Istanbul. Die Türkei wird durch den Anschlag auf eine Kirche daran erinnert, dass der IS keineswegs tot ist. Nun wächst unter Christen die Angst.
Der „Islamische Staat“ (IS) hat sich zu dem Überfall auf eine katholische Kirche in Istanbul bekannt, bei dem am Sonntag ein Gottesdienstbesucher getötet wurde. Zwei IS-Kämpfer hätten den Anschlag verübt, teilte der IS auf Telegram mit. In der Türkei wächst nun die Sorge vor einer neuen Anschlagswelle.
Am Sonntagvormittag betreten die vermummten Angreifer während der Messe das katholische Gotteshaus Santa Maria im Istanbuler Stadtteil Sariyer. Bilder einer Sicherheitskamera zeigen, wie einer der Täter eine Pistole zieht und einem Gottesdienstbesucher, der kurz vor ihnen die Kirche betreten hatte, in den Kopf schießt. Die etwa 40 Menschen im Kirchschiff werfen sich daraufhin auf den Boden. Die Attentäter geben danach noch mehrere Schüsse ab, bevor sie den Tatort verlassen.
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Bei dem Opfer handelt es sich um einen 52-jährigen türkischen Staatsbürger. Tuncer Murat Cihan sei in der katholischen Gemeinde bekannt gewesen und häufig zum Gottesdienst gekommen, schreibt die Zeitung „BirGün“. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung sei er aber kein Christ gewesen. Berichten zufolge schlugen ihn die Täter nieder, bevor sie ihn erschossen. Sein Neffe sagte der Zeitung „Gazete Duvar“, Cihan sei ein unschuldiges Opfer und geistig leicht behindert gewesen.
Erdogan spricht Diplomaten und Priester sein Beileid aus
Noch am Sonntagabend meldete der türkische Innenminister Ali Yerlikaya die Festnahme der beiden mutmaßlichen Täter. Nach dem Anschlag hatte die Polizei 30 Örtlichkeiten durchsucht und 47 Personen überprüft. Die Behörden verhängten eine Nachrichtensperre. Yerlikaya bestätigte, dass die beiden mutmaßlichen Täter dem IS angehörten. Einer der beiden stamme aus Russland, der andere aus Tadschikistan, so der Minister.
Unter den Gottesdienstbesuchern in der Kirche Santa Maria waren auch der polnische Generalkonsul und seine Kinder. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan rief den Diplomaten und den Priester der Kirche an, um sein Beileid auszusprechen. Erdogan lasse sich über die Ermittlungen laufend informieren, sagte Innenminister Yerlikaya. In Sicherheitskreisen gibt es die Sorge, dem Kirchenmord könnten weitere Anschläge islamistischerTerroristen folgen. Bereits im Dezember hatte die türkische Polizei bei einer landesweiten Razzia 29 mutmaßliche IS-Mitglieder festgenommen. Sie sollen Anschläge auf Kirchen und Synagogen geplant haben.
Terror gegen Christen – seit Jahren ein Problem in Türkei
Die Türkei ist zu 99 Prozent muslimisch. Angehörige anderer Religionen sind im Laufe der Jahre immer wieder bedroht und ermordet worden. 2003 verübte eine Zelle der islamistischen Terrorgruppe Al-Qaida Angriffe auf Synagogen in Istanbul. 28 Menschen wurden getötet. 2006 erschoss ein türkischer Nationalist in der Schwarzmeer-Stadt Trabzon den katholischen Priester Andrea Santoro in seiner Kirche.
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Im Jahr darauf überfielen fünf islamistische Fanatiker einen protestantischen Bibelverlag in der südosttürkischen Stadt Malatya. Die Täter fesselten den deutschen Missionar Tilman Geske und zwei türkische Christen, folterten sie und schnitten ihnen schließlich die Kehlen durch. Die Mörder konnten noch am Tatort gefasst werden. 2010 wurde der katholische Bischof Luigi Padovese von seinem Chauffeur erstochen. Anfang 2017 bekannte sich der IS zum Überfall auf den bekannten Nachtklub Reina in Istanbul. Bei dem Angriff, der in der Silvesternacht von einem einzigen Attentäter verübt wurde, starben 39 Menschen.
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