Berlin. Marie-Agnes Strack-Zimmermann über die Lautstärke der Männer in der FDP, schlechte Umfragewerte ihrer Partei und Rezepte gegen die AfD.

Unerschrocken, schnörkellos und direkt: FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zählt zu den beliebtesten Politikerinnen in Deutschland. Was denkt Sie zum Zustand ihrer Partei, kurz vor dem Dreikönigstreffen in Stuttgart? Die Antwort wird nicht jedem in der FDP gefallen.

Die FDP liegt seit Wochen in Umfragen bei fünf Prozent. Was läuft falsch?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Viele Menschen in Deutschland fühlen sich im Moment gestresst durch die massiven Umbrüche, die sie erleben. Viele sind verunsichert. In einer solchen Lage ist es nicht leicht, konsequent liberale Politik umzusetzen und weiter für Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu werben. Hinzu kommt: Viele unserer Wähler hatten hohe Erwartungen an die FDP in der Ampel-Koalition und sind jetzt möglicherweise enttäuscht, weil wir logischerweise Kompromisse schließen müssen.

Hat die FDP Fehler gemacht?

Wer regiert, macht natürlich auch Fehler. Uns liegt aber daran, liberale Politik durchzusetzen. Das gelingt uns auch, aber die Störgeräusche und sehr lauten Diskussionen übertönen die Erfolge und nerven vermehrt die Bürger. Das betrifft im Übrigen alle drei Koalitionspartner, denn in solch herausfordernden Zeiten, sollte man bestenfalls hinter den Kulissen diskutieren, Lösungen finden und dann gemeinsam auf die Bühne treten.

2024 stehen vier wichtige Wahlen an. In den ostdeutschen Ländern ist für die FDP wenig zu gewinnen. Haben Sie die Wahlen schon abgeschrieben?

Jede Wahl ist wichtig. Und selbstverständlich werden wir gemeinsam kämpfen. Aber es gibt Bundesländer, in denen es mancherorts schwieriger ist, gute Ergebnisse zu erzielen als in anderen.

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Ist die Europawahl im Juni die Testwahl der FDP für die Bundestagswahl 2025?

Die Wahl ist auch deswegen wichtig, weil sie bundesweit stattfindet und ein entsprechendes Stimmungsbild liefert. Ich habe mir allerdings in 34 Jahren FDP Mitgliedschaft abgewöhnt, jede Wahl als Schicksalswahl anzusehen. Was mir viel größere Sorge bereitet, ist, dass wir politisch in ganz Europa einen Rechtsruck erleben. Die Demokraten treten gegen Parteien an, die letztlich Europa zerstören wollen.

Was hilft wirklich, um den Siegeszug der Rechten zu stoppen?

Es hilft jedenfalls nicht, immer nur vor der AfD zu warnen. Deren Mitgliederzahlen steigen, obwohl der Verfassungsschutz die Partei in drei Bundesländern beobachtet. Wir müssen schlichtweg Antworten auf die Fragen finden, die den Menschen große Sorge bereiten und dazu gehört vor allem die innere und äußere Sicherheit und die Migrationsfrage.

Sie sind die einzige prominente Frau in der FDP – und verlassen jetzt als Europa-Spitzenkandidatin die deutsche Politik. Zurück bleibt ein liberaler Männerclub. Bitter, oder?

Ich verlasse die deutsche Politik nicht, sondern werde aus Europa heraus selbstverständlich weiter präsent sein, zumal ich als zukünftiges Mitglied des Europäischen Parlamentes im Präsidium der FDP sein werde. Überdies bin ich der Meinung, dass es an der Zeit ist, endlich einen anderen Blick auf Europa zu werfen: Dort werden relevante Entscheidungen gefällt, die unmittelbar auf unsere deutsche Politik Einfluss haben.

Im Moment prägen vor allem Männer das Bild der FDP…

Das hat auch oft mit der Lautstärke zu tun, mit der die Kollegen in der Öffentlichkeit auftreten im Vergleich zu unseren engagierten Kolleginnen. Dass die FDP aber attraktiver für Frauen werden will, damit beschäftigen wir uns auf allen innerparteilichen Ebenen.

ParteiFreie Demokratische Partei (FDP)
Gründung11. Dezember 1948
IdeologieKlassischer Liberalismus, Wirtschaftsliberalismus, Europäische Integration
VorsitzenderChristian Lindner (Stand: April 2023)
Fraktionsstärke92 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023)
Bekannte MitgliederChristian Lindner, Wolfgang Kubicki, Nicola Beer