Paris. Erinnerungen werden wach ans Jahr 2005, als Frankreich schon einmal brannte, weil auf die Wut der Jugend keine Antwort gefunden wurde.
Nahel, der im Pariser Vorort Nanterre von einem Polizisten getötet wurde, war erst 17 Jahre alt. Ein Teenager, man kann sagen: ein Kind. Ähnlich jung sind auch jene Menschen, die jetzt alles kurz und klein schlagen, um Nahel zu rächen. Viele von ihnen leben wie Nahel in einer verwahrlosten Vorstadt, stammen von Einwanderern ab, besitzen kaum Zugang zu Bildung, geschweige denn Geld.
Links des Rheins wurden gestern erste Stimmen laut, die den Präsidenten aufforderten, den Notstand zu verhängen. Weil die jüngsten Ausschreitungen und ihr Auslöser so fatal an den Herbst 2005 erinnern, als ein Aufstand der Jugend aus den Vororten der Metropolen das Land in eine Staatskrise stürzte. Diesmal, so die Mahner, solle das Feuer ausgetreten werden, bevor es sich zu einem Flächenbrand ausweitet.
Frankreich: Problem in den Vorstädten hat sich verschärft
Doch 2023 ist nicht 2005. Misere, Arbeitslosigkeit und Kriminalität sind in den meisten der rund 350 von den Behörden offiziell als „Problemviertel“ eingestuften Vorstädten zwar immer noch überdurchschnittlich hoch. Aber in den letzten 18 Jahren ist viel Geld in diese Vorstädte geflossen, um die Lage zu verbessern. Gleichzeitig sank insbesondere die entmutigende Jugendarbeitslosigkeit von 25 auf 16 Prozent.
Objektiv geht es der Vorstadtjugend mittlerweile besser. Besser ist jedoch nicht mit gut zu verwechseln. Ihre Chancen stehen immer noch schlecht. Der gewaltsame Tod von Nahel lässt das Gefühl der Ungerechtigkeit in blanke Wut umschlagen.
Und so explodiert in Frankreich nun ein Kessel, in dem sich in den letzten Jahren viel zu viel Druck aufgebaut hat: Die aufgeheizte Stimmung zwischen den Vorstadtbewohnern und den Ordnungshütern. Insofern wohnt dem Tod von Nahel in der Tat sehr viel Sprengstoff inne. Präsident Macron und seine Regierung wissen das. Ebenso wissen sie offenbar, dass jetzt Fingerspitzengefühl wichtiger ist als das Ausrufen des Notstands. Sie müssen auf die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen eine Antwort finden – aber auch auf ausufernde Polizeigewalt.