Cherson. Das ukrainische AKW Saporischschja wird im Krieg zunehmend zur Waffe. Doch es gibt eine Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern.

Es grenzt an ein Wunder, dass es im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja bislang nicht zu einer Katastrophe gekommen ist. Seit mehr als einem Jahr ist das größte Kernkraftwerk Europas von russischen Streitkräften besetzt. Immer wieder schlagen in der Nähe des Meilers Geschosse ein. Die Anlage ist zwar seit Herbst heruntergefahren. Die Brennstäbe müssen aber weiter gekühlt werden, damit es nicht zu einer Kernschmelze kommt – oft allein durch Dieselgeneratoren.

Das ist ein chronischer Notzustand, für den ein Atomkraftwerk nicht ausgelegt ist. Jetzt werden ukrainische Warnungen vor einem gezielten russischen Anschlag laut. Sollte Moskau dies wirklich in Erwägung ziehen, wäre das schlicht Wahnsinn; eine solche Aktion würde auch schweren Schaden für Russland selbst bedeuten. Gleiches gilt für die ukrainische Seite, der Moskau vorwirft, selbst eine nukleare Katastrophe herbeiführen zu wollen.

Ukraine-Krieg: Warum viel auf dem Spiel steht

Aber in diesem Krieg sind bereits so viele Katastrophen verursacht worden, dass nichts mehr ausgeschlossen werden kann. Niemand hätte damit gerechnet, dass der Kachowka-Staudamm gesprengt werden könnte, es ist dennoch geschehen.

Der Politik-Korrespondent und Reporter, Jan Jessen, ist in der Ukraine unterwegs.
Der Politik-Korrespondent und Reporter, Jan Jessen, ist in der Ukraine unterwegs. © FUNKE Foto Services | Anna Stais

Wenn es im Kreml noch Menschen mit einem Funken Verstand gibt, sollten sie darauf drängen, das russische Militär restlos von dem Atomkraftwerk abzuziehen. Dessen Besetzung ist völkerrechtswidrig und ein Verbrechen – ebenso wie der gesamte russische Überfall.

Um die Sicherheit der eigenen Bevölkerung zu gewährleisten, sollte sich aber auch Kiew notfalls nicht einer Lösung verschließen, bei der das Atomkraftwerk zumindest übergangsweise unter internationale Verwaltung gestellt wird. Es steht zu viel auf dem Spiel.

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