Die Töne in der Migrations-Debatte werden immer härter. Doch das Risiko für Kollateralschäden in Gesellschaft und Politik ist groß.
Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen zum Thema Asyl klingen, als sei der Lautstärke-Regler für politische Debatten kaputt. Da ist Christian Lindner, der die Leistungen für Asylbewerber im Zweifel gern „auf null“ senken würde. Der Kanzler auf dem Titelbild, das ganz viele Abschiebungen verspricht. Oder jüngst Jens Spahn, der von physischer Gewalt spricht, die dann an den Außengrenzen eben gegebenenfalls nötig sei.
Man fragt sich, ob er die Berichte kennt, nach denen griechische Grenzschützer Migranten misshandeln und dann zurück aufs Meer drängen. Oder vielleicht das Video, das zeigt, wie die griechische Küstenwache eine Gruppe von Menschen auf einem Floß in der Ägäis aussetzt, darunter ein damals sechs Monate altes Kind. Man fragt sich, ob es das ist, was ihm und anderen vorschwebt, wenn er von der Sicherheit der Grenzen spricht.
Die Reihe ließe sich fortsetzen. Immer härter, immer schärfer, immer lauter werden derzeit die Forderungen, wie mit Asylbewerbern umzugehen sei, immer losgelöster auch von dem, was sinnvoll oder juristisch machbar ist. Die rhetorische Eskalation in der Debatte um Migrationspolitik speist sich aus der Angst vor der steigenden Zustimmung zur AfD. Das macht sie verständlich, aber nicht besser.
Die wichtigsten Stellschrauben liegen außerhalb Berlins
Auch wenn die Debattenbeiträge der vergangenen Wochen anderes vermuten lassen: Die wichtigsten Stellschrauben dafür, wie viele Menschen nach Deutschland kommen, liegen außerhalb Berlins. Zum Teil in Brüssel, wo endlich eine Einigung auf eine faire Verteilung von Geflüchteten in der Union gefunden werden muss, zum Teil aber auch weit jenseits der europäischen Grenzen.
Die meisten Erstanträge auf Asyl stellen auch in diesem Jahr Menschen aus Syrien und Afghanistan. Es ist zynisch zu glauben, dass es die Aussicht auf Leistungen in Höhe des Bürgergeldsatzes nach 18 Monaten ist, wegen der sie sich auf den Weg gemacht haben. Es ist illusorisch zu glauben, dass die Erwartung, stattdessen länger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu bekommen, sie davon abhalten würde.
Was die Bundesregierung bisher beschlossen hat, worauf sich Kanzler und Ministerpräsidenten am Montag möglicherweise einigen, hat das Potenzial, die Lage in den Kommunen zu verbessern, mehr Spielräume zu eröffnen. Aber dass damit in kurzer Zeit die Zahl der Ankommenden drastisch sinkt, damit ist nicht zu rechnen.
Das Problem entzieht sich einfachen Lösungen
Und was werden die Lautsprecher der vergangenen Wochen tun, wenn genau das ausbleibt? Wenn klar wird, dass das Thema sich einfachen Lösungen entzieht? Werden sie dann weiter an der Eskalationsschraube drehen? Was macht sie so sicher, dass die Diskrepanz zwischen dem, was da mindestens implizit versprochen wird, und dem, was machbar ist, nicht für noch mehr Politikverdrossenheit sorgt und mehr Menschen der AfD zutreibt?
Und ob die, die sich hier in Härte überbieten wollen, wohl für eine Sekunde darüber nachdenken, wie all das klingt in den Ohren derjenigen, denen Deutschland bereits Schutz gewährt? Sie sollen hier eine neue Heimat finden, Teil dieser Gesellschaft werden – während die lauteste Botschaft, die gerade an sie herangetragen wird, die ist, dass sie eigentlich eine Belastung und ungewollt seien.
Das deutsche Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention, nach der ein großer Teil der Antragstellenden in Deutschland Schutz erhält, stammen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie sind die Lektion aus härtesten Zeiten. Man sollte sie nicht zur Disposition stellen, wenn die Zeiten erneut härter werden.
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