel mehr.
Was ist daran so schlimm?
Die Dynamik der Vermögensverteilung geht zugunsten der Reichen. Diese Ungleichverteilung ist viel spannender als die Frage, was Reichtum ist. Wer reich ist, profitiert dabei von Menschen, die einen erheblichen Teil ihres Einkommens versteuern. Wer zum Beispiel Immobilien besitzt, bekommt Mieteinnahmen von Steuern zahlenden Menschen, wer Aktien besitzt, profitiert von der Arbeitsleistung der Steuern zahlenden Mitarbeiter des Unternehmens.
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Wer Rohstoffe besitzt, profitiert von Steuerzahlern, die heizen müssen. Im Umkehrschluss heißt das: Die Allermeisten Nicht-Vermögenden zahlen dafür, dass Vermögende vermögender werden. Im Portemonnaie des reichsten Prozents landen die Steuern der 99 Prozent. Diese absurde Dynamik ist beschrieben und nicht strittig.
Sie kritisieren immer wieder die negativen Folgen dieser Ungleichverteilung für die Demokratie.
99 Prozent der Bevölkerung jonglieren mit Zahlen, ob es nun um die Finanzierung des Alltags geht oder die Finanzierung eines bestimmten Lebensstandards. Ihnen bleibt nur der Traum vom Lottogewinn. Man kann nur von etwas träumen, wenn es fehlt. Wer reich ist, für den ist der Lebensstandard keine Frage der Finanzen. Reiche jonglieren eher mit Macht und träumen von immer mehr Einfluss.
Und diese Ungleichverteilung soll eine höhere Erbschafts- und Vermögenssteuer bremsen?
Ja, denn die bisherige Erbschaftssteuer ist voller Ausnahmen und Schlupflöcher. Man muss auch regelrecht aufpassen, dass man da nicht reinplumpst. Das DIW schätzt, dass 400 Milliarden jährlich vererbt werden, aber nur acht Milliarden landen im Fiskus. Das ist eine effektive Steuer von zwei Prozent, dabei beträgt die deutsche Erbschaftsteuer mindestens sieben Prozent.
Sie wollen, dass Reiche viel stärker besteuert werden. Aber selbst wenn sie mehr abgeben, ändert es ja nicht zwangsläufig ihre privilegierte Stellung.
Das ist tatsächlich ein riesiges Problem. Jedes Besteuerungsmodell, das sich mit Vermögen beschäftigt, beseitigt nicht, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklafft. Bestenfalls wird der Prozess abgebremst. Wenn ich sieben Prozent Rendite bekomme und darauf ein Prozent Vermögenssteuer bezahle, habe ich ja trotzdem noch sechs Prozent Rendite. Man wird also um sechs Prozent reicher. Das reichste Prozent kann sich Steuern locker leisten, ich verstehe den Widerstand nicht.
Die Konsequenz für Sie ist, dass Sie einen Großteil Ihres Vermögens – 25 Millionen Euro – in die Hände eines Bürgerrates legen wollen, Sie nennen es den „Guten Rat für Rückverteilung“. 50 zufällig ausgewählte Menschen sollen entscheiden, wie das Geld zurückgegeben wird an das Vermögen aller. Warum spenden Sie nicht einfach ihr Geld?
Es geht darum, dass in einem demokratischen Prozess entschieden wird, was mit dem Geld passiert. Ansonsten nutze ich doch nur wieder meinen großen Einfluss, den ich allein aufgrund meiner Geburt in eine reiche Familie habe.
Was machen Sie, wenn Ihnen das Ergebnis nicht gefällt?
Gewinnbringende Investments sind ausgeschlossen, ebenso alles, was gegen die Demokratie geht und gegen die Verfassung, sowie alles, was lebensfeindlich ist, also gegen Mensch, Tier und Umwelt. Abgesehen davon bin ich zwar unglaublich gespannt, was dabei herauskommt, doch der Prozess an sich interessiert mich noch mehr. Der Weg ist das Ziel, ist unser Motto, nicht: Der Zweck heiligt die Mittel. So ein Prozess ist mühsam, Expertise muss hereingeholt werden. Wenn wir uns bei den großen Fragen nicht auf diesen mühsamen Weg machen, kann das Ergebnis nicht nachhaltig sein. Doch wenn die Entscheidung von demokratischen Prozessen getragen wird, dann kann die Gesellschaft das repräsentativ mittragen. Und darauf können neue Entscheidungen aufbauen. So entwickeln wir uns weiter. Und darum geht es.
