Berlin. Die FDP-Anhänger fremdeln mit der Ampel-Regierung – das beweist die Mitgliederbefragung. Und nun? Einfacher wird es jedenfalls nicht.
Am Neujahrsmorgen greift Marco Buschmann zum Smartphone und tippt: „Möge 2024 ein Jahr voller Zuversicht und neuer Chancen sein.“ Zu diesem Zeitpunkt weiß der FDP-Justizminister noch nicht, was Stunden später feststeht: Bei der Mitgliederbefragung der FDP hat sich eine Mehrheit für den Verbleib in der Koalition mit SPD und Grünen ausgesprochen. 52,24 Prozent der Teilnehmer plädierten dafür, die Regierungsarbeit fortzusetzen. 47,76 Prozent wollten die Koalition beenden. Es ist ein knappes Ergebnis. Und es dürfte die Koalition noch viele Nerven kosten.
Zwei Wochen lang konnten die FDP-Mitglieder abstimmen, die Online-Befragung endete am Neujahrstag um 13 Uhr. Die Frage: „Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden?“ Geantwortet werden konnte mit „Ja“ oder „Nein“. Insgesamt nahmen rund 26.000 der rund 66.000 stimmberechtigten FDP-Mitglieder teil – also mehr als jedes dritte. Unmittelbar nach dem Ende der Abstimmung schaltete sich die Parteispitze zusammen. Und konnte aufatmen. Vorerst. Denn das Ergebnis zeigt: Der Unmut über die Ampel an der Basis ist immens.
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FDP-Vize Kubicki über die Ampel: „Das Genöle muss aufhören“
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki reagierte als einer der ersten – und bemühte sich, den Ton vorzugeben: „Mit diesem Rückenwind machen wir es jetzt gestärkt besser in der Koalition“, sagte Kubicki unserer Redaktion. „Tatsache ist nun: Die Partei will die weitere Beteiligung der FDP in der Regierung mit klarer Mehrheit. Die ‚schweigende Mehrheit‘ wollte offenbar auch keinen Austritt aus der Regierung“, so der FDP-Politiker. Gleichzeitig rief Kubicki seine Partei dazu auf, geschlossener als bisher aufzutreten: „Das Genöle muss aufhören. Wir wollen, müssen und werden alle Kräfte bündeln, um 2025 wieder ein zweistelliges Ergebnis zu erreichen.“
Kubickis Parteifreund Buschmann schrieb später auf der Plattform X (vormals Twitter), das Ergebnis sei „aber auch ein Auftrag“. Ein Auftrag? Bei SPD und Grünen dürften die Alarmglocken läuten: Wann immer die FDP in den vergangenen Monaten Gegenwind aus der eigenen Anhängerschaft spürte, reagierte sie mit demonstrativer Profilierungslust. Das Ringen um den Haushalt für 2024 dürfte in den kommenden Tagen dafür Gelegenheit genug bieten.
FDP-Votum: Lindner hätte Regierung nicht verlassen müssen
Der Stimmungstest an der liberalen Basis hatte die krisengeschüttelte Ampel-Koalition zum Jahresende noch mal extra kalt erwischt. Als sei das Klima zwischen den drei Partnern durch die Haushaltskrise nicht schon am Tiefpunkt, als seien die Umfragewerte der Koalition nicht schon im Keller, probte die aufmüpfige liberale Basis die Revolution.
Zwar ist die FDP-Parteispitze formal nicht an solche Mitgliedervoten gebunden, Lindner und die anderen drei FDP-Minister hätten also bei einem klaren Ja der Basis zum Ende der Ampel nicht zwingend die Regierung verlassen müssen. Dass sich die Mitglieder nicht zu einem überwältigenden Nein bewegen ließen, macht die Sache allerdings nicht viel einfacher.
Die Mitgliederbefragung folgte auf einen offenen Brief von 26 Landes- und Kommunalpolitikern der FDP, die nach den schlechten Wahlergebnissen in Hessen und Bayern gefordert hatten, die FDP müsse ihre Koalitionspartner überdenken. In Bayern hatte die FDP im Oktober den Einzug in den Landtag verpasst. In Hessen schaffte sie es knapp über die Fünf-Prozent-Hürde. Laut Bundesvorstand hatten schließlich insgesamt 598 FDP-Mitglieder den Antrag auf eine Mitgliederbefragung unterstützt.
FDP-Spitze hatte für Verbleib in der Ampel geworben
In den vergangenen Tagen hatten viele FDP-Spitzenpolitiker für einen Verbleib in der Ampel geworben: Fraktionschef Christian Dürr erklärte, es sei sein „fester Wille“, dass die Liberalen „weiter Bestandteil einer Bundesregierung sind, die weiter gestaltet“. Ähnlich äußerte sich auch Verkehrsminister Volker Wissing. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sagte, die FDP habe bereits viel bewegt in einer nicht ganz einfachen Konstellation. Sie sei aber überzeugt, „dass es richtig ist, dass wir Teil dieser Regierung sind und bleiben“. Auch FDP-Vize Kubicki riet dazu, nicht für einen Ausstieg aus der Bundesregierung zu votieren.
Partei | Freie Demokratische Partei (FDP) |
Gründung | 11. Dezember 1948 |
Ideologie | Klassischer Liberalismus, Wirtschaftsliberalismus, Europäische Integration |
Vorsitzender | Christian Lindner (Stand: April 2023) |
Fraktionsstärke | 92 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023) |
Bekannte Mitglieder | Christian Lindner, Wolfgang Kubicki, Nicola Beer |
Er glaube an die Vernunft der überwältigenden Mehrheit seiner Parteifreundinnen und Freunde, „nicht für eine Flucht aus der Verantwortung zu stimmen“. Er warnte vor einem sehr schwierigen Wahlkampf für die FDP im Falle eines Ausstiegs und sagte: „Wir gewinnen keinen Wahlkampf mit dem Slogan: Wir sind gescheitert.“
Kein Wunsch nach Neuwahlen: FDP im Umfragetief
Bei der Bundestagswahl 2021 hatten die Liberalen unter Parteichef Christian Lindner noch 11,5 Prozent eingefahren. In bundesweiten Umfragen steht die FDP aber schon länger nicht mehr gut da, erreichte nur noch etwa fünf Prozent. Es ist also unklar, ob sie es überhaupt noch in den Bundestag schaffen würde, wenn es jetzt zu Neuwahlen käme.
Während die Union seit langem vorgezogene Wahlen fordert, hat in der FDP-Spitze derzeit niemand Interesse an einem raschen Ende der Ampel. „Das ist keine Zeit für Hasardeure“, sagte Parteichef Lindner kurz vor Weihnachten dieser Redaktion. Nach Lage der Dinge könnte sogar nach der nächsten Bundestagswahl die Ampel wieder als Koalitionsoption auf dem Tisch liegen. Ausgeschlossen hat Lindner eine zweite Runde mit SPD und Grünen bislang nicht.
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