Rom. Für seinen Erlass musste Antonio Torchia viel Kritik einstecken. Doch die absurde Forderung hat einen ernsten Hintergrund, wie er erklärt.
Zwischen den kargen Bergen der Sila und dem kristallklaren Meer des Golfs von Squillace liegt das Dorf Belcastro. Doch der kleine Ort macht dieser Tage nicht mit seiner malerischen Naturkulisse von sich Reden, sondern mit einem umstrittenen Beschluss seines Bürgermeisters: Antonio Torchia hat seinen rund 1200 Anwohnerinnen und Anwohnern das Kranksein verboten.
Der Grund: Seine Gemeinde findet keinen Arzt mehr. Dadurch sei keine ordentliche Gesundheitsversorgung mehr gewährleistet. In Belcastro gibt es nicht einmal mehr einen ärztlichen Bereitschaftsdienst, das nächste Krankenhaus ist 45 Kilometer entfernt. Torchia wies die Bevölkerung deshalb schriftlich an, „jede Krankheit zu vermeiden, die einen medizinischen Eingriff erfordert, und sich so viel wie möglich auszuruhen“.
Bürgermeister in Italien sorgte mit bizarrer Idee für Schlagzeilen
„Mein Erlass ist eine Provokation, doch dieser Schritt war notwendig, um auf das Problem aufmerksam zu machen“, erklärte Torchia seine Entscheidung gegenüber dieser Redaktion. Die Schwierigkeiten bei der ärztlichen Versorgung in kleinen Bergdörfern betreffe viele Gemeinden in Italien. „Ich muss sagen, dass meine Anordnung mehr Wirkung zeigt als die Dutzenden Briefe, die ich bisher an die Behörden geschickt habe.“
Der Familienvater und Polizist hat alle Hände voll zu tun, um seinen Mitbürgern medizinische Versorgung zu garantieren. „Wir haben sogar einige Ärzte aus Norditalien und Argentinien kontaktiert, die bereit wären, sich hier niederzulassen, um uns zu unterstützen. Wir bieten ihnen eine kostenlose Unterkunft an“, meint der 50-jährige Bürgermeister, dessen Familie seit Generationen in Belcastro lebt.
Der kleine Ort rund um die mittelalterliche Burg der Grafen von Aquin, verliert immer mehr Menschen. Die Einwohnerzahl hat sich in den letzten 40 Jahren mehr als halbiert. Die Abwanderung vom Dorf sei inzwischen ein chronisches Problem. Vor allem jüngere Menschen würden bevorzugen, in größere Städte mit mehr Infrastruktur zu ziehen. Er kämpfe mit allen Mitteln, damit die Bevölkerung in Belcastro bleiben könne, so Bürgermeister Tochia. „Unsere Dorfbewohner zahlen die Steuern wie in Rom und Mailand, sie haben ein Recht auf die wesentlichen medizinischen Dienstleistungen.“
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Kalabrien ist Italiens schwarzes Schaf, was das Gesundheitssystem betrifft. Der Ärztemangel ist akut. 500 Ärzte aus Kuba wurden nach der Corona-Pandemie eingesetzt, um vorübergehend die chronischen Personalprobleme im öffentlichen Gesundheitssystem zu beheben. Einige dieser Mediziner haben sich inzwischen in der Region niedergelassen, das Problem ist damit jedoch nicht gelöst.
Die italienische Regierung bemüht sich, den öffentliche Gesundheitsdienst für Ärzte und medizinische Fachkräfte wieder attraktiver zu machen. Ärztegewerkschaften schlagen bereits Alarm. Viele junge Mediziner würden nach ihrem Studienabschluss ins Ausland gehen oder in der Privatwirtschaft arbeiten. Grund dafür seien niedrige Gehälter, Personalmangel und lange, harte Arbeitsschichten.
Besonders stark betroffen ist laut Gewerkschaften die Notfallmedizin, zu der auch die Notaufnahmen zählen. Torchia lässt sich aber nicht entmutigen. „Wir wissen, dass die Lage kompliziert ist. Ich will jedoch nicht aufgeben, unser Dorf ist wunderbar. Die Natur und die Ruhe hier sind einmalig, die Landwirtschaft idyllisch. Wir kämpfen, um hier zu bleiben, doch ohne einen Arzt können wir einfach nicht weitermachen.“
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