Düsseldorf. Das Land NRW verteilt seine Lotterie-Erlöse neu. Die FDP wittert dahinter die gezielte Bevorzugung von Regierungs-Lieblingen
Die Landesregierung hat erstmals Zahlen vorgelegt, wie viel Geld aus staatlichen Lotterieeinnahmen künftig an gemeinnützige Organisationen fließt. Die Befürchtungen von Wohlfahrtsverbänden und Kulturschaffenden, sie würden von Schwarz-Grün benachteiligt, sind offenbar berechtigt.
Die Landesregierung erhöht den Betrag, der aus den Glücksspieleinnahmen für gute Zwecke ausgeschüttet wird, mit dem Haushalt 2024 von 100 Millionen zwar auf fast 104 Millionen Euro. Von dem Gewinn profitieren aber nicht alle gleich. Die einen bekommen zwei Prozent mehr Geld, die anderen 5,8 Prozent.
Lotto-Einnahmen: Viel mehr Geld für den Landessportbund, etwas mehr für Dombauvereine
Laut der Antwort des Finanzministeriums auf eine FDP-Anfrage, die dieser Redaktion vorab vorliegt, gehören zum Beispiel der Landessportbund und das Deutsche Sportmuseum in Köln zu jenen, die von den Lotterie-Ausschüttungen besonders profitieren (plus 1,9 Millionen Euro). Auch die Sportstiftung NRW (plus 256.000 Euro) und die Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW (plus 188.000 Euro) dürfen sich als Gewinner fühlen. Statt 5,8 Prozent erhalten aber zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege mit einem Zuwachs von 555.000 Euro und die Dombauvereine mit einem Plus von 65.500 Euro nur zwei Prozent mehr vom Land. Das gilt auch für die NRW-Kunststiftung und die Förderung der Breitenkultur Musik.
Dirk Wedel (FDP): „Der neue Verteilschlüssel schafft Misstrauen“
Der FDP-Landtagsabgeordnete Dirk Wedel nennt dies „völlig inakzeptabel“. Die Regierung untergrabe langjährige Praktiken und schaffe Misstrauen, sagte er. Schwarz-Grün lasse die Gründe für diesen Verteilschlüssel offen. Die Liberalen vermuten dahinter Parteipolitik. „Der neue Schlüssel geht klar zu Lasten der Freien Wohlfahrtspflege und wurde nicht einmal mit den Destinatären besprochen“, so Wedel. „Destinatäre“ sind Organisationen, die von staatlichen Lotterieeinnahmen profitieren.
Wie NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) in seiner Antwort schreibt, hat die Regierung nicht mit den Organisationen über die neue Geldverteilung gesprochen. Ob das Verteilsystem beibehalten werde, sei noch nicht entschieden.
Lotto-Millionen: Freie Wohlfahrtspflege fühlt sich ungerecht behandelt
Der Chef der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Christian Woltering, hatte die Regierungs-Pläne schon im Dezember, als diese erstmals bekannt wurden, „sehr erklärungsbedürftig“ genannt. Es rieche nach politisch motivierter „Bevorteilung“ von Organisationen, für die die Regierungsparteien Sympathien hegten. In diesem Fall Umwelt- und Naturschutzorganisationen (Grüne) und Sportverbände (CDU).
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen steht tatsächlich: „Wir werden die durch Einnahmeüberschüsse entstandenen Spielräume nutzen, um Destinatäre im Bereich Naturschutz, Umwelt und Entwicklung sowie im Bereich Sport zu stärken.“
700 Millionen Euro für gute Zwecke
Laut Westlotto wurden im Jahr 2022 mehr als 700 Millionen Euro aus Glücksspiel-Einnahmen für das „Gemeinwohl“ in NRW ausgeschüttet. Das Geld stammt vor allem aus der Lotterie „6 aus 49“, Spiel 77, Eurojackpot, Keno, Glücksspirale und Super 6.
Die Chance auf sechs Richtige im Lotto ist für die Spielerinnen und Spieler winzig. Zu den großen Gewinnern bei Lotto, Spiel 77, Eurojackpot & Co. zählen aber zum Beispiel Sportverbände, soziale Einrichtungen, Naturfreunde und Denkmalschützer, denn ein satter Teil der Einnahmen – ungefähr 25 Prozent -- fließt dem „guten Zweck“ zu. Bisher waren diese „Destinatäre“ gut zufrieden mit dem Geldregen. Jetzt aber beschweren sich einige von ihnen bei der NRW-Landesregierung wegen „Ungleichbehandlung“.
