Berlin. Das 14-Punkte-Paket bringt Verbesserungen, doch sie werden nicht reichen. Die Regierung muss nun die Reaktion der Menschen fürchten.
Der Wohnungsmarkt befindet sich in einer Dauerkrise. Vor allem bezahlbares Wohnen wird für immer mehr Menschen zu einem Problem. Ob Studenten, Azubis, Berufstätige oder junge Familien – selbst aus der Mittelschicht können sich immer weniger Bürgerinnen und Bürger die hohen Mieten oder Eigentum in Großstädten leisten. Verschärft wird dies noch durch die Inflation, die hohen Zinsen und Materialkosten.
Die Bundesregierung ist mit dem Ziel angetreten, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu schaffen. Doch von dieser Zielmarke ist sie weit entfernt und trotz eines extra dafür geschaffenen Wohnungsbauministeriums schon jetzt an dieser Agenda gescheitert. Es fehlen ein großes Milliarden-Investitionsprogramm und neue Ideen, um dem Markt wirkungsvoll und mit "Wumms" den notwendigen Aufschwung zu verpassen.
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Auch der Baugipfel im Kanzleramt wird wohl nicht die durchschlagende Kraft entfalten, um eine Trendwende einzuleiten. Die 14 Punkte bewirken zwar Verbesserungen im Detail wie Finanzierung, steuerliche Abschreibungen oder weniger energetische Auflagen, doch angesichts des Bedarfs sind sie nur eine Medizin in homöopathischer Dosis. Es braucht viel Fantasie, wie Bauen dadurch tatsächlich einfacher, schneller und bezahlbarer werden kann – so, wie es sich Olaf Scholz und Klara Geywitz wünschen.
Baugipfel: Umwandlung von Büros in Wohnungen ist positiv
Positiv könnte der Umbau von leerstehenden Büroimmobilien in Wohnungen wirken. Hier sieht die Regierung ein Potenzial von bis zu 235.000 Wohnungen – und will dafür 480 Millionen Euro locker machen. Angesichts des vermehrten Homeoffices nach Corona werden diese Flächen vorerst wohl auch nicht für die Wirtschaft gebraucht.
Auch die Förderung von Familien mit Kindern durch zinsgünstige Kredite für Immobilien soll erweitert werden – und künftig bis zur Einkommensobergrenze von 100.000 Euro statt nur 60.000 Euro gelten. Ein großer Schritt.
Ob jedoch auch bei 100.000 Euro Einkommen neben den Alltagskosten für vier Personen noch genügend für einen Immobilienkauf übrig bleibt, sei dahingestellt. Eine flexiblere Gestaltung der Grundsteuer wäre jedenfalls sinnvoll für günstigeres Bauen – doch diese Regelung liegt nicht in der Hand des Bundes, sondern bei den Ländern.
Standards bei Neubauten: Regierung macht sich unglaubwürdig
Unglaubwürdig werden die Vorschläge, wenn Bauherren künftig auf verschärfte hohe Energiestandards für Neubauten verzichten dürfen, weil sie nicht mehr "nötig" sind, jedoch bis tags zuvor noch als erforderlich eingestuft wurden. Ebenso, dass die EU-Sanierungspflicht für einzelne Gebäude fallen gelassen werden soll.
Für Immobilienbesitzer und solche, die es werden wollen, mag dies zwar eine Kostenerleichterung darstellen. Aber tun wir unserem Klima und den nächsten Generationen damit tatsächlich einen Gefallen, wenn wir strengere Auflagen heute nur aus Kostengründen nicht umsetzen?
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Dies klingt eher nach Kuhhandel zwischen den Ministerien von rot und grün. Klar ist: Der Notstand am Wohnungsmarkt ist nicht nur ein finanzielles, sondern ein soziales Thema mit großer Sprengkraft. Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf. Wenn dieses wegen hoher Mieten oder unerschwinglicher Neubaukosten nicht mehr finanzierbar ist, droht ein erheblicher Schwund an Lebensqualität.
Eine Entwicklung, die das Vertrauen in den Staat und die Regierung sinken lässt, weil diese nicht ausreichend für die Grundbedürfnisse der Bürger eintreten. Hier muss die Bundesregierung noch deutlich nachlegen, wenn sie nicht viele Menschen bei der nächsten Wahl an die Opposition verlieren will.