Berlin. Luisa Neubauer distanziert sich von Greta Thunberg und den antisemitischen Parolen der internationalen Bewegung. Doch das reicht nicht.
Was für eine wunderbare Bewegung war das, als ganze Schulklassen vor Ausbruch der Corona-Pandemie auf die Straße gingen, um für Klimaschutz und eine lebenswerte Zukunft zu demonstrieren. Greta Thunberg, die internationale Protagonistin von Fridays for Future (FFF), sprach auf den Podien dieser Welt, segelte öffentlichkeitswirksam zehn Wochen lang quer über den Atlantik zum Klimagipfel nach New York, sie sprach auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Die Wut und die Emotionen einer ganzen Generation lagen in ihren Reden. „Our house is on fire“ (Unser Haus brennt) rief sie den Größen aus Wirtschaft und Politik zu. Und ihr „How dare you“ (Wie könnt ihr es wagen) wurde sozusagen zum Schlachtruf der Bewegung.
Das deutsche Sprachrohr von Fridays for Future ist Luisa Neubauer. Sie ist mit der Greta-Thunberg-Welle in die Öffentlichkeit gespült worden. Und wie Thunberg polarisiert sie mit ihrer klaren Haltung zum Klimaschutz. Als Anfang des Jahres Tausende gegen die Räumung des Tagebaus Lützerath im rheinischen Braunkohlegebiet demonstrierten, mischte sich Luisa Neubauer – übrigens gemeinsam mit Greta Thunberg – auch unter die radikalen Gruppen.
Luisa Neubauer: Ich habe durch meine klare Haltung zu Israel Freundschaften verloren
Doch mit dem 7. Oktober, als die radikal-islamische Hamas Israel überfiel, 1400 Menschen – Frauen, Männer und Kinder – brutal ermordete, mehr als 200 Geiseln nahm, wird eine andere Strömung innerhalb der internationalen Klimaschutzbewegung offenbar: Vordergründig ist es der Kampf gegen den Kolonialismus und damit der Schutz der indigenen Bevölkerung, die ja vor allem unter der Erderhitzung zu leiden hat. Kolonialismus wirft Fridays for Future International auch Israel vor. Und so protestieren Anhänger der Bewegung für die Menschen in Gaza, werfen Israel „Genozid“ und ein Apartheid-System vor, ohne überhaupt an die massakrierten Opfer in den Kibbuzen zu erinnern. Das ist nicht nur eine Relativierung des Terrors, sondern auch eine massive Verharmlosung. Die Marke Fridays for Future jedenfalls ist zerstört.
Luisa Neubauer ist klug genug, sich davon zu distanzieren – und sie wird nicht müde in diesen Tagen, das Existenzrecht Israels zu betonen und den Terroranschlag der Hamas zu verurteilen. In einem Interview erklärt sie, wie sie auch innerhalb der Bewegung Freundschaften verloren habe – und dass sie von Greta Thunberg enttäuscht sei. Neubauer gibt sich nachdenklich, wohlüberlegt. Sie zeigt, dass sie weit davon entfernt ist, in die Falle des Kolonialismus-Vorwurfs zu tappen.
Doch wer kann schon auseinanderhalten, was eine deutsche Sektion sagt – und was internationale Gruppen teilen? Wie will Fridays for Future Deutschland verhindern, dass sich auch künftig Leute wie der Antisemit Hasan Ö. einschleichen, die im Namen von FFF Hass-Posts gegen Israel verschicken – und mit dem Klimaschutz gar nichts zu tun haben? Dass unter dem Dach von Fridays for Future der Hamas-Terror verharmlost wird?
Die Bewegung darf nicht in antisemitischen Querelen zerfasern
Gemeinsam mit Greta Thunberg wird Luisa Neubauer derzeit kaum auftreten können – und wahrscheinlich auch nicht wollen. Doch das reicht nicht. Die deutsche Sektion von Fridays for Future braucht einen Neuanfang, wenn sie wie vor der Pandemie wieder eine ganze Generation begeistern will – und so (wieder) in der Lage ist, Politik und Gesellschaft in die Pflicht zu nehmen. Ohne einen neuen Namen wird das nicht gehen.
Luisa Neubauer ist das Gesicht der Klimabewegung. Sie und ihre Anhänger müssen zeigen, dass sie es ernst meinen. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass die Bewegung in extremistischen und antisemitischen Querelen zerfasert – und schließlich untergeht. Im Sinne des Klimaschutzes hierzulande wäre das nicht.