Brüssel. Wann wird die Ukraine EU-Mitglied? Der EU-Gipfel in Granada bringt eine ernüchternde Erkenntnis. Das sollte Konsequenzen haben.
Verspricht die EU der Ukraine zu viel? Schon kurz nach dem russischen Angriff erhielt das Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten, im Dezember dürfte der Start der Verhandlungen beschlossen werden. 2030, so stellte Ratspräsident Michel kürzlich in Aussicht, könnte die Ukraine EU-Mitglied sein. Oder doch nicht? Beim EU-Gipfel in Granada klang es plötzlich anders: Viele Regierungschefs traten auf die Bremse, wollten von Zeitplänen nichts wissen. Tatsächlich wäre es ein Wunder, wenn das Land in wenigen Jahren die politischen, rechtsstaatlichen und wirtschaftlichen Bedingungen für den Beitritt erfüllt.
Die Europäische Union andererseits ist vorerst gar nicht in der Lage, neue Mitglieder aufzunehmen: Mit einer Erweiterung ohne vorherige Reformen im Innern, bei den Entscheidungswegen und ihren Fördersystemen, würde das vereinte Europa handlungsunfähig und finanziell überfordert. Die Gipfel-Debatte lässt ahnen: Solche Änderungen in Brüssel durchzusetzen, wird ein Kraftakt. Es geht ans Eingemachte. Völlig offen, wie etwa eine Agrarreform aussehen könnte – eine, die die Interessen der Landwirte in der EU wahrt, auch wenn die Kornkammer Ukraine mit gewaltigen Subventionsansprüchen hinzukommt.
Kiew und Brüssel werden also viel Zeit brauchen. Umso wichtiger, beizeiten Zwischenlösungen in den Blick zu nehmen, die der Ukraine dauerhafte Unterstützung garantieren, ohne die EU zu überlasten: Eine Teilmitgliedschaft, der Zugang zum Binnenmarkt auch ohne volle Teilhabe kann für eine längere Übergangsphase ein gangbarer Weg sein. Die EU sollte diese Lösung offensiver vertreten. Je länger sie zögert, desto größer wird später in der Ukraine die Enttäuschung.