Washington. Neue Enthüllungen zeigen, wie Elon Musk zu ungesund viel Einfluss kam – und welche Substanz vermutlich hinter seinen Ausfällen steckt.
Der Herbst wird nicht golden für den reichsten Menschen der Welt: Elon Musks Kurzmitteilungsdienst X (ehedem Twitter) fährt schleichend vor die Wand, sagen Analysten, weil der Chef dauernd die Spielregeln ändert und damit Millionen Nutzer vergrätzt. „Wir könnten scheitern, wie so viele vorhergesagt haben”, erklärte Musk jetzt selbst. In wenigen Wochen kommt zudem eine dem Vernehmen nach schonungslose Biografie von Star-Autor Walter Isaacson über den 52-Jährigen in den Buchhandel. Und dann ist da noch Ronan Farrow.
Farrow ist Experte für Enthüllungen, die Karrieren beenden können. Der aus der Verbindung von Woody Allen und Mia Farrow hervorgegangene preisgekrönte Investigativ-Journalist hat bereits den sexuell machtmissbräuchlich übergriffigen Hollywood-Mogul Harvey Weinstein entlarvt. Nun folgte eine ebenfalls im Magazin „New Yorker” nach einjähriger Recherche entstandene Fallstudie, die binnen Minuten nach Veröffentlichung wie eine von Musks SpaceX-Raketen in den Medienhimmel stieg.
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Farrows dicht gewebter roter Faden: Ob in der Ukraine, im Reich des Digitalen, in der Weltraumfahrt oder bei der E-Mobilität: Überall hat sich Musk durch seine privaten Unternehmen von Tesla über Twitter bis zu Space X zu einem Schleusenwärter geformt, der ganze Regierungen von sich und seinen teils erratischen Meinungsumschwüngen abhängig macht.
Experten: Musk hat einen kaum mehr regulierbaren Einfluss
Etwa dadurch, dass die Nasa alternativlos auf seine Raketen angewiesen ist, um Mond- und künftige Mars-Missionen auszustatten. Oder dadurch, dass das von Präsident Joe Biden angestrebte “grüne Zeitalter” im Straßenverkehr nur über E-Ladestationen läuft, von denen Musk in Amerika 60 Prozent stellt. Hier, so Farrow sinngemäß, besitze Musk beispielloses Erpressungsmaterial.
Farrow lässt dazu zig Offizielle aus dem US-Verteidigungsministerium, der Weltraumagentur Nasa, dem Verkehrsministerium und anderen Regierungsorganisationen anonym zu Wort kommen. Sie schildern lebhaft, dass es Musk – ohne jedes politische Mandat – zu einem kaum mehr regulierbaren Einfluss gebracht hat. Und wie er damit zuweilen unverantwortlich umgeht. Zum Beispiel im Krieg.
Colin Kahl, einst die Nummer zwei im US-Verteidigungsministerium, zitiert aus Gesprächen mit dem Unternehmer, in denen Musk über regelmäßige persönliche Kontakte mit Russlands Präsident Wladimir Putin prahlte. Danach warb Musk – sehr zum Verdruss der US-Regierung – für Friedensverhandlungen auf der Basis, dass Russland erobertes Territorium in der Ukraine behalten darf.
Pentagon soll für Starlink-Connection in Ukraine zahlen
Elon Musk hatte laut Farrow in der Frühphase des Krieges die große Sorge, dass seine über das mobile Internet-Satelliten-System Starlink geleistete wertvolle technische Unterstützung der Ukraine in Moskau als Parteinahme für Kiew gewertet werden könnte. Denn das hätte wiederum China missbilligen können, wo Musk doch in Schanghai jene Fabrik unterhalten darf, die das Gros der Tesla-Modelle produziert. Darum habe der Milliardär im Herbst 2022 die zunächst kostenlos zur Verfügung gestellte Starlink-Connection über Wochen kappen lassen, so Farrow. Auf ukrainischer Seite seien deshalb Menschen gestorben.
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Farrow zitiert dazu einen ukrainischen Kommandeur an der Front: „Wir brauchen Elon jetzt. Verdammt noch mal jetzt sofort. Leute sterben.” Colin Kahl rief Musk eigens dazu an und bat darum, die für Kiew elementar wichtige Starlink-Technologie weiter zu Verfügung zu stellen. Erst im Juni dieses Jahres einigte sich Musk, der 400 Millionen Dollar pro Jahr für diesen Service verlangte, mit dem Pentagon in Washington über eine bisher geheim gehaltene Kostenübernahme.
Der Verweis auf mehrere direkte Kontakte zu Kremlherrscher Putin hat in Washingtoner Regierungskreisen Befremden ausgelöst. “Oh, mein Gott, das ist nicht gut”, zitiert Farrow einen Pentagon-Offiziellen. Musk hatte einen Gesprächsdraht mit dem russischen Präsidenten öffentlich dementiert. „Ich habe mit Putin nur einmal gesprochen und das war vor 18 Monaten”, schrieb er im Oktober 2022.
“Wir leben von seiner Gunst, das ist echt ätzend“
Warum er nicht die Wahrheit sagt? Ein alter Mitstreiter, der das revolutionäre KI-System ChatGPT entwickelt hat, beschreibt einen tief sitzenden Messias-Komplex. „Elon Musk will unbedingt, dass die Welt gerettet wird”, sagt Sam Altman in Farrows Report, „aber nur dann, wenn er derjenige sein kann, der sie rettet.”
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Seine Ausnahmestellung unter den globalen Wirtschaftsführern wird hinter vorgehaltener Hand zähneknirschend eingestanden. So wie die Dinge liegen, sagt ein Pentagon-Offizieller, „leben wir von seiner Gunst, und das ist echt ätzend.” Zumal Musk immer öfter Haken schlägt und – und zum Beispiel bei Twitter beziehungsweise X mit merkwürdigen Kommentaren für Empörung sorgt. Auch dafür hat Ronan Farrow eine mögliche Ursache ermittelt.
Musk soll seine Ketamin-Dosis deutlich erhöht haben, sagen Vertraute aus seinem Umfeld. Die Droge löse nach Angaben von Ärzten eine Art Euphorie aus, „bei der man Sachen sagt und tut, die man sonst nicht sagen und tun würde”. Bisher hat der 52-Jährige, ganz gegen sein impulsives Naturell, nicht substanziell auf die Enthüllungen im „New Yorker” reagiert. Stattdessen plant er einen neuen Hieb gegen etablierte Medien, die auf X ihre Artikel verlinken. Künftig sollen deren Schlagzeilen nicht mehr angezeigt werden.
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