Berlin. Hasan Ö. verbreitet seine Ansichten über den Account von Fridays for Future International. Der deutsche Ableger hat ihn hinausgeworfen.
Wenn Hasan Ö. sich mal wieder „durchgeboxt“ hat, liest Greta Thunberg mit. Ö., ein junger Mann aus Mainz, ist offenbar einer der wenigen Menschen, die mitbestimmen, was auf dem internationalen Instagram-Account „Fridaysforfuture“ für Beiträge erscheinen. Vergangene Woche war es wohl Ö., der dafür sorgte, dass dort ein längerer Post veröffentlicht wurde, der vom Hass auf Israel durchtränkt war. Gelesen von Hunderttausenden jungen Menschen. Ö. feierte sich dafür. „Durchgeboxt“ habe er den Beitrag, schrieb er auf seinem Privataccount auf X (ehemals Twitter) anschließend. Er sei „so froh, dass es geklappt hat“.
Sich durchboxen, ohne Rücksicht auf Meinungen anderer agieren, das scheint Methode zu haben bei Hasan Ö.. Dem britisch-deutschen Autoren Nicholas Potter („Judenhass Underground“) ist der Name bekannt. Bereits im August hatte Potter, der als Experte für Antisemitismus und Rechtsextremismus auch für die Amadeu Antonio Stiftung tätig ist, auf das Wirken von Ö. innerhalb der Klimaschutzbewegung hingewiesen.
Fridays for Future: Was hinter den Kulissen der Gruppe geschieht
Für die Jüdische Allgemeine hatte Potter berichtet, wie Ö. hinter den Kulissen nun schon seit knapp zwei Jahren immer wieder darauf drängt, israelfeindliche – oder auch Terroristen verharmlosende – Beiträge auf den Social-Media-Kanälen zu veröffentlichen.
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Geplant und vorbereitet werden die Beiträge laut Potter in einer kleinen Telegram-Gruppe, in der nur rund 50 Menschen Mitglied sein sollen. Diese Gruppe handelt komplett losgelöst von Greta Thunberg, wie Potter unserer Redaktion erklärt – auch wenn sie den Accounts in den sozialen Medien wiederum folgt. Er habe auch keine Hinweise darauf, dass Ö. und Thunberg sich persönlich kennen.
Von den etwa 50 Mitgliedern in der Gruppe sind es noch einmal deutlich weniger, die sich wirklich aktiv einbringen und auch an Diskussionen beteiligen. Einer von ihnen ist Ö., der den Schilderungen zufolge nicht davor zurückschreckt, besonders rigoros und rücksichtslos für seine Sache zu argumentieren. Im Chaos, das in der Gruppe herrschen soll, soll er sich so immer wieder durchgesetzt haben.
Intern fällt Ö. aber wohl nicht nur durch seine antisemitischen Haltungen auf, sondern auch durch seine ausgeprägte Abneigung gegenüber dem deutschen Ableger von Fridays for Future. Auch das hat Gründe. Noch im vergangenen Jahr trat Ö. als Pressesprecher der Bewegung in Mainz auf und engagierte sich auch auf Bundesebene, doch im Gegensatz zur internationalen Bewegung wurden Ö. in Deutschland Grenzen aufgezeigt. Dies geschah offenbar nicht nur wegen seiner Haltung gegenüber Israel, sondern auch aufgrund seines Verhaltens gegenüber anderen Mitgliedern der Bewegung.
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Nach interner Kritik an einem antisemitischen Post, der über den Twitter-Account „Fridays for Future International“ verbreitet worden war, habe Ö. einen Berliner Aktivisten als „kleines rassistisches Stück Scheiße“ beschimpft, berichtete Potter für die Jüdische Allgemeine. Offenbar nur ein Beispiel für das Verhalten des jungen Mannes aus Rheinland-Pfalz und kein Einzelfall.
