Lüdenscheid/Düsseldorf. Landtagsausschuss untersucht ab 4. Mai, wie es zur Sperrung der Rahmedetalbrücke kommen konnte. Das Gremium leitet ein Grüner. So will er vorgehn.

Jetzt wird Wäsche gewaschen, vielleicht auch dreckige. Am 4. Mai konstituiert sich im NRW-Landtag der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) „Brückendesaster und Infrastruktur“. Das Gremium soll unter anderem untersuchen, wie es zur Sperrung der A 45 bei Lüdenscheid kommen konnte und ob der ehemalige NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) für das Debakel verantwortlich ist. Wir haben mit Stefan Engstfeld (53), Abgeordneter der Grünen im Landtag, gesprochen. Er ist Vorsitzender des Ausschusses.

Sie sind Rheinländer. Lüdenscheid ist weit weg. Kennen Sie die Gegend trotzdem?

Ich kenne die Gegend ganz gut. Als Kind und Jugendlicher war ich sehr oft in Winterberg, und wir sind immer die Route über die A 45 gefahren. Jetzt vor Ostern war ich noch einmal einen ganzen Tag vor Ort, habe mir die Brücke genau angeschaut und mit den Menschen in Lüdenscheid gesprochen.

Mit welchen Ergebnissen?

Ich verstehe sehr gut, in welch katastrophaler Lage die Region seit der Sperrung steckt. Die Menschen leiden dort extrem, sie tun mir Leid.

Sind Sie Ausschussvorsitzender wider Willen?

Nein.

Aber Ihre Partei und die CDU haben den PUA doch abgelehnt.

Das ist davon völlig unabhängig. Hier geht es um ein Instrument der Demokratie. Ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert des Parlaments. Der Landtag hat seine Einsetzung beschlossen, und das Thema Brückeninfrastruktur wird uns noch lange beschäftigen. Es besteht ein Aufklärungsinteresse. Sollten wir Missstände feststellen, kann unsere Arbeit ja dazu führen, dass vergleichbare Probleme in Zukunft besser gemanagt werden. Ich übe das Amt überparteilich aus und sorge dafür, dass es fair zugehen wird. Natürlich können Zeuginnen und Zeugen auch in die Mangel genommen werden, und es wird auch mal schrille Töne geben, aber ich will keine Schlammschlacht.

Warum sind ausgerechnet Sie Vorsitzender?

Ich habe Erfahrung mit Untersuchungsausschüssen. Im Landtag war und bin ich zudem Vorsitzender von anderen Ausschüssen. Leitungserfahrung ist wichtig. Auch beim Thema Autobahnbrücken kenne ich mich aus, weil ich über Jahre die Arbeiten an der Fleher Brücke (A 46) zwischen Düsseldorf und Neuss politisch begleitet habe. Deshalb ist mir das Zusammenspiel der Ebenen von Kommune über Kreis, Bezirksregierung und Land sowie Bund bekannt. Gleichwohl kommt es nun zu einer Premiere. Es gab noch nie einen grünen Vorsitzenden oder eine grüne Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses, seitdem die Partei in den Landtag eingezogen ist. Nicht mal eine Stellvertretung.

Herzlichen Glückwunsch.

Danke.

Ist die Gratulation überhaupt angemessen? Ausschussvorsitz bedeutet Mehrarbeit.

Das stimmt. Eigentlich kommt jetzt noch ein Vollzeitjob obendrauf. Im Zweifel geht das auf Kosten des Familien- und Privatlebens. Das ist mir bewusst.

Wird das extra bezahlt?

Nein.

Wann geht die Arbeit konkret los?

Nach der konstituierenden Sitzung werden wir zunächst alle relevanten Akten anfordern. Das sind Unmengen Lesestoff. Die werden wir sichten, fachlich bewerten und anschließend die Zeugen vorladen.

Das Ganze wird auch ein langes und teures Unterfangen.

Der Ausschuss hat einen umfangreichen Untersuchungsauftrag und fünf Themenkomplexe. Bis zum Ende der Legislaturperiode, also im Frühjahr 2027, müssen wir die Arbeit abgeschlossen haben. Aber es gibt die Möglichkeit, Zwischen- oder Teilberichte vorzulegen. Erfahrungswerte zeigen, dass ein PUA im Jahr etwa eine Million Euro kostet. Das meiste davon sind Personalkosten. Wenn wir aber am Ende Mechanismen finden, die verhindern, dass wie in Lüdenscheid eine Autobahn über Nacht gesperrt werden muss, ist der Aufwand jeden Cent wert.

Können Sie das Tempo beschleunigen?

Ich setze Termine und Orte fest. Wenn man die Zeugenbefragung ernst nimmt, braucht man eine gute Vorbereitung. Für jede Sitzung setze ich ausreichend Vorbereitungszeit an. Das beeinflusst das Tempo.

Sie gehen ergebnisoffen an die Arbeit, oder?

Klar. Grüne sind immer für Transparenz und Aufklärung. Untersuchungsausschüsse entwickeln oft eine Eigendynamik, schon allein durch die Zeugenvernehmungen. Manchmal müssen Zeugen auch mehrmals befragt werden. Da können Erkenntnisse aufkommen, die vorher keiner auf der Rechnung hatte.

Einer der wichtigsten Zeugen dürfte der ehemalige Verkehrsminister und jetzige Ministerpräsident Hendrik Wüst werden. Ist das für den Ausschussvorsitzenden eine besondere Situation?

Noch sind die Zeugen nicht geladen. Es ist aber zu erwarten, dass die Fraktionen ihn benennen werden. Ein Ministerpräsident ist sicherlich kein ganz normaler Zeuge, schon allein weil seine Befragung mit einem großen medialen Interesse verbunden wäre. Seine Aussage könnte jedoch fachlich relevant sein. Ich habe schon Ministerpräsident Rüttgers und Bundesminister in Untersuchungsausschüssen vernommen. Ich bin da ganz entspannt.