Berlin. Ob Bahnkunden weiterhin für 49 Euro den gesamten Nahverkehr nutzen können, ist unklar. Am Montag müssen sich Bund und Länder einigen.
Kurz vor dem Treffen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Länder-Regierungschefs an diesem Montag haben einflussreiche Verbände eine Einigung zur weiteren Finanzierung des Deutschlandtickets angemahnt. Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, sagte dieser Redaktion: „Das Deutschlandticket muss bleiben und die Menschen brauchen endlich auch Planungssicherheit.“ Die Zahlen zeigten deutlich, dass das Ticket ein Erfolg sei. Etwa acht Prozent der Nutzerinnen und Nutzer hätten zuvor gar keinen öffentlichen Nahverkehr genutzt und die Hälfte der Kunden habe erstmalig ein Abo abgeschlossen, betonte die SoVD-Chefin.
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn verlangte Beschlüsse zum Deutschlandticket. Der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann sagte am Sonntag dieser Redaktion: „Man wird sich einigen müssen. Man kann das nicht zurücknehmen.“ Die Erwartungshaltung der Nutzer sei groß, insbesondere in den Ballungsräumen. Notwendig sei aber eigentlich ein Gesamtkonzept, betonte Naumann. Mit einem bundesweit gültigen Ticket allein ließen sich die Probleme im Nahverkehr nicht lösen. Ein billiges, hoch subventioniertes Angebot nütze wenig, wenn es weiterhin an Investitionen ins System mangele.
49-Euro-Ticket: Ab dem kommenden Jahr ist die Finanzierung nicht mehr gesichert
Die künftige Finanzierung des Deutschlandtickets wird am Montag einer der Schwerpunkte der Bund-Länder-Gespräche im Kanzleramt sein – neben der Asylpolitik und der Planungsbeschleunigung. Bund und Länder streiten seit geraumer Zeit über die Frage, wie absehbare Finanzierungslücken beim Ticket geschlossen werden können. Bislang weigert sich der Bund, einen Anteil an künftigen Mehrkosten zu übernehmen.
Mit dem Deutschlandticket können Verbraucher seit Anfang Mai für 49 Euro im Monat bundesweit den gesamten Nah- und Regionalverkehr nutzen. Das Ticket wird als monatlich kündbares Abo vertrieben. Bund und Länder stellen dafür bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden pro Jahr Euro zur Verfügung, um Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen auszugleichen.
Die Branche rechnet aber damit, dass das Geld nicht reichen wird. Im laufenden Jahr wollen Bund und Länder für etwaige Mehrkosten jeweils hälftig aufkommen. Für die Zeit ab 2024 gibt es dazu aber noch keine Absprache. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) weist sämtliche Forderungen der Länder zurück und verweist darauf, dass diese eigentlich für den öffentlichen Nahverkehr zuständig seien. Zudem verlangt Wissing von den Ländern, den Nahverkehr besser zu organisieren – etwa durch die Zusammenlegung von Verkehrsverbünden. Die Erwartung ist, dass die Bund-Länder-Runde bei Kanzler Scholz am Montag den Streit ums Geld löst.
Niedersachsens Regierungschefs Stephan Weil, der die Arbeit der SPD-geführten Länder in der Ministerpräsidentenkonferenz koordiniert, zeigte sich am Wochenende optimistisch, dass dies gelingen könnte. „Für 2024 müssten wir eine Einigung hinbekommen. Hier würde es reichen, die übrig gebliebenen Gelder in das nächste Jahr hinein zu transferieren“, sagte Weil der Deutschen Presse-Agentur.
Laut einer Finanzierungsprognose der Verkehrsunternehmen dürften die Verluste in diesem Jahr wegen der Einführung des Tickets erst im Mai bei 2,3 Milliarden Euro liegen, für das ganze Jahr 2024 bei 4,1 Milliarden Euro. Bei insgesamt sechs Milliarden Euro öffentlicher Zuschüsse für 2023 und 2024 ergäbe sich demnach unter dem Strich eine Lücke von 400 Millionen Euro. Für die Jahre ab 2025 erwartet Weil das Signal, dass sich Bund und Länder die Mehrkosten beim Deutschlandticket auch künftig je zur Hälfte teilen.
Deutschlandticket: Preiserhöhung könnte Nachfrage empfindlich dämpfen
Kommt es zu keiner Einigung, könnte dem Deutschlandticket im schlimmsten Fall schon wieder das Aus drohen. Im Gespräch ist auch eine Preiserhöhung, die aber negative Auswirkungen auf die Nachfrage haben dürfte. Bislang wurden mehr als elf Millionen Deutschlandticket-Abos verkauft. Bei dem Beschluss von Bund und Ländern zur Einführung des Deutschlandtickets vor einem Jahr war ausdrücklich von einem „Einführungspreis“ die Rede.
Sozialverbands-Chefin Engelmeier warnte davor, den Preis zu erhöhen. Sie sagte dieser Redaktion: „Es wäre der völlig falsche Ansatz, das Ticket nun teurer zu machen – im Gegenteil, wir brauchen auch ein vergünstigtes Deutschlandticket für Personengruppen, die sich Mobilität sonst nicht leisten können. Dann werden die Verkaufszahlen auch weiter steigen.“ Zudem müsse in den Ausbau des Verkehrsangebots investiert werden. Pro-Bahn-Vertreter Naumann sagte, sein Verband halte eine Preiserhöhung unter Umständen für vertretbar. „Bei 59 Euro würden wir nichts sagen.“
Viele Nutzer würden eine Preiserhöhung aber nicht mitmachen, wie eine Umfrage des Yougov-Instituts im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Demnach ist für mehr als ein Drittel der Deutschlandticket-Inhaber und -Interessenten (37 Prozent) der derzeitige Preis von 49 Euro pro Monat die Grenze. Sie würden das Abonnement kündigen beziehungsweise nicht weiter in Erwägung ziehen, sollte es eines Tages teurer werden. 23 Prozent würden bei einer Erhöhung um zehn auf 59 Euro noch mitgehen, ab dann aber ebenfalls aussteigen. Immerhin fast jeder dritte Abonnent oder Interessent würde auch ein noch teureres Ticket behalten oder kaufen.
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