Berlin. Scholz, Lindner, Habeck: Niemand aus der Koalition erklärt den Bürgern diese Krise. Besonders auffällig ist die Rolle des Kanzlers.
Die deutsche Politik steckt in einer tiefen Krise. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die Finanzplanung der Ampel-Regierung wie ein Kartenhaus zusammenstürzen lassen. Umgehend stellten sich nicht nur für die Regierung unzählige grundlegende Fragen, sondern auch für die Menschen im Land: Was bedeutet das für die Handlungsfähigkeit des Staates? Sind Arbeitsplätze in Gefahr? Bleibt das Versprechen, die Bürgerinnen und Bürger bei der klimafreundlichen Sanierung ihrer Häuser zu unterstützen?
Von den Regierenden gab es seit dem Urteil am Mittwoch der vergangenen Woche auf all diese Fragen kaum Auskünfte und schon gar keine klaren Antworten. Es ist nur menschlich, dass auch sie sich nach so einem Urteil einmal sortieren müssen. Es ist verständlich, dass selbst den Experten nicht alle Konsequenzen eines so unerwartet weitreichenden Urteils des obersten Gerichts sofort klar sind. So ein kompliziertes Thema wie die Haushaltspolitik des Bundes allgemein verständlich zu erläutern, ist schwierig. Es wäre aber dennoch die Aufgabe von BundeskanzlerOlaf Scholz gewesen.
Kanzler Scholz tauchte nach dem Urteil tagelang unter
Offenheit, nicht auf sofort auf alle Fragen eine Antwort zu haben, hätte den Kanzler nahbar gemacht. Stattdessen: tagelang nichts. Olaf Scholz tauchte nach dem Tag des Urteils erst einmal unter. Vizekanzler Robert Habeck gab zwar ein paar Interviews, fiel aber vor allem damit auf, dass er die Schuld an der Misere der Union gab. Finanzminister Christian Lindner schwieg, bis er sich am Donnerstag schließlich vor die Kameras stellte und eine 70 Sekunden lange Stellungnahme über das weitere Vorgehen abgab.
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Allerdings kam dem FDP-Chef das Wort Schuldenbremse dabei nicht über die Lippen. Als ob er sich schäme, ein unanständiges Wort laut auszusprechen. Dabei war das der Kern seiner Ankündigung und der erste Schritt der Bundesregierung aus der katastrophalen Lage hinaus: Lindner will einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr einbringen und so Ausgaben der Regierung in den regulären Etat überführen, die bisher aus Sondertöpfen flossen, die das Bundesverfassungsgericht so aber für verfassungswidrig erklärt hat. Dafür muss die Regierung die Schuldenbremse erneut aussetzen.
Olaf Scholz fehlen die Worte, um dieser Krise gerecht zu werden
Lindner ist immer als Verteidiger der Schuldenbremse ins Feld gezogen. Dass die Bundesregierung stattdessen auf die Finanzierung ihrer Vorhaben auf Nebenfonds setzte, geht auf die Aversion des Finanzministers gegen diese Sonderregel zurück. Dass diese aber so weit geht, dass auch Lindner es in dieser Krisensituation nicht hinbekommt, sein Handeln der Bevölkerung auch nur annähernd verständlich zu erläutern, ist eine Katastrophe für die Regierung. Politik machen ist eine Sache, Politik erklären eine andere. Gerade steht die Regierung vor einem doppelten Scheitern.
Diesen Eindruck verstärkte Scholz nun mit einem am Freitag im Internet veröffentlichten Kurzvideo. Fragen der Medien wie schon bei Lindners Auftritt waren nicht möglich. Blass und hölzern wirkt der Kanzler in dem knapp dreiminütigen Clip. Zwar spricht Scholz die Sorgen der Menschen an, geht aber kaum auf sie ein. Immerhin will Scholz am kommenden Dienstag eine Regierungserklärung im Bundestag zur aktuellen Lage abgeben. Also ganze zwei Wochen nach dem Haushaltsurteil. In vergangenen Krisensituationen hatten Scholz und seine Berater Umschreibungen wie „Bazooka“, „Doppelwumms“ oder „You’ll never walk alone” für sein Handeln gefunden. Gerade wirkt es, als fehlten dem Kanzler die Worte, um dieser Regierungskrise gerecht zu werden.
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