Berlin. Die Ampel verhandelt mit Bauern. Teils hat sich die Politik von ihnen entfremdet. Vor allem eine Partei sieht sich als deren Anwalt.
Erreichen die Bauern heute ihr Ziel? Die Proteste steuern auf ihren Höhepunkt zu – mit einer bundesweiten Sternfahrt und Großkundgebung am Brandenburger Tor. Auch die Regierung bewegt sich: Die Chefs der drei Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP haben die Spitzen der Landwirtschaftsverbände für diesen Montag nach Berlin eingeladen. Ob es zu einer Lösung kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Wer kann besonders gut mit den Landwirten? Und wo gibt es Berührungsängste? Ein Überblick.
SPD: Wütende Landwirte sind für die Partei nichts wirklich Neues
„Aufhören!“ und „Zurücktreten!“ schallt es dem SPD-Kanzler in Cottbus entgegen, als er sich den Bauern stellt. Doch der besteht auf Kürzungen. Die Szene könnte von 2024 sein, schließlich protestierten dieser Tage in Cottbus wütende Landwirte bei einem Besuch von Olaf Scholz. Sie stammt aber aus dem Jahr 1999. Nicht nur Olaf Scholz hat Stress mit der Branche, bereits Vorgänger Gerhard Schröder kennt Spannungen zwischen Bauern und der SPD. Scholz hält aktuell am Abbau der Steuervergünstigungen für Agrardiesel fest, auch gegen den Rat einflussreicher SPD-Ministerpräsidenten.
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Die SPD will aber auf die Bauern zugehen und zuhören. Die bäuerliche Landwirtschaft müsse eine gute Perspektive haben, sagt Parteichef Lars Klingbeil dieser Redaktion. „Dafür brauchen wir einen offenen Dialog auf Augenhöhe über die Zukunft der Landwirtschaft und die richtigen Rahmenbedingungen, die Politik setzen kann.“ Bei den Landwirten habe sich „über Jahre hinweg“ Frust angestaut. „Viele Betriebe stehen vor großen Herausforderungen wie dem Klimawandel und sehen sich der Marktmacht der großen Supermarktketten ausgesetzt“, fügte Klingbeil hinzu. „Auch die immer stärker werdende Bürokratie im Bereich der Landwirtschaft muss abgebaut werden.“
Grüne: Landwirtschaft und Umweltschutz zu versöhnen, ist schwer
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir war einer der ersten, der sich gegen die Subventionskürzungen in der Landwirtschaft ausgesprochen hat – und das, obwohl Subventionen von fossilen Brennstoffen den Grünen eigentlich ein Dorn im Auge sind. Die Vision von Özdemirs Partei ist es, die Landwirtschaft zu „versöhnen“ mit Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Özdemir hat deshalb –zunächst für Schweinefleisch – ein Tierhaltungskennzeichen eingeführt, mit dem Verbraucher im Supermarkt sehen können, unter welchen Bedingungen Tiere gehalten wurden. Gleichzeitig soll ein Förderprogramm für den Stallumbau es Bauern auch leichter machen, die Haltung der Tiere zu verbessern. Das Programm muss noch von der EU notifiziert werden.
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Insgesamt aber geht die „Versöhnung“ von Landwirtschaft und anderen Interessen langsam voran, laut einer Auswertung der Bertelsmann-Stiftung waren zur Halbzeit der Legislatur nur drei von zwölf Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ganz oder teilweise erfüllt. Landwirte beklagen vor allem, dass die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft kaum umgesetzt werden. Die grüne Ex-Landwirtschaftsministerin Renate Künast weist im Gespräch mit „Zeit online“ darauf hin, dass es um komplizierte und teure Änderungen geht: „Die können wir mit Ministerium und Bundestag nicht schnell mal eben alle zeitgleich verabschieden.“
FDP: Liberale und Bauern blicken auf Geschichte einer Entfremdung
Die FDP und die Bauern, das ist die Geschichte einer Entfremdung: Der Landwirt als selbstständiger Unternehmer, der mit persönlichem Risiko wirtschaftet – dieser Typus passt zwar gut ins politische Beuteschema der Liberalen. Doch der massive Widerstand der hochsubventionierten Branche gegen seine Sparpläne geht BundesfinanzministerChristian Lindner inzwischen massiv auf die Nerven: Der Agrarsektor, so der FDP-Chef, erhalte jährlich Subventionen von gut neun Milliarden Euro aus Brüssel und Berlin. 2025 fielen jetzt weniger als dreihundert Millionen weg, es gehe also um drei Prozent. In Zeiten, in denen alle sparen müssten, sei das verkraftbar.
