Berlin. Die Fraktion der Linken hat ihre eigene Auflösung beschlossen. Was das für Abgeordnete und Mitarbeiter heißt und was danach kommt.
Das Ende hat jetzt einen Termin. Am 6. Dezember wird sich die Linksfraktion auflösen, nach 18 Jahren Fraktionsgeschichte im Bundestag. Es ist das Ergebnis einer zermürbenden, jahrelang ausgetragenen internen Spaltung.
Die Abgeordneten werden ihre Mandate behalten, doch für die Linke im Bundestag wird sich jetzt vieles ändern. „Natürlich ist es auch für mich eine Niederlage“, sagte der Noch-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch am Dienstag. Doch das Ende der Linksfraktion sei auch eine Chance für einen Neustart, mit weniger Streit und mehr Geschlossenheit. „Diese Chance gilt es entschlossen wahrzunehmen.“
Was wurde beschlossen?
Anfang Dezember soll die Linksfraktion, die seit 2005 Teil des Bundestags ist, aufgelöst werden. Das haben die Abgeordneten am Dienstagnachmittag in der Fraktionssitzung beschlossen. Die Nachricht nach außen überbrachte Dietmar Bartsch, der seit 2015 an der Spitze der Linksfraktion steht.
Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte des Bundestags, dass eine Fraktion aufgelöst wird, zuletzt wurde etwa nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag 2013 die liberale Fraktion liquidiert. Dass dieser Prozess während einer laufenden Wahlperiode passiert, ist allerdings neu.
Hintergrund ist der Parteiaustritt von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Bundestagsabgeordneten, die mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ fortan an einem eigenen politischen Projekt arbeiten. An ihrem Angebot, noch vorübergehend Teil der Linksfraktion zu bleiben und so den Fraktionsstatus noch ein bisschen länger zu erhalten, hatte der Rest der Fraktion kein Interesse. Die Linke fällt damit unter die Schwelle von 37 Abgeordneten, die für einen Fraktionsstatus nötig ist.
Wie lange es dauern wird, bis die Liquidation der Linksfraktion abgewickelt ist, ist unklar. Die Verfahren sind zeitlich nicht begrenzt. Das Liquidationsverfahren der FDP von 2013 war noch nicht abgeschlossen, als 2017 eine neue Fraktion in den Bundestag einzog. Man werde alles unternehmen, damit der Prozess möglichst schnell geschieht, sagte Bartsch.
Was kommt nach der Linksfraktion?
Sehr wahrscheinlich: eine parlamentarische Gruppe. Zu einer solchen können sich Abgeordnete zusammenschließen, wenn sie nicht genügend Leute für eine Fraktion sind.
Damit verbunden sind mehr Rechte, als sie fraktionslose Abgeordnete haben, aber weniger als eine Fraktion. So hatten Gruppen in der Vergangenheit weniger finanzielle Mittel zur Verfügung und auch weniger Redezeit. Bisherige Gruppen konnten auch keine namentlichen Abstimmungen verlangen oder beantragen oder ein Regierungsmitglied herbeirufen.
Die Linke hat mit diesem Status Erfahrung, die PDS als Vorgängerpartei hatte schon in den 1990er Jahren in Karlsruhe einige parlamentarische Rechte bisheriger Gruppen erstritten.
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Auch eine parlamentarische Gruppe könne politisch viel bewirken, sagte Bartsch. Insbesondere, wenn sie geschlossener agiert, als das zuletzt bei der Linken als Fraktion der Fall war. „Lieber einig mit 28 als zerstritten mit 38“, so der bisherige Fraktionschef.
Wie lange es dauert, bis es eine mögliche linke Gruppe gibt, ist offen. Auch, weil es nicht die Linke selbst ist, die über den Status als Gruppe entscheidet. Diese Aufgabe liegt beim Parlament als Ganzes. Und der Bundestag entscheidet auch, welche Rechte diese Gruppe dann haben soll.
Theoretisch möglich ist auch, dass die verbliebenen Linken-Abgeordneten mehrere Gruppen bilden.
Was passiert mit den Mitarbeitern der Linksfraktion?
Für die 108 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Linksfraktion derzeit noch beschäftigt, enden mit der Liquidation ihre Arbeitsverhältnisse. Sollte die Linke als Gruppe anerkannt werden, wird ein Teil von ihnen dort wohl wieder angestellt werden können – falls sie nicht in der Zwischenzeit andere Jobs angenommen haben. Bartsch betonte am Dienstag, wie wichtig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die parlamentarische Arbeit seien. Man werde denjenigen, „die sehr dringlich gebraucht werden“, das auch signalisieren, erklärte er.
Welche weiteren Folgen hat die Auflösung der Linksfraktion?
Der einzige Ausschuss, in dem die Linke bisher den Vorsitz führt, muss sich wohl nach einem Vorsitzenden umsehen: Es ist der Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie, den bisher der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst leitet.
Ausschussvorsitzender kann aber nach Angaben der Bundestagsverwaltung nur ein ordentliches Mitglied des Ausschusses sein – ein solches wiederum können aber fraktionslose Abgeordnete nicht werden, sie können nur als beratende Mitglieder ohne Stimmrecht in Ausschüssen arbeiten. Wer dauerhaft Nachfolger von Ernst an der Spitze des Gremiums wird, ist offen. Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, hatte schon signalisiert, dass der Posten seiner Ansicht nach weiter von einer Oppositionspartei besetzt werden sollte.
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau dagegen darf ihren Posten wohl behalten – sie ist für die gesamte Legislatur gewählt.
Was ist mit Wagenknecht und ihren Unterstützern?
Auch diese haben die Möglichkeit, sich um den Status einer Gruppe zu bemühen. Ob das geschehen wird und wer an ihrer Spitze stünde, ist unklar. Wagenknecht selbst hatte zuletzt erklärt, nicht an der Spitze der neu zu gründenden Partei stehen zu wollen.
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