Berlin. Der reduzierte Steuersatz bei Restaurantbesuchen läuft aus. Während die Branche vor den Folgen warnt, streitet die Ampel über Schuld.
Wieder 19 statt sieben Prozent Mehrwertsteuer: Die Ampel-Koalition hat sich nicht auf eine Verlängerung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Speisen im Restaurant einigen können. Über die Frage, wer die Verantwortung dafür trägt, ist nun Streit entbrannt. Zunächst hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) seine Partner in der Regierungskoalition dafür verantwortlich gemacht. „Wenn alle Parteien an einem Strang gezogen hätten, wäre eine weitere Verlängerung drin gewesen“, sagte Lindner der „Bild am Sonntag“. „SPD und Grüne hatten aber andere Prioritäten.“
Dem widersprachen zunächst die SPD und dann auch die Grünen. SPD-Chefin Saskia Esken legte am Montag im Gespräch mit dieser Redaktion nach, schoss insbesondere gegen Lindner zurück. „Es gehört zum Miteinander innerhalb einer Regierung und einer Koalition, dass man dieses Ergebnis gemeinsam vertritt und sich nicht gegenseitig die Schuld zuschiebt. Wenn Herr Lindner behauptet, dass es SPD und Grüne waren, die auf die Erhöhung drängten, dann ist es dies schlicht falsch.“
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Das Gegenteil sei der Fall. „Die Beibehaltung der niedrigeren Mehrwertsteuer wurde von der FDP kurz vor Schluss der Verhandlungen selbst zurückgezogen“, sagte Esken. Sie selbst habe sich „immer dafür eingesetzt, die reduzierte Mehrwertsteuer im Bereich der Gastronomie zu verstetigen und nicht nur kurzfristig zu verlängern.“
Gastronomie-Branche befürchtet Betriebsschließungen und Jobverlust
Die Ampelkoalition hatte in der Nacht zum Freitag beschlossen, den reduzierten Satz von sieben Prozent auf Speisen für die Gastronomie zum Jahresende auslaufen zu lassen. Ab 1. Januar 2024 gilt dann wieder der reguläre Satz von 19 Prozent auf Speisen in der Gastronomie. Die Mehrwertsteuersenkung war Mitte 2020 in den ersten Monaten der Corona-Pandemie eingeführt und wegen der Energiekrise bis Ende dieses Jahres verlängert worden.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus der Gastronomie-Branche hatten sich daraufhin enttäuscht gezeigt. In den sozialen Medien wurde Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Teil Lüge vorgeworfen, weil sich dieser in der Vergangenheit dafür ausgesprochen hatte, die reduzierte Mehrwertsteuer auch über 2023 hinaus beizubehalten. Innerhalb der Ampel ist eine Wiederaufnahme der Gespräche darüber jedoch nicht geplant: „Das ist vom Tisch“, hieß es aus Kreisen von FDP und SPD.
Die Gastronomie befürchtet nun Betriebsschließungen und Arbeitsplatzverlust. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) appellierte am Montag erneut an die Politik, nach alternativen Lösungen zu suchen. „Sich jetzt gegenseitig die Schuld für diese Fehlentscheidung zuzuschieben ist ganz sicher nicht zielführend!“, hieß es von Dehoga. Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hätte sich ein anderes Ergebnis gewünscht. „Wir haben uns für die Rückkehr zur regulären Mehrwertsteuer Ende 2024 ausgesprochen“, sagte NGG-Chef Guido Zeitler am Montag dieser Redaktion. So eine einjährige ‚Schonfrist‘ hätte vielen Betrieben, die in der Corona-Pandemie arg gebeutelt wurden, sehr geholfen.“
Mehrwertsteuer: Ökonomen halten Rückkehr zu 19 Prozent für richtig
Nun befürchtet der Gewerkschafter, dass wegen eines ganzen „Pakets von Belastungen“ viele Betriebe „enorm unter Druck geraten“ werden. Ökonomen hatten das Auslaufen der reduzierten Mehrwertsteuer in der Gastronomie allerdings unterstützt: „Die Pandemie ist lange vorbei, also sollte auch diese Krisenhilfe auslaufen. Menschen mit höheren Einkommen geben überproportional mehr Geld in der Gastronomie aus als Menschen mit geringeren Einkommen, also trifft die Steuererhöhung, soweit sie auf die Preise überwälzt wird, eher Haushalte mit höheren Einkommen“, sagte der Chef des Ifo-Instituts Clemens Fuest dieser Redaktion.
Wollte man die Gastronomie auf dem Land aus regionalpolitischen Gründen fördern, sollte man dafür regionalpolitische Instrumente verwenden – nicht die Mehrwertsteuer, die alle betrifft, so der Ökonom. Oliver Holtemöller, Konjunkturchef des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), äußerte sich ähnlich. Von der Subvention hätten auch Menschen mit hohen Einkommen profitiert, die sich den Restaurantbesuch auch zum normalen Mehrwertsteuersatz leisten könnten. „Angesichts der öffentlichen Kassenlage ist es notwendiger denn je, darauf zu achten, dass staatliche Fördermaßnahmen zielgenau wirken“, sagte Holtemöller.
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