Was ist passiert? Auf den ersten Blick nur Gutes. Die Landesregierung erhöht den Betrag, der aus den Glücksspieleinnahmen für gute Zwecke ausgeschüttet wird, mit dem Haushalt 2024 von 100 Millionen auf fast 104 Millionen Euro. Von dem Gewinn profitieren aber nicht alle gleichermaßen. Organisationen aus den Bereichen Naturschutz, Umwelt und Sport teilen sich im nächsten Jahr nicht nur mit den anderen Organisationen eine Zuschuss-Erhöhung von rund zwei Millionen Euro, sondern sie erhalten weitere knapp zwei Millionen Euro obendrauf, wie das NRW-Finanzministerium auf Nachfrage dieser Redaktion erklärt. Der Vergleich drängt sich auf: Sport- und Naturschutzverbände knacken 2024 den Jackpot, mit freundlicher Unterstützung des Landes NRW.
Hängt der Lottogewinn von der Nähe zu bestimmten Parteien ab?
Die einen bekommen zwei Prozent mehr Geld, die anderen sechs Prozent mehr. Dabei sei der Verteilschlüssel für die Glücksspieleinnahmen vorher viele Jahre lang unangetastet geblieben, kritisiert Christian Woltering. Er fragt, ob „Destinatäre“ aus der Freien Wohlfahrtspflege wie der Paritätische, Diakonie oder Caritas oder auch andere wie die Kunststiftung NRW der schwarz-grünen Regierung weniger wert seien als zum Beispiel die Stiftung Umwelt und Entwicklung und der Landessportbund.
Christian Woltering warnt davor, die Ausschüttungen zu „politisieren“. Wenn sich dieses Verfahren durchsetze, würden künftige Landesregierungen womöglich immer ihre jeweiligen Lieblinge im Lotto gewinnen lassen.
700 Millionen Euro für das Gemeinwohl
Glücksspiel beschert dem Staat und damit auch den Umwelt-, Sport- oder Sozialverbänden verlässliche und ansehnliche Einnahmen. Laut Westlotto wurden im Jahr 2022 mehr als 700 Millionen Euro für das „Gemeinwohl“ in NRW ausgeschüttet. Das Geld kommt von klassischen Lottospielern „6 aus 49“ und von anderen Lotterien wie Spiel 77, Eurojackpot, Keno, Glücksspirale, und Super 6. Auch ein Teil der Rubbellos-Einnahmen fließt in „gute Zwecke“, allerdings nur 16 Prozent und nicht, wie zum Beispiel bei Lotto und Eurojackpot, 24 Prozent oder wie bei der Glücksspirale sogar 27 Prozent.
Die Frage, wer wie viel Geld von den Gewinnen der staatlichen Lotterien bekommt, hat auch die SPD-Landtagsfraktion auf den Plan gerufen. In einer Kleinen Anfrage der SPD-Landtagsfraktion will Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat von der Landesregierung wissen, warum sie sich dazu entschieden habe, „die Erhöhung der Zuwendungen für die in der LAG NRW zusammengeschlossenen Organisationen geringer ausfallen zu lassen als bei anderen Destinatären“.
In einer Zeit, in der die soziale Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen– Kitas, Ganztag, Pflege, Sozialberatung – unter einem riesigen finanziellen Druck stehe, sei die Schlechterstellung des Sozialen bei der Gewinnausschüttung nicht erklärbar, so die Abgeordnete.
Der Kreis der „Destinatäre“ ist groß
Zum Kreis der „Destinatäre“ zählen laut Westlotto unter anderen der Landessportbund, der Deutsche Olympische Sportbund, der Westdeutsche Fußball- und Leichtathletikverband, die Freie Wohlfahrtspflege NRW, die Kunststiftung NRW, die NRW-Stiftung, Dombauvereine und die Stiftung Umwelt und Entwicklung.
Das Grummeln in den Wohlfahrtsverbänden über die „Ungleichbehandlung“ ist zwar vernehmlich, unterm Strich gehören aber auch sie weiter zu den Gewinnern. Ihr Zugewinn steigt zwar nur leicht, aber immerhin doch von 27,7 Millionen auf 28,3 Millionen Euro.
Übrigens: Ein Teil der Fördergelder – ungefähr 1,3 Millionen Euro im Jahr -- kommt Hilfeeinrichtungen für Spielsüchtige zugute.
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