Berlin. Viele Landwirte sind sauer wegen der Ampel-Sparpläne. Die Agrarmesse bietet Konfrontationspotenzial – doch der Kanzler grinst es weg.
Sieben Minuten soll der Bildtermin mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei der deutschen Forstwirtschaft dauern. In dem Pflanzbeet an dem Messeauftritt ist geplant, dass Scholz den Baum des Jahres einsetzt, eine Moorbirke. Und um kurz nach zehn Uhr an diesem Montagmorgen hat Scholz, schwarzer Anzug, weißes Hemd und Krawatte, dann tatsächlich eine Schaufel in der Hand.
Ein paar Brocken Erde bugsiert er wenig später um das spärlich bewachsene Bäumchen. Scholz rammt die Schaufel in den Boden und klopft mit seiner Hand oben auf den Holzgriff. Dann grinst er die Fotografen an. Ging schonmal gut, aber nicht ganz nach Plan. Denn statt der Moorbirke pflanzt der Kanzler eine Rotbuche. Es soll die einzige Abweichung bleiben, anderen Risiken – etwa pfeifende Besucher oder wütende Bauern – weicht Scholz bei seinem Rundgang auf der großen Agrarmesse Grüne Woche aus.
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Scholz ist erst der dritte Bundeskanzler, der die Leitmesse für die Ernährungs- und Landwirtschaftsbranche in Berlin besucht. Vor ihm kamen nur Konrad Adenauer Anfang der 1950er Jahre und Angela Merkel im Jahr 2007. Der Kanzler will mit seinem Rundgang ein Zeichen setzen in schwierigen Zeiten. Denn gerade erst hatte die Ampel große Teile der Bauernschaft gegen sich aufgebracht.
Bauern: Wütend auf der Straße, aber zahm bei Scholz‘ Rundgang
Die geplanten Kürzungen im Bereich Kfz-Steuerbefreiung und Agrardiesel sind zwar von der Koalition in Teilen zurückgenommen und abgeschwächt worden. Nur noch schrittweise bis 2026 soll die Subventionierung beim Agrardiesel wegfallen. Der Unmut des Landvolks aber blieb, und er entlud sich erst in der vergangenen Woche wieder mit Protesten in Berlin – in Sicht- und Hörweite des Kanzlers.
In Halle 27, dem Beginn der anderthalbstündigen Scholz-Reise über die Grüne Woche, sieht sich Scholz aber durchaus dem Spannungsfeld ausgesetzt, in dem sich die Landwirtschaft befindet. „Ernährung sichern“ und „Natur schützen“ prangt in großen Lettern unterm Hallendach. Erwartungen, bei denen sich die Bauern nicht ausreichend unterstützt fühlen. Scholz wird das durchaus gespiegelt bekommen haben. Das Gespräch mit zuvor ausgewählten Junglandwirten verläuft aber weitaus weniger hitzig als so mancher Protest auf der Straße.
„Schönen Dank“, sagt Scholz nahezu nach jedem Standbesuch. Ansonsten gibt sich der Kanzler wortkarg, nur vereinzelt hat er Nachfragen. Der zuvor ewig grantelnde Bauernpräsident Joachim Rukwied kann sich mitunter ein Lächeln abringen. Vielleicht ist aber auch alles gesagt, Differenzen klar benannt. Scholz jedenfalls muss seine Bissigkeit nur einmal unter Beweis stellen.
Grüne Woche: Scholz geht den Realitäten außerhalb aus dem Weg
Am Messestand des Bundesverbands Ernährungsindustrie drückt ein Mann mit weißer Kochmütze Scholz einen Pfannenwender in die Hand. Die fünf Pfannkuchen kurz gewendet, dann kann Scholz servieren – und probieren. Scholz kaut, kneift seine Augen zusammen und nickt. Hat offenbar geschmeckt. Wenig später darf der Kanzler in der Schaubäckerei einen Hefezopf flechten.
Das handwerkliche Geschick, das dafür nötig ist, hat der Kanzler. Und auch neue Techniken wie Drohnen und mit Künstlicher Intelligenz arbeitende Erntehelfer lernt der SPD-Politiker bei seinem Rundgang kennen. Am Ende verspricht der Kanzler noch „behutsame Reformen“ für die Landwirtschaft. Man wolle die „wirtschaftliche Tätigkeit dieser Unternehmen erleichtern“ und „Bürokratie vermeiden“.
Pfiffe von Besuchern wie zuletzt, als Scholz ein Handballspiel besuchte, oder wutentbrannte Äußerungen von Bauern gab es nicht. Absperrbänder und Sicherheitsleute sicherten Scholz‘ Weg über die Messe. Ganze Hallenbereiche wurden zum Teil gesperrt. Die Konfrontation mit der Realität fand für den Kanzler auf der Grünen Woche nicht statt.
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