Hasan Ö.: Rauswurf bei Fridays for Future Deutschland
In diesem Jahr war für Ö. schließlich Schuss bei Fridays for Future Deutschland und kurz darauf auch beim lokalen Ableger in Mainz. Er wurde hinausgeworfen. Mehr dazu berichtete jüngst der Tagesspiegel. Der Ausschluss sei von einem Awareness-Team wie folgt begründet worden: „In Anbetracht der zahlreichen Beschwerden gegen dein Verhalten in den FFF-Chatgruppen und der Verwarnung, die wir bereits gegen dich aussprechen mussten, haben wir uns für einen dauerhaften Ausschluss entschieden.“ Zudem, heißt es weiter in dem Bericht, sei Ö. auch bei lokalen linken Gruppierungen in Mainz inzwischen Persona non grata. Das Kulturzentrum „Haus Mainusch“ habe ihm Hausverbot erteilt, weil Ö. Menschen pauschal als „Rassisten“ denunziere, die nicht seine antisemitischen Ansichten zu Israel teilten, berichtete der Tagesspiegel.
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Auf X wehrt sich Ö. gegen die Vorwürfe gegen ihn. Dort inszeniert er sich als angebliches Opfer von Rassismus, da er selbst ein „junger migrantischer Aktivist“ sei. Über seine genaue Migrationsgeschichte und Nationalität und ob diese mit dem Nahost-Konflikt in Verbindung steht, ist jedoch nichts bekannt.
In der Vergangenheit hatt Ö. bereits ähnlich argumentiert. Gegenüber der Jüdischen Allgemeinen sprach er sogar von „rassistischem Mobbing“, das er bei Fridays for Future Deutschland erlebt habe.
Luisa Neubauer in Erklärungsnot: „Ohne Absprache“
Obwohl es zwischen Ö. und Fridays for Future Deutschland längst zum Bruch gekommen ist, bringen die Umtriebe des Mainzers die deutschen Aktivisten nach wie vor in Erklärungsnot. Nach dem antisemitischen Beitrag, den Ö. für sich reklamierte und der Israel unter anderem ethnische Säuberungen vorwarf, hat sich das deutsche Gesicht der Bewegung, Luisa Neubauer, in einem Zeit-Interview zu den jüngsten Vorfällen geäußert. „Hätte ich absehen können, dass auf dem internationalen Account von Fridays for Future solche Statements geteilt werden, ohne Absprache, ohne Faktencheck, dann hätten wir uns schon im Vorfeld klarer verortet“, so Neubauer.
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In Deutschland habe die Gruppe vor anderthalb Jahren angefangen, Antisemitismus-Workshops zu geben und sich aktiv gegen Antisemitismus einzusetzen, doch international gebe es keine formelle Struktur, sondern „nur ein loses Netzwerk an Telegram-Gruppen, in die alle reinkönnen“, erklärt Neubauer. „In diesem Netzwerk ist es aber fast unmöglich, strukturierte und repräsentative Entscheidungen zu treffen.“ Und unter denen, die sich nun in den internationalen Gruppen austauschen würden, seien auch Menschen, die auf nationaler Ebene ausgeschlossen wurden „wegen Hass, Hetze und Antisemitismus“.
Luisa Neubauer enttäuscht von Greta Thunberg
Ob es nun zum Bruch mit der internationalen Klimabewegung kommt, lässt Neubauer offen. Man werde nun überprüfen, „ob es aktuell ein geteiltes Wertefundament gibt, mit dem man noch arbeiten kann“.
Keinen Hehl macht die deutsche Klimaaktivistin aus ihrer Enttäuschung gegenüber Greta Thunberg, die gleichsam klare Bekenntnisse gegen Antisemitismus vermissen lässt – und bereits selbst durch fragwürdige Postings im Internet auffiel.
Auch Potter betont im Gespräch mit unserer Redaktion, dass Fridays for Future in Deutschland „viel konsequenter und glaubhafter gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen vorgegangen ist als die Bewegung in vielen anderen Ländern.“ Aber er weist darauf hin, dass Ö. in Deutschland Verbündete in der Klimabewegung hat, die ein ähnlich israelfeindliches Weltbild haben – „auch wenn sein Verhalten als besonders aggressiv und ideologisch verfestigt heraussticht.“