Tel Aviv. Hamas ausschalten, Geiseln befreien, soweit die Ziele der israelischen Armee. Sie beide zu erreichen, wird immer unwahrscheinlicher
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel, der den brutalsten Krieg auslöste, den Gaza je erlebt hat, betont Israels Armee, dass man in diesem Krieg zwei Ziele verfolgt: Erstens einen vernichtenden Schlag gegen die Hamas. Zweitens die Befreiung aller Geiseln.
Von Anbeginn war klar, dass diese beiden Ziele nur schwer zu vereinbaren sind, dass sie einander sogar widersprechen könnten. Um die Hamas zu besiegen, muss man sie militärisch vernichten. Um Geiseln zu befreien, muss man mit den Terroristen verhandeln. Im ersten Geisel-Deal, der Ende November abgeschlossen wurde, gelang das: 105 Menschen konnten aus der Gewalt der Hamas befreit werden.
Geiseln befreien? Israels Regierung verliert das Ziel aus den Augen
Nun scheint die Regierung unter Benjamin Netanjahu aber das zweite Ziel aus den Augen verloren zu haben. Auf tragische Weise zeigte sich das am vergangene Freitag, als die Armee im Norden Gazas drei Israelis, denen die Flucht aus der Geiselhaft gelungen war, niederschoss und tötete.
Es hätte mehrere Anzeichen gegeben, dass es sich nicht um Terroristen handelte: Die Israelis waren am Oberkörper unbekleidet, sie hielten die Arme hoch, zeigten eine weiße Fahne – und sie riefen auf Hebräisch: „Rettet uns!“. Dass all diese Hinweise ignoriert wurden, zeigt, dass die Armee erst gar nicht damit rechnet, auf Geiseln zu stoßen. Die Soldaten sind offenbar nicht darauf vorbereitet, ihren Einsatz auch auf das zweite Ziel dieser Operation auszurichten. Alles dient nur einem Ziel: die Hamas auszuschalten. Die Familien der Geiseln erinnern nun an das zweite Ziel dieser Mission. Die Regierung tut gut daran, ihnen zuzuhören.