Düsseldorf. Gibt es Parallelen zwischen dem Chaos an der Rahmedetalbrücke und dem auf der A42? Die Opposition will Antworten von Schwarz-Grün.
Das Chaos auf der A42 beschäftigt jetzt auch die Opposition im Landtag. Die SPD-Fraktion will in einer Anfrage an die Landesregierung wissen, ob sich das „Desaster der Rahmedetalbrücke“ jetzt zwischen Essen und Bottrop wiederhole.
Die Zuständigkeit für Bauwerke an den Autobahnen liegt zwar inzwischen bei der Autobahn GmbH des Bundes. Die SPD vermutet aber Versäumnisse aus der Zeit, als das Land NRW noch die Verantwortung trug. Der Abgeordnete Gordan Dudas aus dem Märkischen Kreis fragt daher: „Seit wann sind der Landesregierung massive Schäden an der BAB-Brücke über den Rhein-Herne-Kanal bekannt?“
Laut der Anfrage, die dieser Redaktion vorliegt, müsse aufgrund des Schadensbildes der A42-Brücke über den Rhein-Herne-Kanal davon ausgegangen werden, dass ernstzunehmende Schäden bereits deutlich vor dem 1. Januar 2021 bekannt gewesen seien. Dudas fragt, welche Schäden und Reparaturen der Landesregierung vor Übergang der Zuständigkeit des Landes an die Autobahn GmbH des Bundes bekannt gewesen seien und welche Maßnahmen sie im Rahmen ihrer damaligen Zuständigkeit für die A 42 ergriffen habe, um das Bauwerk belastungs- und leistungsfähig zu erhalten.
Verkehrsforscher und die Wirtschaft befürchten massive Auswirkungen durch die Sperrung der Rhein-Herne-Kanal-Brücke an der A42. „Das wird Folgen haben für den Verkehr im Ruhrgebiet und in NRW“, sagte Prof. Justin Geistefeldt, Experte für Verkehrswesen an der Ruhr-Universität Bochum, dieser Redaktion.
„Wir müssen mit erheblichen Verkehrsverlagerungen rechnen in einem Verkehrsnetz, das ohnehin bis an die Grenzen der Kapazität belastet und an weiteren Stellen wie auf der A 43 eingeschränkt ist“, so Geistefeld weiter. Ein Teil des überregionalen Verkehrs der A 42 werde sich auf die A 40 verlagern, ein größerer Teil, vor allem Lkw, vermutlich auf die A 2.
NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) nannte die A42-Sperrung eine weitere Belastung für Menschen und die Wirtschaft in der Region. „Sie bestätigt erneut, wie groß und drängend der Sanierungsbedarf bei den Autobahnbrücken des Bundes ist. Deshalb erwarten wir auch vom Bund, sich auf den Erhalt der Infrastruktur zu konzentrieren, damit solche Sperrungen vermieden werden können“, sagte Krischer dieser Redaktion. Bund und Land müssten nun möglichst gemeinsam Umleitungen entwickeln, um die Folgen der Sperrung abzumildern.
Spediteure sauer: Erst die höhere Lkw-Maut, jetzt die Autobahnsperrung
Für Speditionsunternehmen aus NRW ist die A42-Sperrung ein weiterer Nackenschlag. „Kurz nach der für unsere Branche so schmerzhaften Erhöhung der Lkw-Maut drückt diese Brückensperrung zusätzlich auf die Stimmung. Die Fahrer verlieren Zeit und Nerven, weil sie Ausweichstrecken suchen müssen, außerdem führen weitere Wege zu mehr Emissionen“, sagte Christoph Kösters, Sprecher des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik NRW (VVWL). NRW sei ein „Problemland“ für den gewerblichen Verkehr. „Es wird immer schwieriger, Termine und Fahrtzeiten einzuhalten“, erklärte Kösters.
Nach Einschätzung des ADAC-Verkehrsexperten Prof. Roman Suthold droht in NRW ein „Dominoeffekt“ durch die vielen maroden Brücken: „Eine nach der anderen könnte betroffen sein, und eine Brücke ist immer ein Nadelöhr für den Verkehr.“ Das Sanierungstempo halte mit dem Sanierungsbedarf nicht annähernd Schritt. NRW sei heute schon „Stauland Nummer eins“, das Verkehrssystem längst „am Limit“.
Viele Jahre Probleme
Für Autos ist die A42 zwischen Bottrop-Süd und Essen-Nord nach Auskunft der Autobahn GmbH des Bundes mindestens bis zum Frühjahr gesperrt. Bis wieder Lastwagen dort fahren, könnten mehrere Jahre vergehen.
Alles, was schwerer ist als 3,5 Tonnen, wird die A42 an dieser Stelle wohl erst wieder passieren können, wenn eine neue Brücke gebaut ist. Das dauert vier bis fünf Jahre.
Die Autobahn GmbH rät zum „großräumigen“ Umfahren der gesperrten Strecke, zum Beispiel über die Autobahnen A40 und A2. Kleinräumig soll vor allem über die heute schon stark belastete B224 ausgewichen werden.
Verkehrsexperten fordern schnelle Planung von Bauwerken
Sowohl Suthold als auch Geistefeld fordern eine Planungsbeschleunigung für marode Straßenbauwerke. Prof. Geistefeld nennt als positives Beispiel das Infrastrukturmanagement in den Niederlanden. „Dort scheint das Bewusstsein, wie wichtig die Infrastruktur für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes ist, in der Gesellschaft ausgeprägter zu sein als bei uns, wo oft viele Jahre vergehen, bis ein Bauwerk genehmigt und fertiggestellt ist“, so der Professor. In der Energiekrise sei es gelungen, im Rekordtempo Flüssiggas-Terminals in Betrieb zu nehmen. „Mit dem entsprechenden politischen Willen ginge es sicher auch im Straßenbau schneller als bisher“, glaubt Geistefeldt.
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