Die FDP will an den jüngsten Ampel-Beschlüssen zum Agrardiesel festhalten, verspricht den Landwirten aber im Gegenzug einen Abbau von Bürokratie. „Wir sollten jetzt weniger über Subventionen und mehr über bürokratische Entlastung sprechen“, schlägt etwa FDP-Fraktionschef Christian Dürr vor.
CDU und CSU: Anwalt der Landwirte – mit einer wichtigen Ausnahme
Friedrich Merz und die Union preisen sich aktuell auf allen Kanälen als Freund und Helfer der deutschen Landwirte. Das kommt aus zwei Gründen nicht überraschend: Die Landwirtschaft ist eine traditionell konservative Welt, viele wählen hier seit Generationen CDU und CSU. Der Schulterschluss mit den wütenden Bauern passt der größten Oppositionsfraktion aber auch gut ins Konzept. Alles, was gegen die Ampel geht, kann der Union helfen.
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Im neuen Grundsatzprogramm bekennt sich die CDU ausdrücklich zu ihrer Rolle als Anwalt der Bauern. „Wir sind die Partei der Land- und Forstwirtschaft und der ländlichen Räume.“ Klima- und Umweltschutz seien wichtig, die Landwirte brauchten dafür aber „Freiräume statt detaillierter Vorgaben“. Zur Wahrheit gehört auch: Die Union geißelt zwar lautstark die Ampel für ihre Sparpläne, stimmte im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags aber zusammen mit den Regierungsfraktionen für das Ende der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte.
AfD: Grundsatzprogramm sieht Kürzung von Subventionen vor
Die Alternative für Deutschland (AfD) unternimmt alles, um die Bauernproteste für sich zu nutzen. Vor einigen Tagen stellte die Partei ein eilig zusammengeschriebenes „Sofortprogramm für unsere Landwirtschaft“ vor. Darin finden sich Forderungen wie eine Verdopplung der Agrardiesel-Rückerstattung. Noch 2016, als die Partei ein Grundsatzprogramm verabschiedete, klang das ganz anders: In Kapitel 13 kündigte die AfD damals an, sie werde die EU-Subventionen „nach dem Gießkannenprinzip“ an die Landwirtschaft „Schritt für Schritt zurückfahren“. Überarbeitet hat man die Leitlinien seitdem nicht.
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Nun bemüht sich die AfD redlich, diesen Widerspruch kleinzureden: Die geforderten Maßnahmen seien allerdings auch nicht als Subventionen zu sehen. „Eine Verringerung der steuerlichen Belastungen und Abgaben ist mitnichten eine Zuzahlung durch den Staat – sondern eine Entlastung“, so die Partei. Man unterstütze, dass die Bauern und andere Bürger friedlich für ihr Recht und ihre Interessen demonstrierten.
Linke: Lebensmittelkonzerne sollen höhere Preise an Bauern zahlen
Die Linke fordert eine Umverteilung der Gewinne von Lebensmittelkonzernen zu Erzeugern. „Eine sozial- wie klimagerechte Landwirtschaftspolitik geht nur mit dem Mut, sich mit Konzernen und Großinvestoren anzulegen und endlich die Investitionsbremse zu lösen“, sagte Parteichef Martin Schirdewan dieser Redaktion. Lebensmittelkonzerne müssten „vernünftige Mindesterzeugerpreise“ zahlen.
Laut einem Beschluss des Parteivorstands sollten die Preise von Grundnahrungsmitteln bei den vier großen Supermarktketten Aldi, Rewe, Edeka und Lidl gedeckelt werden, genauso wie Bodenpreise. Überhaupt will die Linke den Verkauf von Böden an Investoren einschränken. Investitionen in Höhe von fünf Milliarden Euro sind laut Beschlusspapier nötig, um die Landwirtschaft klimagerecht und sozial umzubauen. Für bessere Arbeitsbedingungen soll auch ein Mindestlohn von 15 Euro sorgen, auch für Saisonkräfte und Familienangehörige.
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