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Jedes Mitglied im zufällig ausgewählten Rat soll mit 1200 Euro pro Wochenende ordentlich entschädigt werden. Haben Sie nicht Angst, dass sie nur des Geldes wegen mitmachen?
Die Mitglieder des Rates müssen sich sechs Wochenenden lang mit Expertinnen und Experten auseinandersetzen, sie müssen überlegen, sie müssen arbeiten. Dafür sollen sie ein Einkommen bekommen, das sie dann ja auch versteuern. Selbst wenn es ihnen nur ums Geld geht, machen sie die positive Erfahrung von Demokratie und Partizipation. Außerdem werden in der Regel Bürgerräte so schlecht vergütet, dass wieder nur die Reichen mitmachen. Das wollen wir durchbrechen.
Wie viel Geld Ihres Vermögens wollen Sie letztlich für sich behalten?
Das geht – offen gesagt – niemanden etwas an. Mein Ziel ist, alles rückzuverteilen, allerdings lebe ich derzeit von dem Geld, ich zwacke also was ab, bis ich ins Erwerbsleben einsteige. Ich möchte aber zu den 99 Prozent der Bevölkerung gehören, die ihr Geld mit einer Erwerbstätigkeit verdienen und Steuern zahlen.
Wann soll das sein?
Das kann ich noch nicht sagen. Auch das ist ein Prozess.
Diese Entscheidung zu haben, ist immer noch sehr privilegiert
Tatsächlich weiß ich noch nicht, was ich arbeiten möchte. Ich kann das in Ruhe überlegen, und das ist natürlich privilegiert. Aber es sollte kein Privileg sein, sondern alle sollten die Möglichkeit haben.
Name | Marlene Engelhorn |
Nationalität | deutsch, österreichisch |
Beruf | Aktivistin, Publizistin |
Studium | seit 2013 Germanistik in Wien(Unterbrechung von 2015 bis 2019) |
Schule und Ausbildung | Privat-Kindergarten, Privatschule in Wien |
Familie | Nachfahrin von BASF-Gründer Friedrich Engelhorn (1821–1902) |
Vermögen | 25 Millionen Euro |
Was machen Sie, wenn es mit dem Erwerbsleben nicht klappt? Und wenn Sie mit dem verdienten Geld nicht auskommen?
Ich habe immer mein Netz, das mich auffangen kann. Das kann ich nicht wegleugnen. Ich bin dankbar, dass ich das habe. Die allermeisten hätten das auch gerne. Ich werde versuchen, dass ich einen sinnvollen Übergang ins Erwerbsleben habe. Aber ehrlich gesagt: Das ist mein Problem.
Was hält Ihre Familie davon, dass Sie Ihr geerbtes Vermögen weggeben?
Meine Familie unterstützt mich, möchte aber aus der Öffentlichkeit herausgehalten werden. Deshalb möchte ich nicht mehr dazu sagen.
Wie reagiert die österreichische Politik? Und die Wissenschaft?
Aus der Politik hat mich niemand kontaktiert. Das strebe ich auch gar nicht an. Reiche Menschen werden schon zur Genüge eingeladen. Das gilt auch für die Wissenschaft. Ich bin kein Mastermind, ich habe nur eine große Geldbörse. Aber ich bekomme viele positive Rückmeldungen, viele Menschen sind gespannt, was mit meinem Vermögen passiert.
Gibt es Anfeindungen, etwa von reichen Menschen, die fürchten, ihnen soll etwas weggenommen werden?
Anfeindungen gibt es wenig, auch nicht von reichen Menschen, im Gegenteil: Ich bin umgeben von wohlhabenden Menschen, die Steuern zahlen wollen, sozusagen in einer Blase von Leuten, die das super finden. Allerdings wurde in Davos beim Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums vor zwei Wochen eine Umfrage veröffentlicht, die unter den reichsten fünf Prozent der G20-Länder gemacht wurde. Demnach wollen fast drei Viertel der befragten Reichen Vermögenssteuer zahlen. Es gibt also viele Reiche, die mit Steuern einverstanden sind, die aber nicht zu Wort kommen, weil sie nicht laut genug sind. Ich fände es sehr spannend, Forschungen bei reichen Leuten zu machen, aber wir wissen zu wenig über sie – auch, weil uns die Daten fehlen. Das liegt auch daran, dass es keine Vermögenssteuer gibt. Von armen Menschen wissen wir alles. Bei Reichen gilt ein anderes Maß.
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