Erfurt. Der frühere Verfassungsschutzchef hat in Thüringen eine Plattform für seine Ambitionen gefunden. Dennoch will er weiter die CDU nerven.
Ende Oktober, unweit der thüringischen Staatskanzlei in Erfurt: Der einstige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz steht auf der Bühne eines Varieté-Theaters. Hans-Georg Maaßen trägt einen dunklen, dreiteiligen Anzug. Die Nickelbrille sitzt fest auf der Nase, während er mit Grabesstimme sagt: „Rund 34 Jahre nach dem Mauerfall teilt eine neue Mauer Deutschland.“ Es sei eine Mauer zwischen jenen, die sich auf der richtigen Seiten wähnten – und Menschen wie ihm: „Diejenigen, die auf der falschen Seite stehen, sind rechts, sind Rechtsextremisten, sind Nazis.“
Dabei sei es eigentlich andersherum, ruft Maaßen. Jene auf der angeblich richtigen Seite, das seien die Anhänger einer „totalitären Gesellschaftsform“ – während sich Leute wie er dafür einsetzten, „dass wir in Frieden, in Freiheit und Gerechtigkeit leben“. Es ist ein typischer Maaßen: Seinen Gegnern Spaltung vorzuwerfen, um sie selbst zu betreiben. Die gut 100 Menschen im Theater klatschen laut.
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Des Weiteren treten im Theater auf: die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, die über die Grünen an den rechten Rand der CDU fand. Die einst liberale Landtagsabgeordnete Ute Bergner, die später die Kleinpartei „Bürger für Thüringen“ gründete. Der im Streit gegangenen Ex-Chef der Landespartei der Freien Wähler, der nun einfach einen gleichnamigen Verein vertritt. Und der Landesvorsitzende der Partei „Die Basis“, die der Querdenker-Bewegung nahesteht.
Mehrheit würde nur mit der AfD funktionieren
Sie wollen ein Bündnis bilden, um zur Landtagswahl im September 2024 die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen und, wie Maaßen es formuliert, eine „Politikwende“ zu erzwingen. Es gehe um „einen bürgerlichen Neuanfang ohne Grün, ohne Rot und ohne Tiefrot“. Was er nicht sagt, aber jeder weiß, der rechnen kann: Eine Mehrheit gegen Linke, SPD und Grüne würde nur mit der AfD funktionieren. Da das Wahlgesetz gemeinsame Listen verbietet, sollen die „Bürger für Thüringen“ ihre Liste für die anderen öffnen.
Maaßen allerdings plant nicht, für den Landtag zu kandidieren. Zwar ist hinter ihm das Banner seines rechtskonservativen Vereins „Werteunion“ aufgebaut. Aber offiziell will er nicht Teil des Bündnisses sein. Er benutzt es nur als zusätzliches politisches Vehikel. Denn Maaßen möchte der Partei, der er seit 1978 angehört, unbedingt weiter angehören. Sie bleibt seine effizienteste Plattform. Nur die Rolle des CDU-Rebellen von rechts garantiert ihm Aufmerksamkeit.
Fünf Jahre ist es her, dass Maaßen von der Spitze des Inlandsnachrichtendienstes abgelöst wurde. Er hatte, unter anderem, die rechtsextremistischen Ausschreitungen in Chemnitz relativiert. Auch eine Nähe zur AfD wurde ihm vorgeworfen. Die damalige Kränkung treibt ihn bis heute an. 2021 ließ er sich von einigen aufmüpfigen Kreisverbänden in Südthüringen zum Direktkandidaten für den Bundestag nominieren, verlor aber klar gegen den SPD-Mitbewerber. Im Januar 2023 übernahm er den Vorsitz der „Werteunion“.
Das Gerede von einem „Putsch“ in Thüringen
Seine Rhetorik wurde mit den Jahren immer extremer. Erst sann er laut über die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach. Dann feierte er die Wahl des Thüringer FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich durch die AfD als „Riesenerfolg“ und bezeichnete dessen Rücktritt als „Putsch“. Schließlich behauptet er, Politik und Medien betrieben „einen eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“. Es gebe gar eine „grün-rote Rassenlehre“.
Daraufhin leitete der CDU-Bundesvorstand Anfang dieses Jahres ein Ausschlussverfahren ein. Da Maaßen seit 2021 Mitglied im Kreisverband Schmalkalden-Meiningen ist, war das gemeinsame Kreisgericht in Thüringen zuständig, wo Maaßen jedoch mit einem Verweis davonkam. Nun geht der Bundesvorstand in die nächste Instanz. Maaßen habe „durch sein Verhalten der Partei schweren Schaden zugefügt“ und dies „in eklatanter Weise“ fortgesetzt, sagte Generalsekretär Carsten Linnemann diese Woche.
Zuständig ist das Landesschiedsgericht der Thüringer CDU. Mit einer Prognose dazu, wie das Verfahren ausgeht, lässt sich in der Partei niemand zitieren. Einerseits, heißt es intern, wirke der bisherige De-facto-Freispruch für Maaßen sauber durchargumentiert. Andererseits liefere der Ex-Verfassungsschutzpräsident ja immer neue Angriffspunkte.
Maaßen: „Eine neue politische Kraft“
Gemeint sind damit seine Auftritte für das Kleinparteien-Bündnis in Thüringen, aber auch seine indirekte Ankündigung einer neuen Partei. In der „Neuen Zürcher Zeitung“ forderte er jedenfalls jüngst eine „bürgerliche Antwort auf die Frage, wer die Repräsentationslücke zwischen der vergrünten CDU und der AfD“ fülle. „Wenn die Merz-Merkel-CDU diese Lücke nicht füllen will, dann wird dies eine neue politische Kraft tun.“ Selbst der Kreisverband, der Maaßen für den Bundestag nominierte, distanzierte sich von diesen Aussagen.
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Doch vorerst bleibt der Rebell seiner CDU erhalten. Zuletzt hatte er einen denkwürdigen Auftritt in einem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags, der sich mit der Gefahr des politischen Radikalismus beschäftigt. Die AfD hatte den einst obersten Verfassungsschützer der Republik als Zeugen geladen – der nur zu gerne die Gelegenheit nutzte, den linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow als Linksextremisten zu klassifizieren.
Die Anhörung wurde daraufhin mit Stimmen der rot-rot-grünen Minderheitskoalition abgebrochen. Die CDU, der Hans-Georg Maaßen immer noch angehört, sorgte per Enthaltung für eine Mehrheit.
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