Berlin. Die hohen Preise für Energie und Lebensmittel belasten die Reisekasse: So viele Deutsche treten deswegen beim Sommerurlaub kürzer.

Wer in diesen Wochen an Nord- und Ostsee, im Süden Deutschlands oder im Harz Urlaub macht, hat eher mit kräftigem Niederschlag als mit Hitze zu tun. Anstelle von Badehose und Sonnencreme sind hierzulande Regenschirm und festes Schuhwerk gefragt. Dunkle Wolken, statt blauer Himmel: Das kann die Laune im lang ersehnten Sommerurlaub trüben. Die Stimmung vieler Menschen im Land dürfte beim Gedanken an die Sommerferien allerdings schon vorher nur mäßig gewesen sein. Der Grund dafür: Die Kosten einer Reise – ob innerhalb Deutschlands oder ins Ausland.

42 Prozent der Bürgerinnen und Bürger geben in einer repräsentativen Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für diese Redaktion an, dass sie in diesem Jahr weniger Geld für den Sommerurlaub zur Verfügung haben als gewöhnlich. Der Blick auf die Rechnung des Energieversorgers oder den Kassenbon nach dem Wocheneinkauf im Supermarkt zeigt schließlich: Das Leben ist in den vergangenen Monaten deutlich teurer geworden.

Deutscher Reiseverband: „Die Reisepreise sind gestiegen, keine Frage“

Die Inflationsrate ist anhaltend hoch, im Juni betrug sie 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die stärksten Preistreiber sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nach wie vor Nahrungsmittel mit knapp 14 Prozent. Molkereiprodukte waren sogar mehr als 22 Prozent teurer, jeweils knapp 20 Prozent betrug die Preissteigerung für Zucker, Marmelade und Honig, Gemüse und Brot. Nach den drastischen Preissteigerungen für Öl und Gas infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine im vergangenen Jahr kosteten Energieprodukte im Juni noch einmal drei Prozent mehr als vor einem Jahr.

Zu den Preissteigerungen für viele Produkte des alltäglichen Lebens kommt, dass auch der Urlaub selbst mehr kostet: Pauschalreisen waren dem Statistischen Bundesamt zufolge im Juni sechs Prozent teurer als im Mai 2023. „Die Reisepreise sind gestiegen, keine Frage“, erklärt der Deutsche Reiseverband (DRV) auf Anfrage dieser Redaktion. „Die Reisewirtschaft kann sich nicht vollständig von der Inflation abkoppeln.“

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Zu den Preissteigerungen für viele Produkte des alltäglichen Lebens kommt, dass auch der Urlaub selbst mehr kostet.
Zu den Preissteigerungen für viele Produkte des alltäglichen Lebens kommt, dass auch der Urlaub selbst mehr kostet. © dpa | Jens Büttner

Sommerurlaub 2023: Manche sparen, andere geben mehr aus

Wie viel teurer das Reisen geworden ist, sei aber von Reiseziel zu Reiseziel unterschiedlich und hänge auch von der Nachfrage ab. „Durch die gestiegenen Energiekosten ist vor allem der Fluganteil teurer geworden“, analysiert der Branchenverband. Hotels hätten zusätzlich zu den gestiegenen Energiekosten mit den höheren Lebensmittelpreisen zu kämpfen. Dem DRV zufolge haben mehr Urlaubswillige ihren Sommerurlaub bereits in den ersten Monaten des Jahres gebucht und damit „von den zahlreichen Frühbucherangeboten mit Preisabschlägen“ profitiert. „Und jetzt buchen die Deutschen schon vielfach ihren Urlaub für den Herbst oder sogar bereits für das nächste Jahr.“

Die Civey-Umfrage zeigt neben den gut 40 Prozent, die in diesem Jahr weniger für den Urlaub ausgeben können, zwei weitere Gruppen. 43 Prozent können so viel ausgeben wie bisher, fast jeder Zehnte (neun Prozent) kann sogar mehr Geld für den Sommerurlaub ausgeben. Auch der Deutsche Reiseverband beobachtet verschiedene Trends: Nach den Corona-Jahren seien wieder deutlich mehr Auslandsreisen gefragt: „Die Deutschen sind in diesem Jahr in großer Reiselaune.“ Auf der einen Seite buchten viele Familien aber sehr preissensibel und setzten auf All-inklusive-Angebote. Auf der anderen Seite steige das Ausgabeverhalten: „Viele geben für den Urlaub mehr aus, buchen höherwertige Hotelkategorien und bleiben länger am Urlaubsort.“

