Rom. LGBTQIA-Familien sind Regierungschefin Meloni ein Dorn im Auge. Ein lesbisches Paar aus Padua erzhält, was das für sie bedeutet.
Als Vanessa Finesso und ihre Lebensgefährtin Cristina Zambon das Schreiben aus ihrem Briefkasten holten, brach eine Welt für sie zusammen. Die beiden Frauen haben eine gemeinsame zweijährige Tochter. In der Region Padua, wo die Regenbogen-Familie in einem 6000-Seelen-Dorf nahe der gleichnamigen norditalienischen Stadt zu Hause ist, will die Staatsanwaltschaft Geburtsurkunden von Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern anfechten. Eine der Mütter könnten so auf einen Schlag alle ihre Rechte verlieren. Und Kinder, von denen einige bereits den Kindergarten oder die Schule besuchen, könnten ihren zweiten Nachnamen verlieren.
Die kleine Vittoria, die auch beide Nachnamen ihrer Mütter trägt, hat die DNA von Cristina Zambon. Die 34-Jährige hat sich in Spanien einer künstlichen Befruchtung mit dem Samen eines Spenders unterzogen hat. Die Schwangerschaft wurde von der 33-jährigen Vanessa Finesso ausgetragen. Das kleine, blonde Mädchen ist in der Gemeinde Padua als Kind zweier Mütter registriert und Teil einer Großfamilie. Vanessa hat drei weitere Kinder aus heterosexuellen Beziehungen.
In Italien kann nur die Frau als Mutter anerkannt werden, die das Kind geboren hat
Bisher verlief das Leben ruhig. Doch das war bevor Georgia Meloni in Italien an die Macht kam. Die neue Premierministerin ist eine erklärte Verfechterin vermeintlich traditioneller Familienwerte. Deshalb wird es jetzt ernst für gleichgeschlechtliche Eltern und ihre Kinder. Für Regenbogenfamilien gibt es in Italien keinen formellen Schutz. 2016 wurden gleichgeschlechtliche Ehen zwar legalisiert, aber es gibt kein gleichberechtigtes Adoptionsrecht. Leihmutterschaften sind verboten.
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In Italien kann nur die Frau als Mutter anerkannt werden, die das Kind zur Welt gebracht hat. Seit 2017 haben jedoch einige Gemeinden begonnen, auch gleichgeschlechtliche Paare, die ein Kind per Leihmutterschaft bekommen haben, als Eltern zu registrieren – obwohl das gegen das Gesetz verstößt. Die Registrierung erfolgte meist in Gemeinden unter der Führung von Linksparteien. Dabei nutzten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eine rechtliche Grauzone. Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern sind in Italien per Gesetz nicht explizit verboten – was den Gemeinden bisher einen gewissen Spielraum erlaubte, aber nur bis zum Amtsantritt der Rechtsregierung von Giorgia Meloni im Oktober 2022.
In Padua werden nun 33 Regenbogenfamilien vorgeladen
Die Staatsanwaltschaft von Padua beruft sich auf ein Schreiben des Innenministeriums, mit dem die Präfekten angehalten wurden, die Ausstellung von Geburtsurkunden für Kinder gleichgeschlechtlicher Paare zu unterbinden. Präfekten sind höhere Verwaltungsbeamte, die unter anderem die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in den Provinzen tragen und die örtlichen Behörden beaufsichtigen.
33 Regenbogenfamilien, allesamt Kinder mit den Nachnamen beider Mütter, werden jetzt von der Staatsanwaltschaft Padua vorgeladen. „Wir haben kein Geld, um uns vor Gericht zu verteidigen“ klagt Vanessa Finesso. „Wir haben all unsere Ersparnisse ausgegeben, um Vittoria zur Welt zu bringen. Wir sind nur zwei einfache Arbeiterinnen, ich habe drei weitere Kinder und Cristina ist arbeitslos.“ Obendrein sei sie an einem Knochentumor erkrankt. „Jetzt geht es mir gut, aber sollte sich mein Zustand wieder verschlechtern, was wäre mit meiner Tochter Vittoria?“ Cristina sei vor dem Gesetz nicht ihre Mutter. „Dabei hat Vittoria ihre DNA“, sagt Vanessa.
Leihmutterschaft soll als „internationales Verbrechen“ anerkannt werden
Der Fall sorgt italienweit für Diskussionen. Denn die seit Oktober amtierende Rechtsregierung um Meloni macht keinen Hehl daraus, dass sie sich nur für vermeintlich traditionelle Familien einsetzen will. „Kinder haben das Recht auf eine Mutter und einen Vater“, lautet das Mantra von Vizepremier Matteo Salvini, Chef der in Rom mitregierenden Rechtspartei Lega.
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Die Partei sammelte zuletzt Unterschriften für eine Petition gegen die Leihmutterschaft. Diese ist in Italien seit 2004 verboten. Um zu verhindern, dass Paare im Ausland darauf zurückgreifen, wird zurzeit im Parlament ein umstrittenes Gesetz der Rechtsparteien diskutiert. Demnach sollen künftig italienische Paare strafrechtlich verfolgt werden, die Leihmutterschaft in jenen Ländern nutzen, in denen diese legal ist. Leihmutterschaft soll de facto als „internationales Verbrechen“ anerkannt werden, Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren und Geldstrafen von bis zu einer Million Euro sind vorgesehen.
LGBT-Familien in Italien: Aufgeben? Niemals!
Der Gesetzentwurf wurde von der Abgeordnetenkammer gebilligt und muss jetzt noch vom Senat, der zweiten Parlamentskammer, abgesegnet werden. LGBTQ-Rechtsaktivisten gehen auf die Barrikaden. Die Präsidentin der Regenbogenfamilien, Alessia Crocini, erklärte, es sei beleidigend, „unsere Kinder als das Ergebnis eines Verbrechens zu behandeln, nur weil sie im Ausland geboren wurden, wo Leihmutterschaft legal ist.“
In Italien sei eine „echte Verfolgung von Kindern mit zwei Müttern oder zwei Vätern im Gange“, sagt Crocini. Senatsvizepräsident Maurizio Gasparri meint: „Wir wollen das Geschäft mit Kindern stoppen, die durch Leihmutterschaft zur Welt kommen. Kinder kauft man nicht.“
Mutter Vanessa begreift die „Kriminalisierung“ gleichgeschlechtlicher Eltern nicht. „Viele Paare können auf traditionellen Wegen nicht Eltern werden und setzen auf die Wissenschaft, weil sie keine andere Alternative haben“, sagt sie. Den Kampf um ihre Regenbogenfamilie werde sie fortsetzen. Ihre Familie aufgeben? Niemals!
Inzwischen kommt einiges in Bewegung. Die Stadt Mailand will die Registrierung von im Ausland geborenen Kindern männlicher Paare wieder aufnehmen. Dies kündigte der Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala an, nachdem er die von der Regierung in Rom verhängten Beschränkungen angefochten hatte.
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