Berlin. Nach dem abrupten Ende des Aufstands steht die Söldner-Gruppe Wagner vor dem Aus – doch mit einem Trick könnte sie weiter bestehen.
In der Nacht verlassen die maskierten Männer in ihren gepanzerten Fahrzeugen die südrussische Großstadt Rostow, die sie seit dem frühen Morgen besetzt hatten. Videos zeigen Menschen, die ihnen zujubeln und sie wie Rockstars feiern. Schon während des Tages hatten die Einwohner den Soldaten, auf deren Uniformen keine Hoheitsabzeichen zu sehen sind, Getränke und Essen gebracht. Es sind die Männer, die Russland an den Rand eines Bürgerkriegs gebracht und den Herrscher im Kreml gedemütigt haben. Die Wagner-Söldner fahren von Rostow in eine ungewisse Zukunft.
Während der 24 Stunden, die Russland an den Rand eines Bürgerkrieges brachten, zeigen die Wagner-Söldner einmal mehr, aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Die Männer gehen bei der Besetzung neuralgischer Positionen in Rostow und in Woronesch unaufgeregt vor.
Ihre Kolonnen auf dem Weg nach Moskau schützen sie mit Flugabwehrsystemen des Typs Pantsir, es gelingt ihnen, mehrere russische Helikopter und mindestens ein Flugzeug abzuschießen. Als ihr Chef Jewgeni Prigoschin am Abend verkündet, der Marsch auf Moskau sei gestoppt, ziehen sie sich diszipliniert zurück. Diese Männer sind Profis, Kriegsexperten und loyal gegenüber ihrer Führung.
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Wagner-Gruppe: Moskau hat auf Dienste immer wieder zurückgegriffen
Wagner, das ist eine Söldnertruppe, die viele Jahre in Russland eigentlich gar nicht hätte existieren dürfen, weil dort private Militärunternehmen zumindest bis 2017 offiziell verboten waren. Trotzdem hat Moskau immer wieder auf die Dienste dieser Männer zurückgegriffen, überall dort, wo Russland geopolitischen Einfluss nehmen, aber nicht offiziell engagiert sein wollte.
Die Blaupause für ihre Einsätze haben die USA und Frankreich geliefert. Die USA hatten nach dem Sturz Saddam Husseins im Irak das Militärunternehmen Blackwater engagiert, um dort die Schmutzarbeit zu erledigen, Frankreich schickt seine Legionäre, die offiziell der Armee angehören noch heute in afrikanische Länder, um dort postkoloniale Interessen zu sichern. Die Wagner-Armee ist ein Zwischending zwischen reiner Söldner-Truppe und Legion.
Wagner-Armee: In vielen afrikanischen Ländern im Einsatz
Gegründet wurde die Gruppe im Jahr 2014 von Prigoschin und Dmitri Walerjewitsch Utkin, einem Rechtsextremisten und ehemaligen Mitglied der Speznas-Einheit des militärischen Nachrichtendienstes GRU. Utkin gab der Gruppe den Namen Wagner, weil er Fan des gleichnamigen deutschen Komponisten ist. Die Männer, die in den Wagner-Einheiten dienten, waren zunächst wie Utkin ehemalige Angehörige der russischen Streitkräfte, häufig wie er Elitekämpfer.
In den Jahren nach der Gründung ist die Truppe im Donbass in der Ukraine, in Armenien, Libyen, Syrien, Mali, Mosambik, dem Sudan, der Zentralafrikanischen Republik und anderen afrikanischen Ländern im Einsatz. Die Söldner machen sich zahlreicher Menschenrechtsverletzungen schuldig. Zum Symbol ihrer Brutalität und ihrer Skrupellosigkeit wird der Vorschlaghammer. 2017 foltern Wagner-Söldner in Syrien einen Mann mit einem solchen Hammer vor laufender Kamera, im November 2022 ermorden sie in der Ukraine einen Deserteur, indem sie ihm den Schädel einschlagen.
Russland entfernt sämtliche Rekrutierungsplakate der Wagner-Gruppe
Trotzdem genießen die Männer in Russland Kultstatus, spätestens nach den Schlachten, die sie nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar vergangenen Jahres geschlagen haben. In blutigen Gefechten, bei denen sie neben den professionellen Kräften auch Zehntausende ehemalige Strafgefangene als Kanonenfutter eingesetzt haben, erobern sie Soledar und Bachmut.
Mit ihrem Putschversuch scheint die Geschichte der Wagner-Gruppe beendet zu sein. Schon am Samstag werden sämtliche Rekrutierungsplakate in Russland entfernt. Ihr Finanzier Prigoschin, der von einem Vertrauten Putins zum Staatsfeind Nr. 1 wurde, ist nach Belarus geflohen. Seine Männer haben sich in ihre Feldlager zurückgezogen.
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Ein Fortbestand der Wagner-Gruppe unter altem Namen wäre ein immerwährender Stachel im Fleisch der Machthaber im Kreml. Deswegen ist es das wahrscheinlichste Szenario, dass die Söldner zukünftig entweder in die regulären Streitkräfte eingegliedert oder unter der Fahne anderer russischer Söldnertruppen dienen werden.
Nach Aufstand: Bleibt Prigoschin Chef?
Mittlerweile operieren in der Ukraine diverse russische Militärunternehmen. Das semistaatliche Gasunternehmen Gazprom soll zwei Truppen mit den Namen Redut und Potok aufgestellt haben. Der russische Verteidigungsminister Schoigu soll eine Söldnertruppe namens Patriot befehligen, der tschetschenische Präsident Kadyrow hat eine eigene Einheit namens Achmat. Auf die Dienste solcher privater Militärdienstleister wird der Kreml in Zukunft nicht verzichten können und wollen.
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Insbesondere in Mali, im Sudan, der Zentralafrikanischen Republik und in Syrien sichern die Wagner-Kämpfer derzeit russische Interessen, wirtschaftlich wie politisch. „Die Wagner-Söldner, die in anderen Ländern als der Ukraine eingesetzt sind, werden weiterhin nützliche Idioten sein“, ist der Militärexperte Gustav Gressel überzeugt. Möglicherweise werde die Organisation jetzt auch in Gänze von jemand anderem übernommen. Sie ist ein lukratives Unternehmen, das seine Einnahmen auch durch den Handel mit Blutdiamanten, Tropenholz oder Gold generiert.
Ein eher unwahrscheinliches Szenario ist es, dass Jewgeni Prigoschin Wagner-Chef bleibt und seine Organisation von Belarus aus steuert, möglicherweise sogar von dort aus in den Kampf in der Ukraine schickt. Dazu ist die Schmach zu groß, die er und seine Männer Wladimir Putin zugefügt haben.