Jeder Fünfte kann sich keinen einwöchigen Urlaub leisten

Allerdings kann sich jeder Fünfte in Deutschland noch nicht einmal einen Kurztrip leisten: Nach kürzlich veröffentlichten Zahlen des statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) hatten im vergangenen Jahr 21,9 Prozent der Bevölkerung in Deutschland zu wenig Geld, um eine einwöchige Urlaubsreise unternehmen zu können. Von den Alleinerziehenden konnten sich 2022 sogar 42 Prozent nicht einmal einen Kurzurlaub gönnen.

„2023 sind die Sorgen noch größer geworden. Denn auch schon vor der Pandemie konnten sich viele keinen Urlaub leisten, aber der Ukrainekrieg mit Energiekrise, Preisexplosion und Rekordinflation hat das noch verschärft“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, dieser Redaktion. „Für Millionen reicht es heute nur noch für den täglichen Bedarf, an Reisen ist gar nicht mehr zu denken.“

Kürzere Reise, günstigeres Ziel: Ein Drittel muss Ausgaben einschränken

Knapp ein Drittel (31 Prozent) derjenigen, die in diesem Jahr in den Sommerurlaub fahren oder dies bereits gemacht haben, müssen in diesem Jahr an den Ausgaben dafür sparen, wie die Civey-Umfrage ergab. Aus dieser Gruppe sagen 42 Prozent, dass sie kürzer in den Urlaub fahren, 41 Prozent haben sich außerdem ein günstigeres Reiseziel ausgesucht, 40 Prozent buchten eine günstigere Unterkunft. Ein Drittel gibt weniger Geld für Aktivitäten im Urlaub aus, 28 Prozent kürzen die Ausgaben für Essen. Stichwort Restaurantbesuch. 15 Prozent wählten aus den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten aus, für etwas Anderes weniger Geld ausgeben zu wollen. Die Umfrage wurde vom 21. bis zum 31. Juli durchgeführt.

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Von den Eltern mit schulpflichtigen Kindern muss ein Drittel in diesen Sommerferien an den Ausgaben für den Nachwuchs sparen.
Von den Eltern mit schulpflichtigen Kindern muss ein Drittel in diesen Sommerferien an den Ausgaben für den Nachwuchs sparen. © dpa | Stefan Sauer

Von den Eltern mit schulpflichtigen Kindern muss ein Drittel (32 Prozent) der Umfrage zufolge in diesen Sommerferien an den Ausgaben für den Nachwuchs sparen. Jeweils drei Viertel der Familien sagen, dass sie mit den Kindern Tagesausflüge machen oder Aktivitäten am Wohnort bezahlen können. Die Hälfte kann sich die Teilnahme des Kindes an einem Ferienlager leisten. Knapp jeder zehnte (neun Prozent) gab allerdings an, dem Kind nichts davon bezahlen zu können.

Ein Drittel spart an Ausgaben für Kinder - Bartsch: „Besorgniserregend“

„Die ‚Urlaubszahlen‘ zeigen die tiefe soziale Spaltung in Deutschland und die Sorge um den Urlaub der Zukunft“, kommentierte der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, für diese Redaktion die Umfrageergebnisse. „Dass ein Drittel der Befragten bei den Ausgaben für die Kinder sparen muss, ist besorgniserregend.“ Auch die SoVD-Vorstandsvorsitzende Engelmeier blickt mit Sorge auf die Entwicklung: „Die Lage hat sich da insgesamt schon seit Jahren dramatisch verschlimmert. Armut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, jedes fünfte Kind bei uns wächst in Armut auf.“

Wie viel Geld die Bürgerinnen und Bürger im kommenden Jahr für den Urlaub ausgeben können, ist in etwa so unsicher wie das Wetter. Die Mehrheit der Befragten erwartet nicht, 2024 mehr Geld für einen Sommerurlaub zur Verfügung zu haben als in diesem Jahr: 57 Prozent verneinten eine entsprechende Frage, 25 Prozent sind unentschieden. 18 Prozent glauben, sich im nächsten Sommer mehr leisten zu können.