Berlin. Der klare Wahlsieg des Rechtspopulisten Wilders in den Niederlanden sollte CDU-Chef Merz dazu bewegen, seinen Politikstil zu ändern.
Für drei Viertel der Niederländer muss der Wahlabend ein Schock gewesen sein. Das Szenario, das doch niemals hätte eintreten dürfen, wird schlagartig Realität: In den ersten Prognosen am Mittwochabend schossen die Mandate von Geert Wilders‘ Partei PVV minütlich in die Höhe. Die Partei konnte die Anzahl der Sitze im Parlament mehr als verdoppeln, während die rechtsliberale Regierungspartei VVD abstürzte.
Einziger Hoffnungsschimmer ist das Mehrparteiensystem der Niederlande, das Wilders‘ Aussichten auf das Ministerpräsidentenamt trübt. Nach der Wahlschlappe wird sich die VVD wohl überlegen, ob sie mit einem Mann koalieren will, der keinen Hehl aus seinem Islamhass macht: Die von ihm geforderte „Kopflumpen-Steuer“ (Kopftuchsteuer), der Vergleich des Koran mit Hitlers „Mein Kampf“ oder die Forderung nach der Schließung von Moscheen sind nur einige Beispiele für das Gedankengut des Wahlgewinners.
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Andere Länder wie Italien haben einen ähnlichen Rechtsruck erlebt. Und Deutschland? Hierzulande ruhte man sich lange Zeit auf der Gewissheit aus, die Lehren aus der deutschen Geschichte würden eine ähnliche Entwicklung verhindern. Auf den AfD-Erfolg nach der Flüchtlingskrise reagierte die Große Koalition 2017 noch mit Ignoranz. Und in der auslaufenden Corona-Pandemie fehlte den Rechtspopulisten 2021 das Thema, um über den harten Kern ihrer Wählerschaft hinaus eine Mehrheit zu mobilisieren.
Niederlande: Ein böses Erwachen droht auch Deutschland
Heute ist die Situation eine ganz andere – die AfD liegt im Bundestrend auf Platz zwei, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg – wo bald Landtagswahlen anstehen – sogar auf Platz eins. Der Wahlerfolg des Rechtspopulisten Wilders muss ein Weckruf sein, um ein ähnlich böses Erwachen in Deutschland zu verhindern. Nicht die Wähler, sondern die von der AfD geschimpften Altparteien müssen aus den Kardinalfehlern der niederländischen Parteien lernen.
Mit Mark Rutte hatten die Niederlande einen Ministerpräsidenten, der in seiner 13-jährigen Amtszeit ausgerechnet an der Migrationsfrage gescheitert ist. Mit ungelösten Problemen schlitterte seine Partei in den Wahlkampf. Die neue VVD-Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz schloss eine mögliche Koalition mit der Wilders-Partei zumindest nicht mehr aus. Und der gab sich deutlich gemäßigt. Bei der Wahl bestätigte sich dann einmal mehr die Annahme, dass die Wählerinnen und Wähler lieber das Original wählen als die Kopie rechtsgerichteter Migrationspolitik.
Warum Friedrich Merz seine Schlüsse ziehen sollte
Die Parallelen zu Deutschland sind offensichtlich, gerade das konservative Lager sollte daraus seine Schlüsse ziehen. Die von Friedrich Merz kürzlich angezettelte Zahnarztdebatte war der größten Oppositionspartei im Bundestag nicht würdig. Die Migrationsfrage ist nicht mit platten Plattitüden zu lösen. Sie zahlen lediglich auf das Konto der AfD ein. Die Lehre aus der Niederlande-Wahl sollte also eine standhafte Abgrenzung zu Populisten jeglicher Couleur sein. Denn neben der AfD steigt mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ eine weitere Partei in den Wettbewerb um einfache Antworten ein.
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Angesichts der fatalen politischen Stimmung – gekrönt durch das Haushaltsdesaster der Ampel – muss die Union jetzt inhaltliche Schärfe beweisen und konstruktiv an der Gestaltung des Landes mitwirken. Es liegt an Merz, ob er dieser staatspolitischen Verantwortung gerecht wird und auch die Brandmauer zur AfD zweifelsfrei stehen lässt. Andernfalls kann auch in Deutschland bei den Bundestagswahlen 2025 eine Schockstarre drohen, wenn mit der AfD eine in Teilen rechtsextreme Partei die Mehrheit holt.